Keine Überraschung

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Kinder sind kleine Überraschungseier. Sie kommen mit einer kleinen Seele auf die Welt und zunächst weiß niemand, was sich darin befindet. Egal ob die Kinder schwarz oder weiß, Jungs oder Mädchen, blond oder rot sind, was sich in ihrer Seele befindet, erfährt man nur, wenn man sich die Mühe macht, in das Innere der Kinder zu schauen. Man kann ein Kind ebenso wenig an der äußeren Hülle beurteilen wie ein Überraschungsei.

So galt es seit Jahren, aber diese Zeiten sind nun leider vorbei. Seit Anfang August 2012 werden Kinder nicht mehr überrascht, sondern auf Linie gebracht. Seit August 2012 gibt es spezielle Mädchen-Ü-Eier, zugeschnitten auf Mädchen, und besser auf das, was die Macher dieser Mädchen-Ü-Eier für Mädchen halten. Im Pressetext heißt es: „Während Mädchen integrativer und kooperativer veranlagt sind, sind Jungs deutlich wettbewerbs- und statusorientierter.“ Und weil das nun mal angeblich eben so ist, bricht Ferrero jetzt alle Mädchen auf, stiehlt ihnen ihre individuellen gelben Seelen und ersetzt sie durch vorprogrammierte Seelen basierend auf magersüchtige Feen. So sehr ich Feen mag, wenn es ihnen gestattet ist, soviel zu essen, wie sie brauchen, so sehr verwehre ich mich gegen die Ansicht, Überraschung höre da auf, wo das Geschlecht beginnt.

Kinder haben einen Recht auf Überraschung jenseits ihres Geschlechts. Sie haben ein Recht darauf, nicht danach beurteilt zu werden, wie sie aussehen oder was die Mehrheit ihrer Geschlechtsgenossinnen vermeintlich macht. Selbst wenn nur jedes siebte Mädchen eher „wettbewerbs- und statusorientiert“ ist, so hat sie das selbstverständliche Recht, nicht auf das vermeintliche Verhalten der Mehrheit der Mädchen zwangsreduziert zu werden. Jedes siebte Mädchen, das statusorientiert ist, ist genauso ein Mädchen wie jedes siebte Ei immer noch ein Überraschungsei ist. Wer kein Problem mit Mädchen-Ü-Eiern hat, kann auch gleich gesonderte Ü-Eier für Schwarze und Weiße fordern.

Ob ein Kind Feen mag, soll und muss einfach der Überraschung überlassen sein. Statt Kinder also zwanghaft in unsere Vorstellungen von Mädchen und Jungs zu stecken, sollten wir uns lieber freuen, dabei zu sein, wenn Kinder ohne sinnlose Einschränkungen und Vorgaben der Erwachsenen, ihre Seelen entdecken können.

Ich fordere eine Rückkehr der Überraschung ins Ei!

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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