Es gibt Ereignisse in der Geschichte, die uns so berührt haben, dass wir heute noch genau wissen, wo wir waren, als sie geschahen. Wenn Du Zeit und Lust hast, lass in der Kommentarspalte Deiner Erinnerung freien Lauf.
11. September 2001
9. November 1989
20. Juli 1969
Die Erinnerungen werde ich hier auf Tapfer im Nirgendwo veröffentlichen:
11. September 2001
„In meinem Buchladen, jemand kam mit einem tragbaren Fernseher hereingestürzt und rief wo ist eine Steckdose. Wir sahen fassungslos die Türme rauchen und einstürzen. Ein im Laden anwesender Freund versuchte sofort einen Cousin zu erreichen, von dem er annahm der könnte gerade in einem der Gebäude sein. Tags darauf wurde mir von Schülern erzählt, viele muslimische Mädchen in deren Klassen hätten entsetzt erzählt, wie die Familien die Nacht gefeiert hätten. Wenige Tage später wurde geleugnet, daß irgendwer gefeiert habe und daß ein Anschlag stattgefunden habe. Die Zeitdauer vomEreignis bis zur Leugnung war von 30 Jahren auf 3 Tage geschrumpft.“
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„In der Beratungsstelle in Bergkamen saß ich mit Kollegen zusammen, als der Jahrespraktikant hereinstürzte und was von Flugzeugen im WTC faselte. Im Fernseher sahen wir dann ungläubig die rauchenden Türme. Als ich zu Hause war, stürzten die Häuser hinter einer überforderten Anne Will zusammen.“
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„Am Rechner im Büro. Im Radio kam eine Kurzmeldung, dass ein Flugzeug ins WTC gestürzt sein. Genaueres später. Dann ins Internet und nachgeschaut, war aber nochh wenig los. Später Live – Reportage von einen Radioreporter des WDR, der von seinem Hotelzimmer die Tower sehen konnte. Während der Reportage flog das zweite Flugzeug in den anderen Turm. Ab da war der Arbeitsalltag vergessen. In der Behörde, unterwegs im Zug und auch zuhause: Überall wurde diskutiert, Erschütterung usw. Den Tag werde ich nicht vergessen.“
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„Ich war im Einkaufszentrum, als vor einem TV-Händler im Untergeschoss eine Menschenmenge stehen blieb und durchs Fenster ungläubig auf die Monitore starrte. Da ich wenig Zeit hatte und auf Grund der Menge auf den Monitoren zunächst auch gar nichts erkennen konnte, ging ich weiter und sah, wie auch ein paar andere Händler ihre Geräte Richtung Fenster drehten (n-tv statt MTV) oder das Radio auf Nachrichten umstellten oder die Dauermusik zumindest leise, bekam erst da mit, was passiert war. Ich erinnere mich daran, weil das ganze Einkaufszentrum, sonst sehr lebhaft, nach und nach sehr still wurde, verlangsamt, während den Menschen eine Mischung aus Unglaube und Entsetzen im Gesicht stand. Ein paar Jugendliche feixten und fielen in dieser angespannten, verhaltenen Stille noch unangenehmer auf, sie verstummten sehr schnell von alleine wieder.
Über den Tag hat wohl jeder jede freie Minute genutzt, um Nachrichten zu sehen und das Geschehene, Unfassbare, Ungreifbare irgendwie doch zu begreifen. Was gar nicht gelingen konnte. Tatsächlich gab es im Wesentlichen nur noch dieses eine Thema, alles andere wurde nebensächlich.“
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„Ich war unterwegs zum Zahnarzt, dann kam auf dem Infoscreen in der Kölner U-Bahn die Nachricht, dass ein Flugzeug in ein Hochhaus geflogen ist, da war noch nicht von einem Terroranschlag die Rede. Als ich zuhause war, kamen nur diese Bilder im Fernsehen und die Sender konnten sie noch nicht richtig zuordnen und haben ersucht etwas zu kommentieren, aber es gelang nicht so richtig. Dann habe ich den ganzen Abend bei RTL angesehen, wie Peter Kloeppel versucht hat, zu berichten. Ich fand ihn sehr beeindruckend. Das hat sich etwas wie lautes Nachdenken angehört.“
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„Ich kam gerade zurück vom Zahnarzt. Die Meldung kam im Radio und meine (damalige) Freundin schickte mir eine SMS mit dem schlichten (aber wahren) Inhalt: “Es gibt Krieg.”“
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„Habe für meine Tochter den Dachboden ausgebaut, bis sie hinaufstürzte und rief “da ist ein Flugzeug in ein Haus geflogen”. Ich, ja und kann doch mal passieren und arbeitete weiter. Nach einer Zeit lief sie wieder zu mir rauf und schrie “noch ein Flugzeug in ein Haus geflogen”. Ich versuchte sie zu beruhigen und sagte das das wohl ein Blödsinn sei, ging allerdings jetzt neugierig, in der Hoffnung meine Tochter wieder eines besseren zu belehren, die Treppen runter. Vor dem TV der Schock, auf vielen Kanälen immer das Gleiche! Bin wie eine Leiche dagesessen und konnte nur weinen. Ein Reporter hielt zu diesem Zeitpunkt es sogar für möglich, daß es deutsche Terroristen sein könnten, da kam bei mir die Panik hoch und die Angst und nicht schon wieder …! Danach holte ich meinen Sohn vom Kindergarten ab, dort war alles ruhig, Mütter quatschten miteinander, ich erzählte das Geschehen (damals mußte man mit 20.000 Toten rechnen), eine der Mütter sagte darauf “ja ja so sind die Amis “, da entstaute sich einiges bei mir, … war nicht nett, aber so effektiv, daß ich wieder mal weniger Bekannte hatte. Danach kam ich ca. 3 Tage nicht mehr vom Fernseher weg, einfach kaputt.“
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„Ich war gerade in New York City in der Uni angekommen und habe das durch Kommilitonen erfahren. Von der Straße aus konnten wir die 5th Ave hinunter die beiden Tower brennen sehen. Die Atmosphäre war ziemlich erschreckt und unsicher, weil es Gerüchte von weiteren Terroranschlägen gab.“
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„Ich war gerade in meiner ehemaligen Firma angekommen um den Abschied einer Kollegin zu feiern als die Sekretärin weiß wie die Wand auf mich zukam und mir sagte, dass gerade ein Flugzeug in einen der Türme des World Trade Centers geflogen sei. Wir ging dann zusammen in den Konfi um den Fernseher einzuschalten und nach und nach kamen die anderen Kollegen/innen dazu und wir schauten uns völlig entsetzt die Bilder an, ungläubig und sprachlos. Wir sahen dann noch wie das zweite Flugzeug in den nächsten Turm flog und waren danach alle wie gelähmt. Keiner sagt mehr etwas, wir saßen nur da und einige fingen an zu weinen. Für uns alle waren diese Momente sehr unwirklich und wir haben lange gebraucht um uns wirklich klar zu machen, dass dieses furchtbare Unglück wirklich geschehen ist.“
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„Ich war arbeiten. Wie immer lief das Radio. Die halbstündigen Nachrichten wurden auch wie immer damals nur mit einem Ohr wahrgenommen. Ich wusste schon seit einer Stunde, dass ein Flugzeug ins WTC gefolgen war, als meine Chefin aus ihrem Büro kam und mich bat das Radio lauter zu machen. Wir hörten gemeinsam erneut die Nachricht aus NY. Die Bilder der einstürzenden Türme sah ich erst abends. Erst nach und nach ging mir die Dramatik der Situation auf, denn seit der ersten Radiomeldung war meine Vorstellung durch eine bestimmte Assoziation geprägt. Meine Vorstellungen waren irgendwie überlagert von Bildern von Matthias Rust und der winzigen Cesna auf dem Roten Platz. Daher verstand ich erst spät am 11. September das Ausmaß der Katastrophe.“
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„Kam gerade vom Einkaufen und hörte im Autoradio auf NDR-Info die Nachricht von einem Flugzeugunglück in New York. Ich schaltete durch alle Radiosender, und bald alle hatten das Programm unterbrochen, da da anscheinend doch mehr hintersteckte, als ein Flugzeugunglück. Auf “Project 89.0 Digital” lief “Fire Water Burn” von der Bloodhound Gang: “The roof, the roof, the roof is on fire…”
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„Bin, glaube ich, zum Kunden gefahren. Im Auto habe ich gehört, dass in New York zwei Flugzeuge – so wörtlich “ein grosser und ein kleiner” – mit dem Wolkenkratzer kollidierten. Da ich ca. 2 km von unserem Office wohnte und genug Zeit hatte, bin ich nach Hause gekommen und Fernseher eigeschaltet. Dann konnte ich schon nicht mehr weg. Habe Kolelgen im Office und Kunde angerufen. Und ich habe mit ein Paar Freunden über Internet gechattet.“
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„Schule schwänzend mit einem Teller Kellogs zu Hause auf der Couch. Ich zappte durchs Programm, als ich bei EuroNews ein brennendes Gebäude sah. Nach und nach setzte sich ds Puzzle zusammen und ich war mit meinen zarten 14 Jahren in einer Mischung aus Betroffenheit und Sensationsgeilheit. Gleich am nächsten Tag versuchte uns der Vater eines Freundes davon zu überzeugen, dass die Freimaurer dahinter stecken würden. Mit kam das damals so lächerlich und abwegig vor, dass ich mich fragte wie überhaupt irgendein Mensch so einen Mist glauben könnte… Diese Einstellung hat sich bis heute nicht geändert.“
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„Ich ging spazieren und wollte mir in einer Galerie Bilder ansehen. Den Galeristen kannte ich persönlich. Er saß in seinem Laden und sah fern. Ganz aufgeregt holte er mich hinein, als er mich vor dem Schaufenster sah und bat mich, Platz zu nehmen. Erst gingen wir beide von einem furchtbaren Unfall aus. Nachdem ein zweites Flugzeug in den zweiten Turm raste, kam sofort der Verdacht hoch, es wäre ein Anschlag. Wir waren fassungslos. Der Galerist noch mehr als ich, er hatte zu diesem Zeitpunkt Verwandte in New York. Diesen ist nichts passiert, wie ich später erfuhr.“
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„Bei einem Kunden, Software installierend, ohne Zugriff aufs Internet. Von meiner späteren Ehefrau durch halbstündliche Anrufe unterrichtet, die ihrerseits bereits gleich nach der ersten Kollision von einem Kollegen aus den USA angerufen worden war. Danach bei einem unendlich lange währenden Arbeitsessen mit Kunden auf glühenden Kohlen gesessen, schließlich nach Hause geeilt und nicht mehr vom Fernseher gewichen.“
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„Ich war an diesem Tag mit einer bezaubernden jungen Dame unterwegs. Wir küssten viel. Ich wollte mehr. Sie nicht. Dann liess sie mich mit meinen Träumen allein und fuhr weg in ihrem VW Golf. Ich war traurig. Dann rief jemand an und sagte: Schalt den Fernseher ein! Und dann der Schock.“
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„Im Urlaub. In Beligien. Am Meer, Campen. Meine Eltern haben im Radio die Nachrichten gehört und wir sind sofort nach Hause gefahren. SOFORT. 4 Stunden später waren die Grenzen dicht. Zuhause den Fernseher an. Die Bilder der Einstürzenden Gebäude und der Verletzten haben dazu geführt, dass ich die nächsten 4 Jahre nur unter Aufsicht Fernsehen durfte. Ich war damals 5 Jahre alt.“
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Ich fuhr gerade von meiner Arbeit heim und hörte von den brennenden und einstürzenden Twin Towers auf WDR-EINSLIVE zwischen Christina Aguilera und Britney Spears. Da ich zwei Jahre zuvor ebenfalls im Sommer noch auf der Aussichtsplatform des World Trade Centers gestanden hatte, konnte ich mir bereits in der Vorstellung ausmalen, was das bedeutet. Was mich am meisten verstörte, war die auch angesichts größter Katastrophe um Coolness und Lässigkeit bemühte Stimme des Radiomoderators.
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Ich war auf dem Haus meiner Studentenverbindung und einer von den Jungs kam rein und sagte, dass ein Flugzeug in einen der Türme des WTC geflogen sei, und ich dachte spontan zunächst an ein Sportflugzeug.
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An 9/11 lebte ich in Miami und machte frueh morgens das TV an … und dachte, es ist ein Schwarzenegger Film … die Stadt wurde still.
9. November 1989
„In Stuttgart und dachte daran, was dann noch geschehen wird, wenn die Freudentränen getrocknet werden und was bedeutet dies für uns Juden.“
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„Daheim, und kam aus dem Staunen nicht raus, war der Überzeugung – nicht in meinem Leben! Jedoch wartete ich auf die Panzer, zum Gück rollten sie nicht!“
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„Ich weiß es noch genau: Mein Schwager fuhr mich und meine hochschwangere Frau in seinem beigen alten Fiat über die B51 von Wermelskirchen nach Köln, im Kofferraum ein gebrauchter Kinderwagen, den wir seiner Schwester abgekauft hatten. Im Radio kam die Meldung, dass die Mauer gefallen war und wir fuhren der untergehenden Sonne entgegen. Unvorstellbar, dass die Mauer fallen konnte! Neun Tage später kam unsere älteste Tochter zur Welt.“
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„Zuhause vor dem Fernseher, ungläubig und staunend. Ich sah die Bilder der Menschen und hörte die Kommentatoren. Ich habe mich einfach nur gefreut.“
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„Es war kurz vor 21.00, ich war gerade auf dem Weg nach Hause, als das Autoradio plötzlich seine synthetische Musik mit einer Sondermeldung unterbrach: „…verkündete Schabowski auf einer Pressekonferenz, DDR-Bürgern die Reisefreiheit zu gewährleisten. Dies gälte ab sofort“
Die Mauer war gefallen.
Ich hielt an der nächsten Tankstelle und rief Freunde an. Einer hatte es schon gehört und zog sich gerade an, die anderen konnten es nicht glauben bis das Heute-Journal die ersten Bilder und Liveinterviews ausstrahlte. Wir verabredeten uns am Brandenburger Tor.
Ich kaufte schnell eine Flasche Sekt in der Tankstelle, die ohnehin aussah wie ein Supermarkt, und setzte mich Richtung Straße des 17. Juni in Bewegung, nur um dort inmitten all der anderen Schaulustigen zum Stillstand zu kommen. Erst drei Tage später sollte es mir gelingen, mein Auto aus dem größten Stau der Geschichte Berlins zu befreien.
Es war ein typischer grauer Herbstabend an diesem ereignisreichsten aller Donnerstage, ich folgte dem Strom von Menschen, die instinktiv jenem Stück der Berliner Mauer zustrebten, das unmittelbar vor Schinkels Monument den Weg zum Ostteil unserer Stadt blockierte.
Als ich gegen 21.45 dort ankam, hatten sich schon rund 30.000 Menschen angefunden, im Verlaufe der Nacht sollten es Hunderttausende werden. Rührende Szenen spielten sich ab, einige Weitdenkende hatten Leitern mitgebracht, doch die übliche Methode das 3.40m hohe und an dieser Stelle mehrere Meter breite Bollwerk zu überwinden, war die Räuberleiter.
Ein hilfreicher Mitmensch, und ausnahmsweise schien es in dieser abgebrühten Großstadt an diesem Tag davon zu wimmeln, lehnte sich rückwärts gegen den antifaschistischen Schutzwall, faltete die Hände, so dass ein anderer Mitmensch einen Fuß dort und den anderen auf die Schultern des Helfers setzen konnte.
Oben auf der Mauer standen West- und Ostberliner und zogen die Wessis in den Osten, sowie die Ossis in den Westen. Fasziniert beobachtete ich einen Mann, Ende Dreißig, der in einen beigefarbenen Kaschmirmantel gekleidet einem nach dem anderen die Räuberleiter gab. Tränen der Freude liefen über sein Gesicht während matschigdreckige Straßenschuhe seinen über 2000 Mark teuren Mantel ruinierten (1989er Preis!).
Was für ein Tag!
Oben auf der Mauer angekommen sah ich West- und Ostdeutsche, die sich nie begegnet waren, in den Armen liegen. An diesem 9. November konnte man noch deutlich an der Kleidung erkennen, von welcher Seite ein jeder kam. Die Ossis strebten zur Siegessäule Gepäck und/oder Rotkäppchensekt in der Hand. Auf der anderen Seite, Unter den Linden, fand man fast ausschließlich Leute in Westklamotten. Hinter einem hüfthohen Metallzaun (hinter von der Ostseite aus gesehen) liefen ostdeutsche Grenzsoldaten wie in Trance umher. Gestern hätten sie noch geschossen, doch heute waren sie funktionslos, Leute steckten Blumen in ihre Gewehrläufe, der eine oder andere zynische Wessi pappte schon mal eine Banane drauf. Stoisch ließen sie es geschehen, und ich sah mehr als einen, der, Gewehr mit Banane verziert, versuchte, Blickkontakt zu vermeiden.
Am Metallzaun beobachtete ich herzzerreißende Szenen. Egon Krenz hatte verlauten lassen, ein jeder DDR-Bürger könne ein Visum beantragen, jedoch war an jenem Donnerstagabend noch nicht klar, ob auch ein jeder eins bekäme.
Tausende verließen die DDR in dieser Nacht, nur um auf Nummer Sicher zu gehen. Hastig wurden einige tragbare Wertsachen und der rote Passport in irgendeine Tasche geworfen und dann nichts wie ab über die Mauer!
Diese Menschen, die mir da unentwegt entgegen strömten sahen nicht aus wie Touristen – es waren Flüchtlinge! Ich ging zurück, setzte mich direkt unter das Brandenburger Tor und begann, an dieser historischen Stelle zu dieser historischen Stunde einen Joint zu bauen. Ein junges Pärchen mit einwandfreiem sächsischen Akzent setzte sich zu mir und entkorkte ein Rotkäppchen. Auf einmal fiel mir ein, dass ich meine Flasche im Westen gelassen hatte, ich hatte sie abgestellt, bevor ich dem Kaschmirmantel den Rest gab, und hoffte nun inständig, dass der wundervolle Kaschmirmann sie gerade trank. Ich zündete den Joint an.
,,Ist das Marihuana?“, fragte mich das Mädchen, neugierig schnüffelnd. ,,Willkommen im dekadenten Westen!“ antwortete ich. ,,Magst Du die erste Frau sein, die einen Joint unterm Brandenburger Tor raucht?“ „Na Logo!“ Ich reichte ihr die Tüte, nahm jedoch vorher einen Zug, um meinen Platz in der Geschichte Berlins zu sichern. ,,Es sind noch 50 Meter“, mahnte ihr Begleiter vorsichtig. „Keine Sorge“, versuchte ich ihn zu beruhigen, „heute ist Tag der offenen Tür.“
Gegen Mitternacht bildete sich eine Menschenkette, man fasste sich an der Hand und begann „Einigkeit und Recht und Freiheit“ zu singen. Der deutschen Geschichte gegenüber kritisch eingestellt, hatte ich unserer Nationalhymne nie viel abgewinnen können. An diesem Donnerstag aber war ich gerührt, ich weinte wie nie zuvor in meinem Leben.
Für fast zwei Monate war Berlin das Zentrum der Glücksseligkeit auf Erden. Reiche Berliner verteilten Geldscheine an ihre ‚Brüder‘ aus dem Osten als diese in Scharen nach Westberlin strömten. Die Grenzübergänge, zuvor Orte maschinenpistolenbewehrter Unmenschlichkeit, wurden Schauplätze rührender Hilfsbereitschaft. Westberliner standen an, wildfremde Ostberliner zum Essen oder ins Kino einzuladen. Wer einen Ostpass vorzeigte, konnte am Kurfürstendamm ein Bier für eine Ostmark (entspräche heute 5 Eurocent) erwerben – ein Verlustgeschäft, das keiner so empfand. Sah man einen Trabi, winkte man den Insassen freundlich zu oder zeigte gespreizten Zeige- und Mittelfinger, das Siegeszeichen.
Alle Widersprüche und Gegensätze schienen vergessen.
Zwei bis dato beinahe verfeindete Gruppen von Menschen, Wessis und Ossis, identifizierten sich auf einmal als eine Gruppe: Deutsche. Als geborener Berliner muss ich dennoch klarstellen, dass uns die Ostdeutschen uns, was den „Wessi“ angeht, enteignet haben. Vor dem Mauerfall war „Wessi“ ein Berliner Schimpfwort für westdeutsche Touris, die in den 80ern noch mit Schlaghosen am Ku-Damm rumrannten und die „Ossis“ hießen damals noch „Zonis“, aber seitdem hat man sich auf „Wessis“ und „Ossis“ geeinigt, was nur uns Ur-Berliner schmerzt, denn kein echter Berliner ist ein „Wessi“ und so beleidigt diese Bezeichnung die älteren von uns noch heute, aber der Autor schweift mal wieder ab…
Eine Woche später spielte Hertha BSC und alle Ossis wurden umsonst eingelassen.
Als der Stadionsprecher sie mit den Worten willkommen hieß „Wir begrüßen Brüder und Schwestern aus dem Ostteil der Stadt“, sprangen wir – über 80.000 – alle auf und umarmten unseren Nebenmann. Es gab – und ich spreche vom Hertha-Fanblock, der hartgesotten Ostkurve – nicht einen einzigen Menschen, der in dieser Minute nicht Rotz und Wasser heulte, und ich habe selbst heute noch, da ich dies niederschreibe, Pipi in den Augen.“
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20. Juni 1969
„Als der erste Mensch auf dem Mond spazierenging, saß ich gebannt vor dem Fernseher! Es dauerte wohl 30 Jahre, bis ich davon hörte, dass Menschen die Mondlandung anzweifelten und behaupteten, ich habe eine Fälschung gesehen.“
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„Die erste Mondlandung war der Fernsehhöhepunkt des Jahres! Dieses Ereignis erlebte ich als 21jähriger mit meiner Freundin zu Hause auf dem Sofa. Gebannt saßen wir an diesem Montagmorgen vor der Glotze, und konnten es nicht fassen, als der erste Mensch um 3:57 h den Mond betrat.“
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„War noch klein und lebte in einem sozialistischem Land – keine Live-Übertragung! Eine gut funktionierende Zensur – dieser Tag hat nicht stattgefunden.“
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„In meinem Bettchen seelig schlafenden und nichts ahnend, denn ich war gerade mal 18 Monate alt und da waren andere Themen viel wichtiger .“
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„Ich war 19 Jahre alt und es waren Sommerferien. Diese verbrachte ich als Betreuerin in einer Ferienfreizeit in der Jugendherberge in Menden im Sauerland. Da es in der Jugendherberge keinen Fernseher gab, organisierten wir (die Betreuer) einen Fernseher, damit wir uns das Ereignis live anschauen konnten. Gebannt saßen wir zusammen mit den von uns betreuten Kindern vor dem Apparat. Ich hatte damals das Gefühl, etwas ganz außergewöhnliches mit erleben zu dürfen.“
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„Ich kann mich an eine fast meditative Fernsehnacht erinnern: Kein Klamauk, keine Einspieler, sobald’s mal ruhiger wird, keine künstliche Dramatisierung. Und das Gefühl, bei etwas ganz großem dabei zu sein.“
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„Ich war fast zehn. In dieser Nacht holte mein Vater mich aus dem Bett, dass ich die Männer auf dem Mond sehen konnte, deren Flug ich täglich verfolgte, mitfieberte. Die ganze Fernsehberichterstattung war fantastisch und zog mich in ihren Bann. Günter Siefarth ist mir bis heute in Erinnerung. Manchmal bin ich dankbar, doch etwas älter zu sein und große Momente miterlebt zu haben.“