Auschwitz war nur ein schlechtes Büro!

Es kann bekanntlich alles mit allem verglichen werden, Christen mit Kakerlaken (beide leben auf dem Planeten Erde), Muslime mit Hunden (beide essen) und Juden mit Schweine (beide trinken). Jedesmal kann der Vorwurf der Geschmacklosigkeit des Vergleichs mit der originellen Antwort entkräftet werden, ein Vergleich sei keine Gleichstellung, sondern nur eine Verdeutlichung, eine kleine Übertreibung, um auf etwas ganz besonderes aufmerksam zu machen.

Der Preis für den abenteurlichsten Vergleich geht an die Managerin Sedika Weingärtner! Sie hat die Firma Siemens auf zwei Millionen Euro Schadensersatz verklagt, weil sie dort „schlimmer behandelt wurde als Juden im 3. Reich.“ Sedika Weingärtner klagt: „Kein Jude in diesem Land musste jemals solche seelischen Qualen erleiden wie ich.“

Was? Ich kann nicht glauben, was ich dort lese. Das darf doch alles nicht wahr sein! Nur zwei Millionen Euro? Nur lächerliche zwei Millionen Euro Wiedergutmachung für eine Behandlung, die schlimmer ist, als alles, was in diesem Land jemals irgendeinem Juden angetan wurde?

Sedinka Weingärtner ist wahrhaft ein Vorbild für Versöhnung und Menschlichkeit. Obwohl sie schlimmeres erleben musste, als Menschen in Konzentrationslagern, Deportationszügen und Gaskammern, obwohl ihre Nächte schlimmer waren als jede Pogromnacht, obwohl jeder Gang vom Parkplatz zum Büro ein reiner Todesmarsch gewesen sein muss, verlangt sie nur zwei Millionen Euro von ihren Peinigern.

„Ach“, wird jetzt manch einer seufzen, „wären doch bloß die Juden auch so versöhnlich wie Sedika Weingärtner. Seit über sechzig Jahren nerven Juden jetzt schon mit ihrem Gejammer, stellen Forderungen über Forderungen, und alles, obwohl sie nicht mal ansatzweise so viel Leid ertragen mussten wie Sedika Weingärtner. Dennoch gibt sich Sedika Weingärtner, die „schlimmer behandelt wurde als Juden im 3. Reich“, mit nur zwei Millionen Euro Schadensersatz zufrieden. An Sedika Weingärtner sollten sich die Juden wirklich ein Vorbild nehmen!“

Ja, Sedika Weingärtner ist wahrhaft schlimmes angetan worden. Es soll nun hier zitiert werden (Menschen mit schwachen Nerven sei geraten, nicht mehr weiter zu lesen):

Sedika Weingärtner wurde systematisch von Besprechungen ausgeschlossen, mit einem alten PC abgespeist, in ein kleines Büro gesetzt und mit übermäßig viel Arbeit eingedeckt. Sie wurde mit den Worten „Dreck“ und „Schlamperei“ beschimpft und musste folgende Beleidigungen ertragen: „Du läufst hier wie ein Walross rum“ und „Du bringst als Frau ein derartiges Potenzial an Widerstand mit, dass jeder Mann dadurch seine Ehre beleidigt und verletzt fühlt.“ Zudem wurden ihr Männerwitze erzählt! Das muss man sich mal vorstellen! Männerwitze! Da regt man sich ernsthaft über Zyklon B auf, und eine Frau wie Sedika Weingärtner muss Männerwitze ertragen? Wenn man bedenkt, dass das Leben eines so unbedeutenden Mannes wie Itzhak Stern in „Schindlers Liste“ verfilmt wurde, wenn Tragödien wie das Leben von Sedika Weingärtner in deutschen Büros nur darauf wartet, erzählt zu werden.

Ja, so ist es mit Vergleichen, sie sind zwar immer möglich, führen aber manchmal zu solchen inhaltlichen Katastrophen, dass man sie besser unterlassen sollte. In dem Fall Sedinka Weingärtner ist der Vergleich jedenfalls so offensichtlich problematisch, dass ihn sicherlich jeder Mensch und vor allem jeder Journalist mit Vehemenz kritisieren würde. Sollte man meinen, aber die Realität sieht anders aus.

Thomas Fromm von die Süddeutschen Zeitung schreibt einen Artikel mit der Überschrift „Ausländisch, weiblich, gemobbt“, in der er nur einmal in einem Nebensatz auf die „angeblichen Verharmlosung des Holocaust“ zu sprechen kommt. Dabei spricht er von eine „angeblichen“ Verharmlosung, ganz so, als sei der Vergleich von Auschwitz mit einem schlechten Büro keine wirkliche Verhamlosung. Ansonsten ergibt sich Thomas Fromm wortreich in der Beschreibung der Vorwürfe, die zum „größten Mobbing-Prozess, der jemals in Deutschland verhandelt wurde“, geführt haben.

Simone Schmollack von der TAZ geht noch einen Schritt weiter. Die Verharmlosung des Holocaust ist ihr in ihrer Titelgeschichte nicht mal mehr ein Nebensatz wert; sie verschweigt diese Tatsache vollkommen. Simone Schmollock braucht eine deutsche Heldin ganz nach ihrem Geschmack und eine solche deutsche Heldin glaubt sie, in Sedinka Weingärtner gefunden zu haben, ein weibliches Opfer, das mit seinem Lebenslauf das Herz jeder TAZ-Journalistin so hoch schlagen lässt, wie das preussische Herz beim Rufen des Namens „Barbarossa“ im Kyffhäuser. Die TAZ strengt alle ihre Kräfte an, um die von ihr entworfende deutsche Heldin von jedem braunen Gestank zu befreien.

In diesem Zusammenhang möchte ich nun auch einen Vergleich anstellen. Denk ich an Simone Schmollock, so denke ich an jene deutsche Journalisten, die in den 60er Jahren alles daran gesetzt haben, um deutsche Politiker von ihrem braunen Gestank zu befreien. Ganz spontan kommt mir dabei auch Beate Klarsfeld
in den Kopf, die am 7. November 1968 den deutschen Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger auf dem CDU-Parteitag in Berlin ohrfeigte und dies mit seiner NS-Vergangenheit begründete. „Ach,“ denke ich so bei mir, „wenn ich so an Frau Klarsfeld denke und sehe Sedika Weingärtner vor meinen Augen, wünscht ich mir, es gäb auch für Weingärtner eine Klarsfeld, um sie für ihre Verharmlosung mal so richtig abzuwatschen.“ Ja, Simone Schmollock benimmt sich wie jene deutsche Journalisten, die auf dem rechten Auge blind sind.

Aber dies ist natürlich nur ein Vergleich und keine Gleichstellung.

***

Die Anwälte von Sedika Weingärtner Frank Jansen und Klaus Michael Alenfelder gehen davon aus, dass sie gewinnen werden. Sie richten sich aber auf einen langen Prozess ein. „Fünf Jahre“, so schätzt Klaus Michael Alenfelder. Sollten sie wirklich gewinnen, dann hat die Firma Siemens genau den Fall, den sie braucht, um Sedika Weingärtner auf mindestens fünf Millionen Euro Schadensersatz erfolgreich zu verklagen, da die Beleidigung, Siemens sei schlimmer als Auschwitz, unzweifelhaft ein beispielloses Mobbing ist und die Aussage, Sedika Weingärtner laufe rum wie ein Walross, toppt – wenn auch nur minimal, (ich will hier ja nicht zu sehr vergleichen, denn die Singularität der Tragödie von Sedika Weingärtner muss selbstverständlich gewahrt bleiben).

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About tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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