„Militaristische und revanchistische Propaganda in jeder Form, Kriegshetze und Bekundung von Glaubens-, Rassen- und Völkerhass werden als Verbrechen geahndet.“
Klingt gut, oder? Wer ist schon ein Freund von Kriegshetze und Rassismus? Es ist doch gut, wenn all das verboten ist.
Der zitierte Absatz fand sich an fünfter Stelle des sechsten Artikels der Verfassung der DDR. Es war genau dieser Absatz, mit dem Kritikerinnen und Kritiker des Regimes in Knast und Folter gesperrt wurden.
Deshalb hier die Warnung: Nimm Dich in acht vor selbsternannten Friedensaktivisten, denn sie erklären Dich zum Kriegsaktivisten, sobald Du es auch nur wagst zu widersprechen.
So verführerisch der oben zitierte Absatz klingt, die Antwort auf die Artikulation von extremen Positionen darf nicht ein Verbot sein. Es braucht stattdessen eine starke Verfassung, die an extremen Haltungen nicht zu Grunde geht, sondern sie parlamentarisch zu integrieren versteht.
Ein Land mit einer guten Verfassung weiß, dass es Menschen mit radikal unterschiedlichen Meinungen und Haltungen gibt und dass darunter sogar eine Menge haarsträubender Ideologien zu finden sind. Diese Menschen sollten jedoch nicht kriminalisiert, sondern in einem gut konstituierten Umfeld integriert werden, damit sie sich mit allen anderen politischen Ausrichtungen auseinandersetzen müssen.
Eine Meinung zu verbieten, weil sie einem Angst macht, ist menschlich nachvollziehbar, aber zu kurz gedacht, denn all die Menschen, die diese Meinung haben, werden sie nicht ablegen, wenn sie sie nicht sagen dürfen. Zu glauben, eine Meinung verschwindet, wenn man sie nicht hört, ist so logisch wie ein Kind, das die Augen bei drohender Gefahr zu macht, weil es glaubt, die Gefahr verschwindet, wenn es die Gefahr nicht mehr sieht.
Eine Meinung bleibt, auch wenn sie nicht gehört wird.
Wer glaubt, ein Mensch sei eine Gefahr, weil er spricht, glaubt auch, eine Frau sei eine Gefahr, wenn sie ohne Verschleierung aus dem Haus geht.
Meinungsfreiheit ist ein präventiver Schutzmechanismus. Nur so lerne ich das Innere eines Menschen kennen und kann rechtzeitig entscheiden, ob ich mich vor ihm schützen sollte. Brutalen Taten gehen immer brutale Worte voraus. Worte werden jedoch nicht immer gesprochen, sie werden jedoch immer gedacht! Nur wer die brutalen Gedanken hört, kann sich wehren. Meinungsfreiheit nutzt dem Gehassten immer mehr als dem Hassenden. Das Verbieten von Worten bringt rein gar nichts.
Internetseiten zu löschen, im Glauben, man würde dadurch etwas verhindern, ist so produktiv, wie Bücher zu verbrennen! Nur weil ich jemanden nicht mehr höre, heißt das nicht, dass er die Sache nicht mehr denkt. Die Meinung wird lediglich erst sichtbar, wenn sie sich zu einer Handlung entwickelt hat. Dann aber ist es oft zu spät.
Vielleicht werden die Träger unangenehmer Meinungen irgendwann an entscheidende Positionen der Macht kommen. Wir können nur hoffen, dass sie dann kein System vorfinden, das es ihnen ermöglicht, andere Meinungen zu verbieten.
In einer Demokratie können die verschiedensten politisches Lager mal eine Mehrheit bekommen. Eine gute Verfassung zeichnet sich dadurch aus, an keiner durchs Volk legitimierten Regierung zugrunde zu gehen.
Bei jedem Gesetz sollte man sich stets die Frage stellen: Kann ich wollen, dass dieses Gesetz auch gilt, wenn meine politischen Gegner an der Macht sind? Wenn diese Frage mit Nein beantwortet wird, sollte von diesem Gesetz Abstand genommen werden.
Ich kämpfe nicht kopflos dagegen an, dass meine Gegner an die Macht kommen und ich nehme dafür erst recht nicht Einschränkung in die Grundrechte in Kauf. Ich kämpfe vielmehr für ein Land, in dem ich sicher leben kann, selbst wenn meine politischen Gegner an der Macht sind. Und sie werden mal an die Macht kommen, weil sich politische Winde stets drehen.
Ich kann nur hoffen, dass meine Gegner dann keine Verfassung vorfinden, die das Kriminalisieren und Unterdrücken des politischen Gegners ermöglicht.
Das Problem in der Weimarer Republik war nicht, dass die Nationalsozialisten ihre hasserfüllten Meinungen artikulieren durften, sondern dass sich die Nazis zunächst die persönliche und später die staatliche Gewalt nahmen, andere Meinungen, Versammlungen und Zeitungen zu verbieten. Keine Verfassung hinderte sie daran. Meinungsfreiheit hätte die Ideologie der NSDAP entlarven können.
Die Nationalsozialisten nutzen nicht die Freiheit der Meinung und der Versammlung, um das Messer zu ziehen, sondern sie zogen die Messer, um diese Freiheiten zu attackieren!
Nichts fürchten jene, die Unrecht haben, mehr als die Meinungsfreiheit. Darum erklärten auch die Nationalsozialisten in ihrem 25-Punkte-Programm unter Punkt 23:
„Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen die bewußte politische Lüge und ihre Verbreitung durch die Presse. Um die Schaffung einer deutschen Presse zu ermöglichen, fordern wir, Zeitungen, die gegen das Gemeinwohl verstoßen, sind zu verbieten. Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen eine Kunst- und Literaturrichtung, die einen zersetzenden Einfluß auf unser Volksleben ausübt und die Schließung von Veranstaltungen, die gegen vorstehende Forderungen verstoßen.“
Aufgrund des „Gemeinwohls“, Meinungen kriminalisieren, Veranstaltungen schließen, Bücher verbieten und Zeitungen abschaffen. Das war die Gedankenwelt der Nazis.
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