Hoffnung für Anne Frank

Am 19. April 1944 schrieb Anne Frank in ihr Tagebuch:

„Was gibt es schöneres auf der Welt, als aus einem offenen Fenster hinaus in die Natur zu schauen, die Vögel pfeifen zu hören, die Sonne auf den Wangen zu fühlen und einen lieben Jungen in den Arm zu haben?“

Am 19. April 2016, 72 Jahre später, war der Musiker David Serebrianik zu Gast in Amsterdam und traf dort den Carellonisten der Westerkerk Boudewijn Zwart.

Die Westerkerk ist eine der bekanntesten Kirchen Amsterdams. Ganz in der Nähe befindet sich das Haus, in dem sich Anne Frank mit ihrer Familie vor den Nazis verstecken musste. Der Turm der Westerkerk ist fünfundachtzig Meter hoch und damit der höchste Kirchturm Amsterdams. Am Samstag, 11. Juli 1942, erwähnte Anne die Westerkerk in ihrem Tagebuch:

„Liebe Kitty!

Vater, Mutter und Margot können sich noch immer nicht an das Geräusch der Westerturmglocke gewöhnen, die jede Viertelstunde angibt, wie spät es ist. Ich schon, mir hat es sofort gefallen, und besonders nachts ist es so etwas Vertrautes. Es wird Dich vermutlich interessieren, wie es mir als Untergetauchte gefällt. Nun, ich kann Dir nur sagen, dass ich es selbst noch nicht genau weiß. Ich glaube, ich werde mich in diesem Haus nie daheim fühlen, aber damit will ich überhaupt nicht sagen, dass ich es hier unangenehm finde. Ich fühle mich eher wie in einer sehr eigenartigen Pension, in der ich Ferien mache. Ziemlich verrückte Auffassung von Untertauchen, aber es ist nun mal nicht anders. Das Hinterhaus ist ein ideales Versteck. Obwohl es feucht und ein bisschen schief ist, wird man wohl in ganz Amsterdam, ja vielleicht in ganz Holland, kein so bequem eingerichtetes Versteck finden. Unser Zimmer war mit seinen nackten Wänden bis jetzt noch sehr kahl. Dank Vater, der meine ganze Postkarten- und Filmstarsammlung schon vorher mitgenommen hatte, habe ich mit Leimtopf und Pinsel die ganze Wand gestrichen und aus dem Zimmer ein einziges Bild gemacht. Es sieht viel fröhlicher aus.“

Am 19. April 2016 spielten David Serebrianik und Boudewijn Zwartdie auf den Glocken der Westerkerk die „Hatikva“ (Hoffnung).

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Der Text des Liedes sagt:

„Solange noch im Herzen
eine jüdische Seele wohnt
und nach Osten hin, vorwärts,
ein Auge nach Zion blickt,

so lange ist unsere Hoffnung nicht verloren,
die Hoffnung, zweitausend Jahre alt,
zu sein ein freies Volk, in unserem Land,
im Lande Zion und in Jerusalem!“

Anne Frank hätte diese Melodie in ihrem Versteck hören können, hätte David Serebrianik diese Melodie schon 1944 spielen können. Er hätte es nicht tun können. Er wäre verfolgt worden, weil er Jude ist. Über den 19. April 2016 sagt er:

„So wie wir Juden halt sind, nutzte ich sofort die persönliche Beziehung, um an dem Mittag des 19. Aprils 2016 die Glocken der Westerkerk eine bestimmte schöne Weise ertönen zu lassen. An diesem Mittag hörte die City Amsterdam einem Juden und einem Christen zu, wie sie die Hatikva spielten! That’s freedom baby! Am Israel Chaj!“

Diese Hoffnung ist für Anne Frank. Du wirst immer unvergessen sein.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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