Ich weiß nicht, wo Du politisch stehst, ob eher links oder rechts, konservativ oder progressiv, liberal oder autoritär. Vielleicht unterstützt Du aktuelle staatliche Maßnahmen, aber vielleicht kritisierst Du sie auch. Du kannst Befürworter einer politischen Richtung sein oder ein Skeptiker. Du kannst eine komplett andere Position vertreten als ich, aber vielleicht haben wir dennoch etwas gemeinsam.
Kennst Du auch Leute, die Dich nur noch kontaktieren, um Dir mitzuteilen, wie falsch Deine Haltung ist? Bekommst Du ungefragt und mannigfaltig via Mail oder Messenger Artikel, Filme, Witze oder Dokumentationen geschickt, die Deine Position kritisieren, aber die Haltung des Absenders unterstützen? Bekommst Du immer häufiger Filme auf Dein Handy gespült, wo Deine Überzeugungen auseinandergenommen werden?
Wenn Du solche Leute kennst, dann haben wir etwas gemeinsam.
Ich habe Freundinnen und Freunde verschiedenster politischer Gesinnungen. Ich bin mit Menschen befreundet, die links und rechts wählen, einigen wählen die Die Linke, andere die AfD, die deutliche Mehrheit jedoch, wählt was völlig anderes. Manche wählen sogar gar nicht.
Wenn eine Freundin, die ich sehr schätze und achte, eine mir völlig fremde Partei wählt, scheint sie in der Partei etwas Gutes zu erkennen, etwas, das ich nicht erkennen kann, vielleicht weil ich zu sehr gegen diese Partei eingenommen bin oder weil ich schlicht nur eine andere Gewichtung der Themen und Interessen vorgenommen habe. Irgendetwas Gutes aber muss an dieser Partei sein, denn meine Freundin hat sie gewählt und meine Freundin ist gut. Sie ist nicht dumm, ignorant, verblendet oder böse; sie ist gut. Ich mag sie.
Wenn es mich interessiert, kann ich sie fragen, warum sie die Partei wählt und dann höre ich ihr zu, ohne sie belehren zu wollen. Wenn es mich jedoch nicht interessiert, dann rede ich halt mit ihr über andere Dinge. Wir sind schließlich befreundet und haben eine Menge anderer Themen, über die wir uns austauschen können.
Freunde sind nicht dazu da, um sie der eigenen Weltanschauung zu unterwerfen. Man hat Freunde, um mit ihnen ein Teil des Lebens zu teilen, dabei zu lachen, zu weinen und vielleicht sogar etwas zu lernen. Es ist großartig, wenn Freunde eine andere Meinung haben, denn so kann ich in Zuneigung erkennen, dass der Gegner kein Feind sein muss, sondern Freund sein kann.
Aber auch Menschen, die keine Freunde sind, begegne ich erstmal mit Respekt. Wenn ich mit fremden Menschen rede, dann nie, um sie von meiner Anschauung überzeugen zu wollen. Ich rede mit ihnen, weil ich sie kennenlernen will.
Ein Gespräch ist keine Konversionstherapie!
Ich gehe nicht in ein Gespräch, um zu missionieren. Ich rede mit anderen Menschen, um sie zu verstehen und um mich zu erklären. Es geht mir nicht primär darum, mich zu beweisen oder eine Meinung zu ändern. Ein Gespräch muss kein zwanghafter Austausch sein, bei dem Pro und Contra nur vorgetragen werden, um hinterher zu einer Synthese zu gelangen. Ein Gespräch kann auch einfach nur eine Zusammenkunft von Menschen sein, die sich bedingungslos kennen lernen wollen, ganz ohne Eroberungswillen.
Einem Gespräch sollte immer ein Ja zu der Meinung des Anderen zugrunde liegen. Kein Ja im Sinne, dass die andere Person recht hat, sondern ein Ja, dass ich bereit bin, mir die andere Seite anzuhören, ihr zu folgen, ihr vielleicht zuzustimmen oder sie abzulehnen, sie aber auf jeden Fall zu bedenken und zwar im Willen, die andere Position zu verstehen.
Leider gibt es immer mehr Menschen, die nicht offen in ein Gespräch gehen, sondern gleich mit einer Anklage ins Haus fallen. Genau diese Menschen schicken ungefragt und mannigfaltig Ratschläge.
Ratschläge sind auch Schläge!
Es wird immer mehr zur Mode, Mails zu verschicken, deren Inhalt man wie folgt zusammenfassen kann:
Anklage! Schau mal hier, diesen Film. Unterstellung! Lies mal diesen Artikel. Da wird total klug erklärt, wie dumm Du bist. Beleidigung! Wegen Leuten wie Dir, wird es nicht besser. Vorwurf! Keine Grüße.
Das letzte Mal, als ich eine Mail in diesem Stil bekam, schrieb ich zurück:
„Lieber Gerd, wie geht es Dir? Ich hoffe, es geht Dir gut. Ich habe diesen Artikel gelesen und fand ihn richtig gut. Wenn Du möchtest, kannst Du ihn lesen und wenn Du Zeit und Lust hast, können wir uns persönlich treffen und darüber reden. Deine Meinung dazu interessiert mich nämlich. Das erste Getränk geht auf jeden Fall auf mich.“ – So hättest Du mir auch schreiben können, aber Du hast es vorgezogen, mir direkt mit einem anklagenden, wütenden Ton zu begegnen. Warum?
Die Antwort auf meine Frage war wenigstens ehrlich:
„Weil mich Menschen wie Du wütend machen.“
Wenn Dich Menschen kontaktieren, weil sie wütend auf Dich sind, wenn Sie nur Kritik an Deiner politischen Ansicht loswerden wollen, wenn Sie Dich nicht fragen, wie es Dir geht und nur versuchen, Dich zu bekehren und zu belehren, dann glaube ihnen. Sie respektieren Dich nicht.

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