Das schaudernde Gefühl

Eine Reaktion von Fabián dos Rios.

Lieber Herr Buurmann,

ich bin Fabian und war heute mit einem Freund auf Deiner Veranstaltung „Der Nathan-Komplex“ im Café Libresso. Als aller erstes möchte ich ein großes Lob für Deine tiefen Auseinandersetzungen und Einblicke aussprechen, denn es ist ein zerreißendes Thema, welches unfassbar schwierig ist, in so einer kurzen Zeit und mit solch einer Klarheit darzustellen.

Das wir uns früher verabschiedet haben und an der Diskussionsrunde nicht mehr teilgenommen haben, lag weniger daran, dass wir nicht interessiert waren, sondern viel mehr, dass wir schlicht und ergreifend mental und emotional ausgeschöpft waren – was für Dein Talent und Deine einnehmende Art spricht.

Nichtsdestotrotz möchte ich mich für die fesselnde Darstellung bedanken, denn seltenst hat mich ein Event in der Form überwältigt.

Nun ist ein Tag vergangen und ich habe Fragen, über dessen Horizont ich es nicht schaffe zu blicken und die ich mit Dir teilen möchte.

Zum einem gelingt es mir nicht zu begreifen, welches Phänomen oder Motiv den Menschen dazu bewegt, über so eine lange Zeit, eine ganz bestimmte Minderheit zu unterdrücken oder gar versuchen auszulöschen. Dass es ausschlaggebende Unterschiede in der Weltanschauung gibt, die dazu geführt haben, vermag ich, auch wenn nur mit mühevoller und unwürdiger Empathie, zu verstehen. Jedoch kann ich mich damit einfach nicht zufrieden geben.

Liegt die Wurzel tatsächlich in jenem Moment, wo sich die Glaubensrichtungen scheiden und eine Gruppe, seine veranlagte Eigenschaften wie Hass und Zorn mit jene Unterschiede begründet, rechtfertigt und auf die Minderheit abwälzt? Inwiefern spielt Macht eine Rolle? Ist es also eine Frage des Glaubens oder der menschlichen Natur innewohnend, welche beständig katastrophale Folgen mit sich zieht? Und welche Art des Glaubens, beziehungsweise universeller Philosophie, könnte gewährleisten, dass so etwas nicht weiter geschieht?

Auch wenn mich als sehr belesen und reflektiv einschätzen würde, viel beobachte und analysiere, habe ich das schaudernde Gefühl, immer weniger zu begreifen.

Schlussendlich wollte ich diese Gedanken und Fragen mit Dir teilen und mich für die Anregungen bedanken.

Ich wünsche Dir einen angenehmen Herbstanfang und einen guten Start in die Woche.

Viele Grüße
Fabián dos Rios

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Nach der Lektüre habe ich sofort Kontakt mit Fabián aufgenommen. Wir werden uns treffen, um über all die Fragen, die auch ich in mir trage, näher zu sprechen. Tapfer im Nirgendwo wird über das Gespräch berichten.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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