Wenn der Mensch krank wird, verlässt er sich nicht auf die Natur, er ruft nach der Vernunft der Medizin. Wenn ihm Unrecht widerfährt, sehnt er sich nicht nach der Herrschaft der Natur, sondern er verlangt nach der Vernunft des Gesetzes. Wenn der Mensch jedoch einen anderen Menschen unterdrücken will, dann nimmt er die Natur zur Hand.
Es ist die Natur, die zur Begründung einer Unterdrückung herangezogen wird, ob es nun die „Natur des Schwarzen“, die „Natur des Weibes“ oder die „Natur des Juden“ ist. Immer geht es darum, einer Gruppe von Menschen mit Verweis auf ihre vermeintliche Natur, Rechte vorzuenthalten.
Die meisten Menschen würden heute gar nicht mehr leben, ginge es nach der Natur.
Hatten Sie schon mal eine Operation? Tragen Sie ein Brille? Haben Sie eine schwere Grippe überstanden? Nutzen Sie moderne Technik? Sind Sie geimpft? Dann sind Sie wider der Natur hier. Die Natur hätte Sie längst entsorgt.
Viele Menschen glauben, Natur sei das Naherholungsgebiet am Stadtrand. Die Wälder in Deutschland sind aber keine Natur. Sie sind Kultur. Sie werden vom Forst- und Grünflächenamt verwaltet. Natur ist nicht gepflegter Wald und gemähte Wiese. Natur ist, wo der Mensch Beute ist!
Die Natur hat keine Absicht!
Es gibt Menschen, die schreiben mit einer solchen Gewissheit über die angeblichen Absichten der Natur, dass man meinen kann, sie wären jeden Sonntag persönlich mit Mutter Natur zum Tee verabredet. Wenn der Natur eine Absicht oder gar gar eine Moral unterstellt wird, haben wir es mit einer Religion zu tun und Religion ist Kultur.
Gut und böse sind Kategorien der Vernunft. Die Vernunft versucht, Natur wissenschaftlich zu verstehend. Alles aber, was Vernunft hat, weiß oder ahnt, dass Moral in der Natur nicht zu finden ist.
Die Moral war lange Zeit ein Diktat der Götter. Es waren eben jene Götter, von denen geglaubt wurde, dass sie die Natur mit einer Absicht erschaffen hätten. Für gläubige Menschen war die Natur das Werk eines intelligent Schöpfers. Natur wurde als eine Schöpfung verstanden.
In der heutigen Zeit, da der Glaube an Gott vielerorts verschwunden ist, flüchten nicht wenige, die religiös heimatlos geworden sind, direkt in den Schoß der Natur und ernennen die Natur selbst zu ihrem Gott.
So wie sich Menschen einst Gott nach ihrem Bilde schufen, legen sie nun der Natur ihre Ansichten in den Mund. Für sie regelt die Natur, was gut und böse ist.
Ob man nun gottesfürchtig oder naturfürchtig ist, das Sagen haben jene, die glaubhaft machen können, erleuchtet zu sein, die vorgeben, den direkten Draht nach oben zu haben. Sie wissen angeblich genau, was Gott oder die Natur will. Sie behaupten, die Wahrheit vernommen zu haben und erklären, den rechten Weg zu kennen. Sie sind die Propheten, die Guten! Und sie benehmen sich so.
Um gute Dinge zu vollführen, braucht es keinen Gott. Gott stört bei guten Taten nicht, hilft höchstens dabei. Böse Taten jedoch brauchen einen Gott, nämlich den festen Glauben daran, die abscheulichen Taten im Namen eines höheren Sinns und Zwecks zu begehen. Gotteskrieger kämpfen für den lieben Gott und Naturgläubige für die liebe Natur.
Die Natur ist aber nicht lieb. Sie ist auch nicht böse. Die Natur ist indifferent und kennt keine Moral. Sie ist.
Gut und böse sind Kategorien der Vernunft. Der Mensch muss sie selbst definieren, verteidigen und leben.
Hätte der Mensch alles Neue verdammt, weil es fünftausend Jahre vorher anders gemacht wurde, säße er heute noch als ständige Beute in einer Höhle und würde höchstwahrscheinlich vor dem 30. Lebensjahr verrecken.
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