„Es tut mir leid, aber die Frau, die dieses Ticket für uns beiden gekauft hat, ist nicht da. Ich habe heute morgen kurz vor Reisebeginn einen traurigen Anruf von ihr bekommen, dass ihr Mann im Krankenhaus liegt und um Leben und Tod kämpft. Deshalb sitze ich nun alleine hier auf diesen zwei Plätzen.“
Mit dieser Erklärung reichte ich vor gut einer Stunde einen Fahrschein für zwei Personen erster Klasse mit ausgewiesener Platzreservierung nach Hamburg-Harburg an einen Schaffner der Deutschen Bahn im ICE 555 von Köln nach Hannover. Ich konnte nicht glauben, was ich zur Antwort bekam.
„Dann haben Sie keinen gültigen Fahrschein. Diese beiden Fahrscheine sind nicht von Ihnen gekauft worden.“
Als ich noch mal erklärte, dass der Mann der Frau, die dieses Ticket für uns beide gekauft hat, vielleicht im Sterben liegt und sie daher verständlicherweise bei ihrem Mann geblieben sei, brachte der Schaffner zwar ein leeres „Mein Beileid“ über die Lippen, jedoch auch ein emphatieloses: „Ich kann Sie so nicht weiterfahren lassen, sonst krieg ich einen auf den Deckel.“
Mir kamen die Tränen. Ich versuchte, nochmal zu erklären, dass das Ticket für mich und meine Kollegin sei und die reservierten Plätze doch deutlich auf dem Ticket ausgewiesen seien, meine Kollegin jedoch aus verständlichen Gründen nicht bei mir im Zug, sondern bei ihrem Mann im Krankenhaus sei; es half nichts.
„Entweder kaufen Sie jetzt ein gültiges Ticket oder Sie gelten als Schwarzfahrer.“
Ich löste also ein weiteres Zweite-Klasse-Ticket in Höhe von 100,- Euro.
Jetzt ist es 11 Uhr und ich sitze mit einem Fahrschein erster Klasse für mich, einem weiteren Fahrschein erster Klasse für meine Kollegin und einem dritten Fahrschein zweiter Klasse alleine mit einem Schaffner im Bordrestaurant der Deutschen Bahn und ringe um Fassung, während meine Kollegin bangt.
Die beiden reservierten Plätze im Abteil sind verwaist. Ob der Schaffner sich wohl fragt, wo die Menschen sind, die für diese Plätze bezahlt haben? Nun, einer sitzt im Bordrestaurant und die andere ist im Krankenhaus.
Heute hätten wir zwei zusammen mit einer weiteren Kollegin, die aus Berlin anreist, als Hedwig-Dohm-Trio in Wenzendorf auftreten sollen. Jetzt treten wir dort als Duo auf und sind in Gedanken bei unserer Freundin.
Ich bin entsetzt über das Verhalten des Mitarbeiters der Deutschen Bahn, der mit Sicherheit die Möglichkeit gehabt hätte, die Situation anders zu regeln. So aber gilt:
„DB – Das M steht für Menschlichkeit!“
PS: Es wäre übrigens beinahe ein ICE nach Hedwig Dohm benannt worden.
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Dieser Artikel ist Hermann gewidmet. Er ist der Mann meiner Kollegin und kämpft gerade um sein Leben. Ich bewundere ihn besonders für seine rebellische Ader. Hätte er die Möglichkeit, dies zu lesen, er würde sich mit mir aufregen und einige seiner legendären Sprüche klopfen. Kämpfe!
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Die Bahn hat mir am 13. Mai 2019 sämtlich angefallene Zusatzkosten erstattet. Vielen Dank!