Am Montag, dem 1. März 2021, trafen sich um 11 Uhr morgens ein paar Künstlerinnen und Künstler in der Kölner Comedia zu einer ganz besonderen Aktion.
Da am 1. März 2021 die Friseurgeschäfte in Deutschland wieder öffnen durften, freuten sich Künstlerinnen und Künstler öffentlich sehr für die Friseurinnen und Friseure und nutzten dabei die Gelegenheit, um mit einer kleinen Artistis-Live-Haircut-Performance in der Comedia auf die Lage der Kulturbranche in Deutschland aufmerksam zu machen. Mit dabei waren Anka Zink, Nessi Tausendschön, Barbara Ruscher, Robert Griess, Willibert Pauels, Torsten Schlosser, Ausbilder Schmidt, Markus Riedinger, Christoph Sieber, Sebastian Rüger, Andrea Volk und Gerd Buurmann.
Robert Griess erklärte in der Presseerklärung zur Performance:
„Unsere Branche befindet sich seit 2. November 2020 im Lockdown, damit andere Branchen geöffnet bleiben können und hat bis heute keine Öffnungs-Perspektive, obwohl es inzwischen durch zahlreiche wissenschaftliche Studien immer mehr belastbare Erkenntnisse gibt, nach denen die Theater bei kontrollierter Auslastung und unter Wahrung von Hygiene-Konzepten zu den sichersten Orten im Öffentlichen Raum gehören. Ein Theaterbesuch ist laut Aerosol-Vergleichsstudie der TU Berlin sicherer als ein Einkauf im Supermarkt, eine Fahrt mit der U-Bahn, und erst recht sicherer als ein Schulbesuch oder die Arbeit im Büro mit Kollegen. Wir möchten sehr gern darauf aufmerksam machen, dass unter Einhaltung von Hygiene-Konzepten niemand Angst vor einem Theater-Besuch haben muss und würden uns freuen, wenn diese gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Entscheidungsfindung der Politik Eingang finden.“
Kabarettistin Nessi Tausendschön rief auf Französisch: „Es lebe die Kultur!“
Kabarettist Torsten Schlosser nutzte die Gelegenheit für eine Kritik in Richtung der Bundesregierung, der Opposition und der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker.
Kabarettistin Andrea Volk erklärte, wie sehr sie die Bühne vermisst und machte den Papst:
In den letzten Monaten wurde viel über „systemrelevanten Berufe“ gesprochen. Was sind überhaupt systemrelevante Berufe? Jene, die die Nahrung und das pure Überleben sichern? Essen, trinken und atmen machen Tiere auch.
Sind jene Menschen systemrelevant, die Haare schneiden?
Wenn es etwas gibt, das uns Menschen im Wesen ausmacht, dann ist es vor allem unsere Fähigkeit, Kunst und Kultur zu erschaffen. Die Begabung, Geschichten zu erzählen und Bilder zu ersinnen, zeichnet uns als Menschen aus. Diese Gabe macht uns besonders relevant. Kultur ist kein Bonus der Menschheit, sie ist die Menschheit!
Eins ist ganz sicher: Kultur ist nicht systemrelevant!
Kultur ist nicht dafür da, um Systemen zu nutzen oder sie zu stützen. Mit der Kultur lebt der Menschen sein Menschsein und das bemisst sich nicht im Nutzen.
Kultur macht aus der bloßen Existenz ein Leben mit Sinn. Kultur ist nicht nur Überleben. Kultur ist Leben. Kultur ist Revolution und Freiheit. Kultur ist Menschheit und die Menschheit ist kein ordentliches System, sondern ein wunderbar chaotischer Haufen voller Fehler und Gefahren.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat erklärt, die Entscheidung für die Wiedereröffnung der Friseure habe „nicht nur mit Hygiene“ zu tun, sondern „auch mit Würde„.
Die Würde des Menschen manifestiert sich vor allem in seiner Kultur. Es ist daher schon spannend, dass zur Zeit für den Menschen als Homo oeconomicus allerlei Lockerungen ermöglicht werden. Die Freiheit des nützlichen und arbeitenden Menschen wird nicht überall, aber hier und da verteidigt. Die Freiheit des genießenden Menschen jedoch wird nach wie vor strikt beschnitten. Die Theater, Konzertsäle, Bars, Restaurants, Clubs und Diskotheken sind seit Monaten geschlossen. Es sind jene Orte, an denen der Mensch nicht seinen Nutzen unter Beweis zu stellen sucht, sondern wo er seine Würde genießt.

Leider zweifeln viel zu viele Menschen an genau dieser Würde. Jemand, der sich im Supermarkt oder bei der Arbeit ansteckt, ist ein armer Held der Gesellschaft. Wer sich jedoch in einem Theater oder in einem Restaurant anstecken würde, der ist ein egoistischer Bösewicht.
Nein, Kultur ist nicht egoistisch!
Das gemeinschaftliche Tanzen, Singen, Essen, Trinken und Lachen ist kein Hedonismus, den man gefälligst mal temporär einzustellen hat, um das Überleben der Gattung Mensch zu sichern. Der einzelne Mensch ist nicht bloß ein Teil seiner Art. Der Mensch hat Würde.
Kultur macht den Menschen aus. Wir sollten sie mutig verteidigen. Willibert Pauels zitierte Hilde Domin, die einst sagte: „Wir essen Brot, aber wir leben von Glanz!“