Ein offener Brief von Gerd Buurmann an Lamya Kaddor

Liebe Lamya Kaddor,

unter der Überschrift „Islamkritik, die niemand braucht“ schrieben Sie Ende 2015 in der ZEIT:

„Diese Stimmungsmache, die heute Personen wie Hamed Abdel-Samad vertreten und früher Leute wie der Journalist Henryk Broder, die Autorin Necla Kelek und der Schriftsteller Ralph Giordano verbreitet haben, machen Millionen Menschen in diesem Land ganz konkret das Leben schwer – manchmal sogar unerträglich.“

Dem Deutschlandfunk gaben Sie jüngst ein Interview, in dem es heißt:

„Die 38-Jährige sagte im Deutschlandfunk, seit dem Erscheinen ihres Buches über die Integration von Flüchtlingen vor zwei Wochen habe sie Morddrohungen erhalten und so viele Hassbriefe wie noch nie – vor allem aus dem rechten Spektrum. Renommierte Journalisten wie Henryk M. Broder beteiligten sich daran, Stimmung gegen sie zu machen.“

Sagen Sie mal, Frau Kaddor, haben Sie noch alle Latten am Zaun?

Sie rücken Ralph Giordano in die Ecke gewalttätiger Stimmungsmacher? Sein ganzes Leben lang konnte er nicht in ein Gotteshaus gehen, ohne dabei an einem Polizeiwagen vorbei gehen zu müssen. Sein Leben lang wurde er von rechten Gewalttätern bedroht, weil er Jude war. In den letzten Jahren seines Lebens kam noch eine massiv spürbare Bedrohung von islamischen Gewalttätern dazu.

Er war 15 als in Deutschland sämtliche Synagogen niedergebrannt wurden. Er war 18 als in Deutschland Juden vergast wurden. Und er war 91 als er auf deutschen Straßen den Mob brüllen hörte: „Jude, Jude feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“ Ab Minute 0:45:

Er war 91 Jahre alt, als in Deutschland „Adolf Hitler“ gebrüllt und der Tod von Juden gefordert wurde. Ab Minute 2:50:

Ein paar Jahre nach seinem Tod rücken Sie nun Ralph Giordano in die Ecke rechter Stimmungsmacher und alles nur, weil er die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion kritisiert und Frauen mit Kopftuch als „menschliche Pinguine“ bezeichnet hatte. Seit Jahrzehnten schon werden in Deutschland Nonnen so bezeichnet. Und wissen Sie, wie die Nonnen darauf reagieren? Sie lachen! Nonnen haben nämlich Humor und sehen aus wie Pinguine!

Sie rücken Henryk Broder in die Ecke gewalttätiger Stimmungsmacher? Sein ganzes Leben lang schon weigert er sich, zur Gewalt zu greifen. Er begegnet den Menschen, die ihn hassen, mit Worten. Sie hassen ihn weil er Jude ist, für Israel streitet, Religionen kritisiert, aufgeklärte Muslime unterstützt oder Kritik übt. Dennoch greift Broder nicht zu Waffen und Gewalt, sondern zu Worten und Humor.

Er ist Deutscher mit Migrationshintergrund, wie Sie. Bei ihm wird das jedoch nicht ständig problematisiert. Wissen Sie auch warum? Weil er daraus keine Lebensanschauung macht. Er jammert nicht ständig herum! Es brauchte kein Polenprogramm, das kultursensibel auf ihn zuging. Er integrierte sich ganz ohne eine über zehn Jahre anhaltende bundesdeutsche Judentumkonferenz und das obwohl auch er immer noch an Polizeiwagen vorbeigehen muss, wenn er in eine Synagoge geht. Als Jude lebt man gefährlich in Deutschland.

Henryk Broder steht tagtäglich im Zentrum des Hasses, der wie kein anderer Hass in Deutschland wütet und gemordet hat. Trotzdem fliegt er mit dem Flugzeug in fremde Länder, um Menschen kennenzulernen, statt in Hochhäuser um Menschen zu töten! Er ist nämlich kein Arschloch, sondern selbstverantwortlich!

Sie rücken Necla Kelek in die Ecke gewalttätiger Stimmungsmacher? Sie ist eine Frau, die mit dem Islam nicht anders umgeht, als Ute Ranke-Heinemann mit dem Christentum. Kelek klagt die Sexualmoral der Religion an. Sie verteidigt das Recht aller Frauen auf Selbstbestimmung. Sie wagt sich in die grausamen und brutalen Tiefen des islamischen Frauenhass und beschreibt die Gräueltaten, die dort passieren, wie sie überall geschehen, wo fundamentalistischer Glaube über die Vernunft siegt. Kelek kämpft für muslimische Frauen und ist somit im Fokus rechter wie islamischer Gewalttäter.

Sie rücken Hamed Abdel-Samad in die Ecke gewalttätiger Stimmungsmacher? Er ist ein Mann, der unter ständigem Personenschutz leben muss, weil ein islamisches Todesurteil über ihn verhängt wurde. Er schwebt jede Sekunde seines Lebens in Lebensgefahr. Er macht nichts anderes, als reden und schreiben, aber das Verfassen einer kritischen Biografie über Mohamed reicht schon, ihn in Gefahr zu bringen.

Necla Kelek, Henryk Broder, Hamed Abdel-Samad und Ralph Giordano (sel. A.) schlagen sich nicht mit Fäusten wie rechte Schläger, sie schlagen sich mit Worten wie zivilisierte Menschen! Und sie können alle nicht aus ihrer Haut, wie Sie!

Diese Menschen stehen in keiner Verbindung zu jenen Leuten, die Ihnen Morddrohungen zukommen lassen! Im Gegenteil, sie bekamen und bekommen alle selbst Morddrohungen! Hamed Abdel-Samed bekommt diese Morddrohungen sogar von offizieller Seite einiger islamischer Unwürdenträger. Dennoch besitzt er nicht die geschmacklose Frechheit zu unterstellen, Sie könnten an diesen Morddrohungen eine Mitschuld tragen, obwohl Sie ihn diffamieren.

Es ist widerlich, Morddrohungen zu erhalten. Sie, Frau Kaddor, haben meine volle Solidarität im
Kampf gegen diese Gewalttäter. Ich weiß wovon ich spreche. Ich habe schon einige Mails erhalten, die mich bedrohen, hier ein paar Auszüge:

„Jetzt reichts. Herr Burrman, ich gebe ihnen 2 Tage Zeit diese Frwechheiten und drerckigen Judenlügen abzustellen sonst kom ich persönlich vorbei und schlag ihnen ihren kleinen Halbglatzenschädel ein.“

„Dich hat der Adolf damals wohl vergessen was?“

„Ehrlich, solteich sie mal auf offener Straße sehen würde ich keine Sekunde zögern ihnen ain Messer in den Hals zu rammen. Sieg HEIL.“

Manchmal rufen mich diese Leute sogar an und brüllen „Dreckige Judensau“ (dabei bin ich kein Jude, aber manchmal eine ganz schöne Sau), „Halt Deinen Mund“ und „Man sollte Dir die Zunge rausreißen“ ins Telefon. Für diese Typen mache ich jedoch niemand anderes verantwortlich als die Typen selbst. Sie haben sich dazu entschieden, mir zu schreiben oder mich anzurufen! Sie machen mir das Leben schwer!

Sie, Frau Kaddor, behaupten, Hamed Abdel-Samad, Henryk Broder, Necla Kelek und Ralph Giordano „machen Millionen Menschen in diesem Land ganz konkret das Leben schwer – manchmal sogar unerträglich.“ Wissen Sie, woran mich das erinnert? An Fundamentalisten, die Kritik verbieten!

Sie kriminalisieren Menschen, die Kritik üben wie Muslime, die in der perversen und radikalsten Auslegung des Korans Menschen kriminalisieren, weil sie Karikaturen zeichnen oder den Glauben hinterfragen. Sie kriminalisieren Kritik und somit die Aufklärung an sich, zu deren Methodik der Zweifel gehört.

Hamed Abdel-Samad, Henryk Broder, Necla Kelek und Ralph Giordano schlagen, schießen und treten nicht. Sie öffnen lediglich ihre Münder und somit ihren Geist. Sie treten in Kontakt mit den Menschen in ihrer Umgebung. Sie suchen den Wettstreit der Gedanken, nicht der Fäuste. Sie streiten sich zivilisiert und das obwohl ihnen selbst Gewalt angedroht und nicht selten sogar angetan wurde, im Falle Giordanos sogar in unvorstellbar brutaler Art und Weise, die alles übersteigt, was Sie und ich sich vorstellen können.

Sie, Frau Kaddor, kriminalisieren Kritik so wie islamische Fundamentalisten Karikaturisten kriminalisieren! Ich hoffe inständig, dass Sie diese Verteufelung von Kritik, die das Fundament des aufgeklärten Europas und die Stütze der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist, nicht an ihre Schülerinnen und Schüler weitergeben. Dann nämlich wundert es mich nicht, dass unter Ihren Schülern bereits fünf für den Dschihad nach Syrien gezogen sind.

Ich wundere mich generell, dass Sie den Koran lehren, wo Sie doch so vehement darauf hinweisen, dass Sprache und Bücher ein Klima schaffen können, in dem Gewalttäter und Extremisten sich ermutigt fühlen. Wenn Allah und Mohamed schon nicht in der Lage sind zu verhindern, was andere Leute aus dem Koran herausinterpretieren, warum sollen dann Giordano, Kelek, Abdel-Samad und Broder mächtiger sein? Mächtiger als Gott? Kann natürlich sein, wenn es ihn nicht gibt.

Bleiben wir daher bei den Fakten: Der Koran ruft explizit und unter Umständen zu Gewalt, Verstümmelung und Totschlag auf, Giordano, Kelek, Abdel-Samad und Broder nicht. Der Koran sollte somit auf der Liste der zu kritisierenden Bücher deutlich höher stehen als die Bücher der vier Sterblichen!

Wäre ich ein Moslem, mich beleidigte ein Mensch, der im Namen des Islams verfolgt und mordet, deutlich mehr, als alle Kritiker des Islams zusammen. Ein Islamist würde mir das Leben schwer machen – manchmal sogar unerträglich. Aber das ist Ansichtssache.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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