Tapfer im Nirgendwo

Sowohl das Argumentum ad hominem als auch das Argumentum ad populum sind wieder schwer in Mode. Es scheint, als sei ich nur noch von rechtspopulistischen und links-grün versifften Menschen umgeben, die wahlweise Deutschland, Flüchtlinge, alte weiße Männer oder emanzipierte Frauen hassen. Es scheint nur noch Rassisten und Feminazis zu geben. So wird es mir jedenfalls immer öfter eingeredet, wenn ich es wage, mit einer Persona non grata zu reden. Schon ein Foto mit einer solchen Person kann zur Ächtung führen.

Wer glaubt, die Gegner der Demokratie stünden nur links, ist selbst zu rechts und wer glaubt, sie stünden nur rechts, ist zu links. Die eigene Position bestimmt, was man sieht. Die Zuschreibungen „links“ und „rechts“ dienen oft nur als Beleidigungen des politischen Gegners. Ich allerdings bin Tapfer im Nirgendwo.

Vor vielen, vielen Jahren, in der Julimonarchie Frankreichs im 19. Jahrhundert, saß die Regierung rechts im Parlament und die Opposition links. Warum wird im 21. Jahrhunderts immer noch diese Sprachreglung zur Verortung einer politischen Orientierung genutzt? Fragen Sie mal einen Linken, was rechts bedeutet und Sie werden die schroffsten Urteile hören. Fragen Sie mal einen Rechten, was links bedeutet und das Ergebnis wird ähnlich vernichtend ausfallen. Deshalb bin ich dazu übergangen, den Zuschreibungen „rechtspopulistisch“ und „linksdeutsch“ kritisch zu begegnen.

Ich habe Respekt vor Menschen, nicht aber vor ihren Ideologien, Religionen und Überzeugungen. Respekt gebührt Menschen, nicht Ideen! Wenn jemand glaubt, ich beleidigte ihn, nur weil ich hart über den Koran, das Evangelium, ein Manifest, Marx, Mohammed oder Jesus spreche, so soll er sich beleidigt fühlen. Ich werde nie auf das Lachen, Zweifeln, Kritisieren und Verarschen von Ideen verzichten. Wer glaubt, ich verachte ihn, nur weil ich Witze über seinen Glauben mache, verwechselt sich mit seinen Überzeugungen. Der Mensch ist aber mehr als die Summe seiner Ideen!

Wenn ein Mensch aufgrund seiner Herkunft kritisiert wird, nennt man das Rassismus. Wenn ein Mensch jedoch für seine Überzeugung kritisiert wird, nennt man das Aufklärung. Für die Herkunft kann niemand was, für seine Überzeugungen jedoch schon! Das Gegenteil von Herkunft ist nämlich Zukunft! Mit jedem Schritt, den ich gehe, entscheide ich die weitere Richtung. Religionen und Ideologien sind Überzeugungen. Sie dürfen jederzeit verarscht werden!

Wenn zwei Menschen eine Beziehung miteinander eingehen, mag sie privater oder geschäftlicher Natur sein, sollten sie es so frei und unabhängig wie möglich tun können, ohne das ihre Beziehung einer anderen Beziehung gegenüber bevorzugt wird. Wenn Peter und Ahmed sich lieben, warum sollte ihre Liebe staatlich anders behandelt werden als die Beziehung von Peter und Maria? Wenn ein Franzose und eine Deutsche miteinander geschäftlich handeln, warum sollten sie es schwerer haben als wenn ein Franzose mit einer Französin handelt? Wenn Kim etwas anbaut und Ill-Young auch, warum sollte Kim Geld vom Staat bekommen, Ill-Young aber nicht? Jede Freiheit eines Individuums, die eingeschränkt wird, muss gut begründet sein.

Der Staat schenkt mir Freiheit nicht! Ich habe die Freiheit in mir, wie jeder Mensch! Ich erlaube dem Staat lediglich Einschränkungen in meine Freiheit. Wenn die Einschränkung jedoch keinen Sinn (mehr) macht, sage ich: Fort damit! Freiheit ist eine stete Kritik an herrschenden Konventionen.

Leider wird viel zu oft die Autorität der Freiheit vorgezogen. Dabei kommen Veränderungen immer, weil jemand damit angefangen hat, anders zu denken und zu sprechen. Das Recht auf eine eigene, freie Meinung hat daher jeder und jeder hat das Recht, fehlerhaft zu denken und zu scheitern. Das Recht auf Irrtum ist der Motor der Entwicklung und es gibt keinen Grund, den Irrenden zu hassen. Dummheit muss nicht verboten werden. Dummheit entlarvt sich von selbst.

Ich brauche keinen Staat, der mir vorschreibt zu welcher Musik ich zu tanzen habe. Ich brauche keine Vorschriften über die Geschwindigkeit meines Tanzes und keine Gesetze über die Abstände meiner Schritte. Ich will nicht, dass der Staat mir die Mindestlänge meiner Balancierstange vorschreibt und ich brauche keine Einmischung in die Wahl meiner Mittänzer. Ich kann selber entscheiden, an welchen Tagen und zu welchen Stunden ich tanze. Lasst mich einfach nur tanzen, wann ich will, mit all den Gefahren. Meinetwegen spannt ein Netz für den Notfall, aber sollte wer das Netz als Hängematte missbrauchen, so schmeißt ihn raus! Das Netz wird schließlich von der Gemeinschaft bezahlt.

Wer Steuern zahlt, wird dadurch nicht gleich solidarisch! Steuern zahlen hat mit Solidarität nichts zu tun. Sonst wäre ja jeder durch Robin Hood Beraubte, im Moment des Raubs solidarisch geworden. Solidarität kann nur freiwillig als Geschenk gespendet werden. Steuern jedoch sind ein Zwang! Robin Hood hat den Reichen genommen und es den Armen gegeben. Robin Hood war die Privatisierung des Sozialstaats. Er nahm mit Gewalt, wie der deutsche Staat heute, der jedoch jetzt ein Monopol auf diese Gewalt hat, mit Ausnahme der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die nach wie vor steuerähnliche Zwangsgebühren mit Gewalt erpressen dürfen, aber das ist ein anderes Thema.

Mit jedem Euro, den der Sozialstaat nimmt, sagt er: „Ich halte Dich für zu egoistisch, um anderen zu helfen. Ich mache das für Dich!“ Im Grunde ist es ein Armutszeugnis für eine Gemeinschaft, wenn ein Staat das Teilen erzwingen muss wie einst Robin Hood! Sowohl linke als auch rechte Extreme zeichnen sich allerdings dadurch aus, dass sie glauben, der Mensch sei so schlecht, dass er eine Führung braucht. Aus Liebe zu der Freiheit sollten wir an dieses schlechte Menschenbild stets zweifeln.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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