Peer Steinbrück für Geschlechtertrennung

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat sich bei einer Veranstaltung in Berlin für getrennten Sportunterricht von Mädchen und Jungen ausgesprochen. „Wenn die Schulen es einrichten können“, so Peer Steinbrück, „sollten sie da Rücksicht auf die religiösen Gefühle nehmen und getrennten Sportunterricht anbieten.“ Steinbrück antworte mit diesen Worten auf die Frage eines Schülers, der von einem muslimischen Vater erzählte, der sich gegen gemeinsamen Sportunterricht seiner Tochter mit Jungen gewehrt hatte. Steinbrück räumte allerdings auch ein, dass dies „ein schwieriges Thema“ sei, zu dem alle „eine andere Meinung“ hätten.

Was ist bloß bei unseren Freundinnen und Freunden links von der Mitte los, dass da immer wieder mit Geschlechtertrennung geliebäugelt wird? Die letzte Person aus der Spitzenpolitik, die sich für Geschlechtertrennung erwärmen konnte, war NRW-Ministerin Sylvia Löhrmann von den Grünen. Sie ermunterte dazu, Mädchen und Jungen teilweise getrennt zu unterrichten, da dies in Naturwissenschaften, Mathematik und Informatik sinnvoll sein könne. “Lehrkräfte müssen darauf vorbereitet werden, dass Mädchen einen anderen Zugang brauchen, um anzubeißen”, sagt Sylvia Löhrmann. “Mädchen brauchen eher einen Anwendungsbezug, während viele Jungen Technik an sich fasziniert.” In Chemie etwa wollten Mädchen vor allem wissen: Wofür brauche ich das? “Wenn sie dann wissen, dass das zum Beispiel für Kosmetik interessant ist, haben sie einen eigenen Zugang.” Bei allem Respekt für Sylvia Löhrmann, aber mit dieser Aussage ist sie nur noch einen Autobahnstreifen entfernt von all den sexistischen Unsäglichkeiten, die Eva Herman von sich gegeben hat. Wäre Angela Merkel damals in eine Schule gegangen, wie sie Sylvia Lörhmann vorschwebt, so wäre sie heute vermutlich keine Bundeskanzlerin sondern würde Kosmetik-Artikel für die Brigitte schreiben.

Hedwig Dohm hat einmal gesagt “Menschenrechte haben kein Geschlecht!” Sylvia Löhrmann möchte ich entgegenrufen: Wissen Sie, was noch alles kein Geschlecht hat? Das Periodensystem der Elemente, das Ohmsche Gesetz, die binomischen Formeln, Kosmetik, Fußball und Jamben! Wenn es ein wissenschaftliches Interesse an Kosmetik gibt, so haben Jungen und Mädchen ein Anspruch darauf, dies in gemeinsamer Anstrengung in der Schule zu erlernen.

Von getrennter Arbeit in gleichgeschlechtlichen Lerngruppen sollen aber angeblich auch Jungen profitieren, zum Beispiel in der Leseförderung. Sylvia Löhrmann argumentiert: “Da muss man eher zum Sachbuch oder zu den “Wilden Kerlen” greifen statt zu “Hanni und Nanni”, damit Jungen Spaß am Lesen bekommen.” Sachbücher sind also eher Männersache. Interessant, meine Dame, interessant! So ein Satz muss doch wohl hoffentlich nicht erst von Eva Herman kommen, bevor berechtigte Kritik erklingt. Auch eine grüne Ministerin kann im Sexismus stecken und was Löhrmann hier raushaut, ist sexitischer als alles, was die bundesdeutsche Ministerin Kristina Schröder jemals von sich gegeben hat. Während Sylvia Löhrmann eine starke Verfechterin des Gesamtschulsystems ist, weil sie davon überzeugt ist, dass dieses System Vorurteile abbaut und Gemeinschaft fördert, möchte sie die Geschlechter trennen. Statt Gymnasium und Realschule also Mädchen und Jungenklassen. Wenn ich Löhrmann höre, kann ich sehr gut verstehen, was Kristina Schröder meint, wenn sie schreibt: “Danke, emanzipiert sind wir selber!”

Jetzt spricht sich also auch Peer Steinbrück für eine Geschlechtertrennung im Unterricht aus. Vielleicht träumt Herr Steinbrück ja sogar insgeheim von einer Geschlechtertrennung bei der nächsten Wahl, denn nur so scheint er noch eine Chance zu haben. Er selbst hat erst von ein paar Monaten behauptet, Angela Merkel werde wegen ihres Geschlechts bevorzugt. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte Steinbrück: „Angela Merkel ist beliebt, weil sie einen Frauenbonus hat.“ Ja, „Frauenbonus“ war das Wort der Wahl von Wir-haben-Null-Prozent-Frauen-in-der-Troika-Peer. Es war übrigens das selbe Interview, in dem er sagte, die Kanzlerin verdiene nicht genug.

In Diskussionen rund um die Frage der Geschlechtertrennung im Unterricht kommt immer wieder der Einwand, dass es tatsächlich so sei, dass Männer und Frauen bei bestimmten kognitiven Tests unterschiedlich abgeschnitten und jeweils spezifische Stärken hätten. Das kann sehr wohl sein, aber ich möchte daran erinnern, dass es auch in den dunklen Zeiten des Rassismus Tests gab, die nachgewiesen haben wollen, dass es Unterschiede und spezifische Stärken gibt. Mit diesen Ergebnissen wurden dann die Apartheid und die Jim Crow Laws gerechtfertigt. Zudem wurde behauptet, wenn “Rassen” in der Schule getrennt werden, “Schwarze” besser werden, weil sie nicht von Rassisten gestört werden und “Weiße” besser werden, weil sie unter sich bleiben und nicht durch den eigenen Rassismus abgelenkt werden. Dennoch fordert niemand mit Vernunft und Anstand die Apartheid! Aber da geht es ja auch um Rassismus. Beim Sexismus drücken wir gerne ein Auge zu.

Sexismus durch Geschlechtertrennung an der Schule bekämpfen zu wollen, ist so sinnvoll wie Rassismus durch Rassentrennung an der Schule bekämpfen zu wollen. Außerdem braucht dieses Land keine politischen Mamas und Papas vom Schlage Löhrmann und Steinbrück, die sich sorgen und kümmern und selbst zur Geschlechtertrennung greifen, um ihr Verständnis von Toleranz und Gleichberechtigung zu realisieren. Manchmal reicht es schon, eine Frau wie Angela Merkel zu sein, die allein durch ihr Sein zeigt, dass Frauen alles können, auch Bundeskanzler!

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
Dieser Beitrag wurde unter Feminismus, Politik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.