Carrie aus dem Iran

Kennen Sie den Film „Carrie“ von Brian De Palma? Der Film ist eine Adaption eines Romans von Stephen King und handelt von dem Mädchen Carrie White, dessen Mutter Margaret seit dem Tod ihres Mannes einem religiösen Wahn verfallen ist. Eine sexuelle Aufklärung hat Carrie daher nie erhalten. Als bei Carrie die erste Menstruation nach dem Sportunterricht unter der Dusche einsetzt, hält sie die Blutung für einen Ausdruck von Sünde und gerät darüber in Panik. Der Film macht auf beklemmende Weise deutlich, wohin religiöser Fanatismus führen kann, nämlich in einen Massenmord, den Carrie am Ende des Films vollführt.

In einem Faltblatt des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2011 heißt es:

„Sexualerziehung ist eine gemeinsame Aufgabe von Eltern und Schule. Nach § 1 Abs. 3 SchulG befähigt die schulische Sexualerziehung als Teil der Gesamterziehung zu verantwortungsbewusstem geschlechtlichem Verhalten und wird fächerübergreifend durchgeführt. Ein Anspruch auf Befreiung vom Sexualkundeunterricht besteht nicht, auch wenn dafür religiöse Gründe angeführt werden. Dies ist ständige Rechtsprechung. Der Sexualkundeunterricht ist so ausgestaltet, dass den Grundsätzen der Zurückhaltung und Toleranz Rechnung getragen wird. Die Schule soll die unterschiedlichen Wertevorstellungen respektieren und darauf Rücksicht nehmen. (Vgl. Richtlinien zur Sexualerziehung vom 22.06.2009, Amtsbl. S. 193).

Eltern werden rechtzeitig vor Beginn der Sexualerziehung über die Ziele, den Inhalt und die Form der Sexualerziehung informiert. Im Rahmen von Elternabenden, aber auch in Einzelgesprächen können die Bedenken der Eltern gemeinsam diskutiert und Lösungen, die für alle Beteiligten akzeptabel sind, gefunden werden. Es ist für Eltern oftmals beruhigend zu wissen, dass in diesem Unterricht auf einen sensiblen Umgang mit der Sprache geachtet wird und die Medien behutsam und sorgfältig ausgewählt werden.“

Das Faltblatt trägt den Namen „Muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule“ und behandelt das Problem, das besorgte Eltern haben, wenn sie daran denken, was geschehen kann, wenn ihre Töchter auf Klassenfahrt gehen. Das Faltblatt schlägt daher vor:

„In jedem Fall sollten bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten die Eltern einbezogen werden. Gute Erfahrungen wurden gemacht, wenn ehemalige Schülerinnen, Lehramtsanwärterinnen, muslimische Mütter oder ältere Geschwister als Begleitpersonen mitfahren, da sie mit der Sprache und der Kultur vertraut sind und dies für die Eltern vertrauensbildend wirkt und somit bzgl. ihrer Bedenken eine Beruhigung sein kann.“

Gute Idee! In einer Kultur, in der es in fundamentalistischen Kreisen schon mal dazu kommen kann, dass ein älterer Bruder die vermeintlich verlorene Ehre der Schwester und Familie damit wieder herstellt, dass er die Schwester ermordet, ist es ein guter Gedanke, ein älteres Geschwisterteil zur Klassenfahrt mitzunehmen, um einen Kontakt der Schwester mit dem vermeintlich Sündhaften zu verhindern. Es wäre geradezu eine Katastrophe, wenn ein muslimisches Mädchen bei einer Klassenfahrt in Abwesenheit ihrer Eltern und Geschwister entdecken würde, dass Frauen gleichberechtigt sind und Frauen einen Körper haben, der ihnen Lust und Freiheit versprechen kann. Das darf nicht sein und muss verhindert werden.

Wenn eine Arbeitsgruppe Religion mit dem Ministerium für Frauen eine gemeinsame Lösung sucht, dann kommt dabei der Vorschlag raus, dass religiöse Fanatiker wie die Mutter von Carrie darüber mitentscheiden dürfen, wie der Lehrplan ihrer Töchter gestaltet wird. Ist dieser Schritt erst einmal vollzogen, ist der nächste Schritt zur Kapitalution nicht mehr weit.

Im traurigen Monat November 2013 wurden unter dem Kurator Manfred Reichel in einem Flur der Volkshochschule Marzahn-Hellersdorf sechs Aktbilder aus Rücksicht vor den religiösen Gefühlen von Muslimen abgehängt. Die zuständige Kulturstadträtin des Bezirks Marzahn-Hellersdorf, Juliane Witt (LINKE), erklärte zu der Entscheidung, die Aktbilder zu entfernen, Marzahn-Hellersdorf stehe für beides, „Freiheit der Kunst und interkulturelle Öffnung“. Juliane Witt erklärte somit das Menschenrecht der Kunstfreiheit zu einer Verhandlungsmasse auf dem Jahrmarkt der Kulturen.

Auch bei den Vereinten Nationen ist das Menschenrecht auf Kunstfreiheit nur eine Verhandlungsmasse. Als die Vereinten Nationen in Genf im Jahr 2013 über das iranische Atomprogramm verhandelten, verhüllten die Gastgeber der Vereinten Nationen das Marmorrelief „Die Erschaffung des Menschen“ aus Rücksicht auf die iranische Delegation. Der Anblick nackter Menschen wäre für die iranische Delegation nicht zumuttbar gewesen, daher entschied man sich für einen „neutralen“ Hintergrund und verhüllte das Kunstwerk.

Im Jahr 2016 besuchte der Präsident des Irans, Hassan Rohani, den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi auf dem Kapitolshügel in Rom, um milliardenschwere Verträge abzuschließen, hauptsächlich in den Sektoren Energie, Luft- und Bahnverkehr, Gesundheit und Landwirtschaft. Aus „Respekt für die iranische Kultur und den Glauben Rohanis“ ließen die Behörden mehrere nackte Statuen in den Museen auf dem Kapitol verhüllen und nagelten die Skulpturen in schrankähnliche Konstruktionen ein. Das ist mal ein Kriechen vor religiösen Fanatikern. Wenn iranische Fundamentalisten nach Europa kommen, verhüllt Europa seine Kunstwerke und wenn europäische Politikerinnen in den Iran reisen, dann verhüllen sich die europäischen Politikerinnen. Es kann eben nur eine Kultur auf beiden Seiten respektiert werden.

Was geschieht eigentlich, wenn Hassan Rohani Frankreich besucht? Bekommt die Mona Lisa dann ein Kopftuch gemalt?

Im Januar 2015 besuchten die Grünen-Politikerin Claudia Roth und ihre Kollegin von der CSU, Dagmar Wöhrl, den Iran und trugen dabei selbstverständlich Kopftuch. Die iranischen Medien waren ganz aus dem Häuschen über diesen Besuch. Die Nachrichtenagantur Fars berichtet wie folgt von dem Treffen:

TEHERAN (FNA) – der iranische Parlamentspräsident, Ali Laridschani, warnte bei einem Treffen mit der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Claudia Roth, in Teheran am Sonntag vor der Schändung religiöser Heiligtümer unter dem Vorwand der Freiheit der Rede und sagte, dass solche Bewegungen den Hass zwischen den Nationen intensivieren (…) Beleidigung der göttlichen Religionen und Propheten unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit provozieren Gefühle von Hass in der Welt“, sagte Laridschani während der Sitzung.

Wer die Freiheit der Kunst nicht ehrt, hält auch von der Freiheit der Rede nicht viel!

„Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, für ihren Teil, unterstrich die Notwendigkeit der aktiven Verbesserung der bilateralen Beziehungen zwischen den Parlamente beider Länder und sagte: „Es gibt viele Kapazitäten, die vom Iran und Deutschland genutzt werden können, zur Schaffung von Stabilität und Ruhe, sowie zur Beseitigung Gewalttaten. Das französische Satiremagazin veröffentlichte ein Sakrileg in Form einer Karikatur des Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm), nur eine Woche nachdem Bewaffnete acht Journalisten und vier andere Menschen in dem Büros in Paris getötet hatten. Die Entscheidung des Satiremagazins hat die Gefühle der über eine Milliarde Muslime in der ganzen Welt verletzt und verursachte wütende Proteste in vielen Staaten der Welt. Das iranische Außenministerium bedauert die Veröffentlichung der blasphemische Karikatur, die sie als „Provokation“ und „beleidigend“ einstufen. „Wir verurteilen die provokative Entscheidung und unserer Ansicht nach ist die Aktion der Wochenzeitung beleidigend. Wir verurteilen sie vollständig, da es provozierend ist und die Gefühle der Muslime der ganzen Welt verletzt. Es wird eine Folge von Extremismus in der Welt schaffen“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums Marziyeh Afkham in Teheran.“

In Teheran wurde erklärt, nicht der Mord an Karikaturisten verletzte das Moralgefühl von über einer Milliarde Muslime, sondern die Karikaturen der ermordeten Künstler. Claudia Roth und Dagmar Wöhrl saßen dort, verhüllten Hauptes und hörten zu.

Seit Jahren erleben wir in der westlichen Welt eine Aufgabe der aufgeklärten Werte. Die Beschwichtiger nennen es Respekt. Ich nenne es Kriecherei vor den Müttern Carries. Wenn nicht bald ein Umdenken stattfindet, werden die Carries der muslischen Welt zum finalen Showdown ausholen.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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