Eine kleine Frage von Simon Slomma.
Anlässlich meines beginnenden dreißigsten Lebensjahres halte ich es für nicht unangebracht, ein paar meiner Verhaltensmuster mal generell in Frage zu stellen. Zum Beispiel meinen Alkoholkonsum. Ich bin kein Experte für solche Fragen, aber mich beschleicht das Gefühl, dass nicht nur die Menge an Alkohol, die man zu sich nimmt, bestimmt, ob man als Alkoholiker durchgeht oder nicht, sondern vor allem die emotionale Bindung zum Alkohol.
Es soll ja Leute geben, die von sich behaupten, am Wochenende vielleicht mal 1, 2 Bier „mit den Jungs“ zu trinken. Das habe ich noch nie verstanden. Wenn ich nur ein Bier trinke, kann ich’s auch lassen. Das lohnt sich doch gar nicht. Diese Leute trinken auch nie unter der Woche, denn sie „müssen ja am nächsten Tag fit sein“.
Ach bitte. Alles eine Frage des Trainings. Aber vielleicht ist es auch ein Anzeichen, mal die Reißleine in Betracht zu ziehen, wenn man keinen Kater mehr bekommt.
Ich für meinen Teil spüre lediglich eine leichte Entrücktheit, die ich allerdings als sehr angenehm empfinde. Alkohol ist ein Weichzeichner, der die Außenwelt barrierefrei macht. Und damit wären wir auch schon bei dem verheerendsten Symptom des Alkoholismus: Die romantische Verklärung. Nachts einen Bordstein entlang torkeln, das Hemd gelockert, die Krawatte flattert im Wind, in der einen Hand glimmt eine Zigarette, in der anderen pendelt das Bier, genau mein Wetter, genau meine Art loszulassen und man fällt rücklings auf den Gehsteig, bis einen am Morgen die Kehrmaschine einsammelt. Wer ganz unten ist, kann nicht mehr fallen. Selbstmord aus Angst vor dem Tod.
Wahrscheinlich übertreibe ich maßlos.
„Hab dich nicht so“, höre ich meine Saufkumpels rufen, „auf einem Bein kann man nicht stehen, trink doch einen mit, stell dich nicht so an“. Niemand möchte alleine vor die Hunde gehen. Der soziale Druck ist enorm. Viele suchen auf der südlichen Weinstraße panisch die Nothaltebucht.
Einen Anlass zum saufen gibt es immer. Ein Erfolg, ein Misserfolg, ein Feiertag, ein Trauertag. Saufen, saufen, saufen. „So jung kommen wir nicht mehr zusammen.“ Da fällt man raus, wenn man ein kleines Mineralwasser ohne Zitrone bestellt. „Wie, willst du dich waschen, oder was trinken?“
Sobald das Ego ins Spiel kommt, ist alles verloren. Dosenstechen, Trichtersaufen, Flunkyball – der Triathlon des Grauens, die Tour de trance. Wenn du den Mann bei seiner Ehre packst, kippt er sich alles rein. Tequila, Grappa, Rohrfrei, völlig egal. „Nich lang schnacken, Kopp in Nacken!“
Gendermainstreaming ist zwar langweilig, passt aber in diesen Text, mit seiner zünftigen Bierseligkeit, gut rein. Also Mädels, Sektchen? Oder Weißweinschorle? Oder Aperol Spritz? Dass ich die gerade aufgezählten Getränke gerne selber trinke, sei mal dahingestellt. Manchmal muss es eben Mumm sein.
Der sprachliche Aspekt ist übrigens auch nicht zu vernachlässigen. Es gibt herrliche Formulierungen rund um das begehrte Destillat: „Sich gepflegt einen reinstellen“, „wegzimmern“, „aus dem Leben knüppeln“. Die Absicht hinter diesen Sprüchen liegt klar zu Tage: Weltflucht. Schon klar, keine bahnbrechende Erkenntnis, aber gehört trotzdem erwähnt.
Es soll ja sogar Künstler geben, die nur berauscht schreiben können, man spricht in diesem Fall auch von der Fuselmuse. Naja, ich nehme noch einen Schluck Tee und überlege wie ich diesen Text zu einem vorläufigen Ende bringe.
Ich schätze ab und an ein, zwei Bierchen, ist kein Thema. Die Leute, die das schaffen, beneide und verachte ich im munteren Wechsel. Mir und allen anderen wünsche ich das Beste und immer ne Handbreit Whisky unterm Kiel. Oder vielleicht lieber eben grade nicht. Schulz.
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Information zum Autor: Simon Slomma (Musiker & Comedian) ist aktuell mit seinem Soloprogramm „Back in the Speckgürtel“ im Atelier Theater auf der Roonstraße neben der Synagoge in Köln zu sehen. Der nächste Termin ist am 06. Februar 2018. Für weitere Infos: www.simonslomma.de
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(TINSIMS)
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