Frauen unerwünscht!

Erinnert sich noch jemand an die Debatte um sogenannte No-Go-Areas in Deutschland, die vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 geführt wurde? Die afrikanische Gemeinde in Berlin wollte damals ausländische Besucher besser vor rassistischen Übergriffen schützen und plante daher, eine Karte mit No-go-Areas in Deutschland vorzulegen. Der damalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sagte sogar:

„Es gibt kleine und mittlere Städte in Brandenburg und anderswo, wo ich keinem, der eine andere Hautfarbe hat, raten würde, hinzugehen. Er würde sie möglicherweise lebend nicht mehr verlassen.“

In der Debatte wurde jedoch leider völlig ignoriert, dass es für eine gewisse Menschengruppe in Deutschland überall No-Go-Areas gibt: Frauen! In jeder Stadt gibt es Parks, Straßen, Viertel, wo eine Frau, die dort alleine spazieren geht, Ängste verspürt, die ich als Mann nicht kenne. Übergriffe gegen Frauen passieren täglich und reichen von Beleidigungen über Missbrauch bis Vergewaltigung und Mord. Was manchen Menschen in Deutschland an Hass entgegengebracht wird wegen ihrer Hautfarbe kennt jede Frau. Bei ihr ist es nur das Geschlecht.

Eine besonders katastrophale Beschreibung einer No-Go-Area für Frauen wurde mir gestern von Rebecca aus Berlin zugeschickt. Im Rahmen eines antisemitischen Übergriffs gegen einen Rabbiner in Offenbach, über den Tapfer im Nirgendwo berichtet hatte, schrieb sie von ihren Erfahrungen in Offenbach. Tapfer im Nirgendwo gibt ihren Bericht wieder:

„Ich war vor einigen Jahren zweimal in Offenbach, um eine neue Mitarbeiterin meines damaligen Arbeitgebers einzuarbeiten. Abends bot sie mir an, mich zum nur achthundert Meter entfernten Hotel mit dem Auto zu fahren, was ich verwundert ablehnte. Sie bestand darauf, ohne mir jedoch einen triftigen Grund zu nennen, und ich akzeptierte aus Höflichkeit. Im Hotel gab es dann dieselbe absurde Situation: Die Rezeptionistin wurde fast panisch, als ich nach dem nächsten Restaurant fragte und dann zu Fuß (es war dirket an der nächsten Straßenecke!) dorthin laufen wollte. Einen Grund nannte auch sie mir nicht. Diesmal ging ich einfach los, ich konnte das Restaurantschild vom Hoteleingang aus sehen. Neugierig geworden, ging ich eine Runde um den Block, und verstand schlagartig die Panik.

Die Innenstadt Offenbachs verwandelt sich nach Geschäftsschluss um 20 Uhr in eine frauenfreie Zone. Es gibt nur Männer, die ca. 12 – 30 Jahre alt sind, und sie haben Umgangsformen, die deutlich machen, dass andere menschliche Wesen absolut unerwünscht sind. Eine Frau im Businesslook war für sie ein so großer Schock (ist die Hure blöd, oder was?!?), dass sie erst nach einigen Sekunden zum Anrempeln und Spucken übergegangen sind. Es war der kürzeste Spaziergang meines Lebens.

Von einer Bedrohung des „Zusammenlebens“ in Offenbach kann niemand ernsthaft reden, der schon mal da war. Das Leben in Offenbach ist schon einige Jahre monokulturell und die Offenbacher wissen das, auch wenn sie sich nicht trauen, es auszusprechen. Beim zweiten Besuch machte ich es wie sie: Ich bewegte mich nur noch in geschlossenen Räumen und dazwischen mit dem Auto.“

Vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sagte der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble:

„No-go-Areas darf es nicht geben, es gibt keine Zonen in der Bundesrepublik Deutschland in denen das Gewaltmonopol des Staates nicht gilt.“

Es darf sie nicht geben, aber es gibt sie! In Deutschland gilt Sexismus für viele Menschen leider immer noch als zu tolerierende kulturelle Eigenart, wie Antisemitismus, der bei gewissen Kulturen auch mehr toleriert wird als bei anderen. In Offenbach sind in einigen Gebieten Juden und Frauen unerwünscht. Deutschland toleriert das!

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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