Die jüdische Nakba

Als Nakba wird im arabischen Sprachgebrauch die Flucht und Vertreibung von etwa 700.000 arabischen Menschen aus dem früheren britischen Mandatsgebiet bezeichnet. Warum aber wird nur über die arabische Seite der Nakba gesprochen? Was ist mit der jüdischen Seite der Geschichte? Warum kennen so wenig Menschen die jüdische Nakba?

Am 29. November 1947 wurde im Namen der Vollversammlung der Vereinten Nationen sowohl der israelischen als auch der arabischen Seite die Gründung jeweils eines unabhängigen Staates angeboten. Die israelische Seite nahm dieses Angebot an. Die arabische Seite jedoch lehnte ab und begann stattdessen zusammen mit Ägypten, Saudi-Arabien, Jordanien, Libanon, Irak und Syrien einen Krieg zur Vernichtung des neu gegründeten Israels.

Im Zuge dieses Krieges kam es zu zwei Flüchtlingsströmen. Der eine Strom bestand aus 700.000 arabischen Flüchtlingen, der andere aus 850.000 jüdischen Flüchtlingen. Interessanterweise ist im heutigen Nakba-Diskurs nur von dem 700.000 Menschen umfassenden Flüchtlingsstrom die Rede. Worum handelt es sich bei diesen 700.000 Menschen?

Als im Jahre 1948 Israel gegründet wurde, erklärte die arabische Welt Israel den Vernichtungskrieg. Im Zuge dieses bis heute anhaltenden Krieges und im Glauben an die Versprechungen der arabischen Nationen, nach der Vernichtung Israels könnten die Araber als Sieger in die Region zurückkehren, verließen hunderttausende Menschen ihre Heimat; und das obwohl die meisten von ihnen nicht dazu gezwungen wurden, jedenfalls nicht von israelischer Seite – im Gegenteil: Israel bot den Arabern an zu bleiben, um vollwertige Bürger des Landes zu werden. 160.000 Araber nahmen dieses Angebot an. Heute, im Jahr 2022 gibt es über 1,9 Millionen arabische Israelis. Das sind 21,1% aller Israelis.

Wieviel Juden leben jedoch in den arabischen Nachbarländern? Schauen wir uns dazu die oft vergessenen 850.000 jüdischen Flüchtlinge an.

Im Zuge des bis heute anhaltenden Vernichtungskrieges gegen Israel wurden 850.000 Juden aus ihrer arabischen Heimat vertrieben. Ihnen wurden ihr Besitz und ihre Staatsbürgerschaften genommen. Mittlerweile gibt es sogar arabische Nationen, die ihre Vertreibungspolitik derart perfektioniert haben, dass im Jahre 2001 dort kein einziger Jude mehr lebte, zum Beispiel Libyen und Algerien. Während somit in Israel heute 190% so viele Araber leben wie 1948, und zwar als vollwertige Bürger eines demokratischen Landes, leben in den arabischen Ländern heute nur 0,9% so viele Juden wie 1948. In dieser Zeit fanden viele schreckliche Pogrome gegen Juden statt, u.a. die Pogrome von Aleppo, Kairo und Aden.

In der Beurteilung des Konflikts ist sehr oft von Vertreibung und Völkermord die Rede ist. Damit ist allerdings nicht die Reduzierung der jüdischen Bevölkerung in den arabischen Ländern auf 0,9% gemeint, sondern die Verdoppelung der arabischen Bevölkerung in Israel.

Das arabische Wort bedeutet auf deutsch „Katastrophe“ und „Unglück“. Die zehnfache Dezimierung der jüdischen Bevölkerung im arabischen Raum ist eine Katastrophe. Kann die Verdopplung der arabischen Bevölkerung im israelischen Raum jedoch ein Unglück genannt werden?

Was geschah mit den jüdischen Flüchtlingen? Viele von ihnen wanderten nach Israel aus, andere fanden in anderen Ländern ein neues Zuhause, und jene, die Hilfe benötigten im Umgang mit ihrer neuen Flüchtlingssituation, fanden spätestens 1951 bei den Vereinten Nationen Unterstützung. Im Jahr 1951 nahm nämlich die UNHCR-Behörde ihre Tätigkeit auf. Das Hochkommissariat ist mit dem Schutz von Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen weltweit beauftragt und ist auch im Bereich der humanitären Hilfe tätig. Die Behörde ist Nachfolgeorganisation des Flüchtlingskommissariats des Völkerbundes. 1954 sowie auch 1981 wurde sie mit dem Friedensnobelpreis und 1986 mit dem Balzan-Preis für Humanität, Frieden und Brüderlichkeit unter den Völkern ausgezeichnet, da sie erfolgreich dafür sorgt, aus Flüchtlingen wieder Bürger zu machen. Der UNHCR ist somit offensichtlich eine gut funktionierende Behörde. Warum also versagt sie im Umgang mit den arabischen Flüchtlingen?

Während die 850.000 jüdischen Flüchtlinge und Vertriebenen wieder Bürger eines Landes wurden, sind aus den 700.000 Flüchtlingen und Auswanderern mittlerweile über fünf Millionen Flüchtlinge geworden, die in arabischen Ländern bis zum heutigen Tage in Lagern gepfercht leben. Die einzigen Palästinenser, die heute Bürgerrechte besitzen, sind die knapp zwei Millionen israelischen Palästinenser.

Warum versagt der UNHCR im Umgang mit den arabischen Flüchtlingen? Weil er für diese Flüchtlinge nicht zuständig ist!

Diese arabischen Flüchtlinge sind die einzige Gruppe, für die sich die Vereinten Nationen eine eigene Behörde leistet. Sie nennt sich UNRWA. Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten ist ein temporäres Hilfsprogramm der Vereinten Nationen, das seit seiner Gründung 1949 regelmäßig um drei Jahre verlängert wird. Der Hauptsitz des Hilfswerkes war zunächst Beirut, wurde 1978 aufgrund der Unruhen im Libanon nach Wien und 1996 weiter nach Gaza verlegt.

Obwohl die UNRWA nur eine temporäre Behörde ist und jederzeit im UNHCR aufgehen könnte, bleibt die UNRWA bestehen. Warum? Was unterscheidet den palästinensischen Flüchtling von allen anderen Flüchtlingen dieser Welt? Warum ist dieser Flüchtling anders als alle anderen Flüchtlinge?

Die Antwort ist im Selbstverständnis der beiden Flüchtlingsbehörden zu finden. Während es die Aufgabe des UNHCR ist, Flüchtlinge wieder zu Bürgern zu machen, hält die UNRWA Palästinenser in ihrem Flüchtlingsstatus, indem sie besondere Kriterien anlegt:

Während Flüchtlinge des UNHCR ihren Flüchtlingsstatus in dem Moment verlieren, da sie Bürger eines von den Vereinten Nationen anerkannten Landes werden, behalten die palästinensischen UNRWA-Flüchtlinge selbst in diesem Fall ihren Flüchtlingsstatus.

Während beim UNHCR der Flüchtlingsstatus nicht von Generation zu Generation vererbt werden kann, können palästinensische Flüchtlinge laut UNRWA Flüchtlinge gebären.

Während der UNHCR eine Einbürgerung der Flüchtlinge in ihrem Gastland befördert und unterstützt, vermeidet die UNRWA die Einbürgerung palästinensischer Flüchtlinge in ihrem Gastland.

Knapp zwei Millionen arabische Israelis gibt es bisher. Die 700.000 Arabern aber, die Israel verlassen haben und ihre Nachkommen leben heute in den Nachbarstaaten von Israel unter unmenschlichen Bedingungen. Ihnen werden nicht selten Bildung und Medizin verwehrt, sie dürfen keine Häuser bauen und keine Arbeitsplätze annehmen. Zudem ist es ihnen in all diesen Ländern bis auf Jordanien verboten, die Staatsbürgerschaft zu erwerben.

Unter diesen unmenschlichen Bedingungen sind aus 700.000 Flüchtlingen über fünf Millionen ewige Flüchtlinge geworden. Diesen Millionen Menschen wird unter Mittäterschaft der Vereinten Nationen jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft als freie Bürger verwehrt. Das ist die arabische Nakba und für diese Nakba wird von arabischen Nationen aus einem ganz besonderen Grund kultiviert. Mit der arabischen Nakba soll die jüdische Nakba zur „Endlösung“ getrieben werden. Es geht den Feinden Israels um die Ausrottung von ganz Israel. Am 1. September 1960 erklärte der Präsident Ägyptens:

„Wenn die Flüchtlinge nach Israel zurückkehren, wird Israel aufhören zu existieren.”

Stellen wir uns einmal vor, den 850.000 jüdischen Flüchtlingen wäre genau das selbe Recht zugekommen, wie es nicht wenige den arabischen Flüchtlingen selbstverständlich zusprechen: Noch heute müssten sich die Vereinten Nationen für eine Rückkehr der Juden nach Ägypten, Libyen, Syrien, Jemen und all die anderen arabischen Länder stark machen, und nicht nur das, die arabischen Länder müssten sogar dazu genötigt werden, mit unzähligen Resolutionen, Land an Juden abzugeben, da sie ja die ehemalige Heimat von diesen Juden besetzt halten. Es müsste somit die Aufgabe der Vereinten Nationen sein, auf die Schaffung unabhängiger Israelstreifen in allen arabischen Ländern hinzuwirken, damit die arabischen Regime die besetzten jüdischen Gebiete räumen.

Der ewige palästinensische Flüchtling nutzt nur einer Gruppe: den Feinden Israels. Der PLO-Führer Zuheir Mohsen erklärte im März 1977 in einem Interview mit der niederländischen Zeitung Trouw:

„Das palästinensische Volk existiert nicht. Die Schaffung eines palästinensischen Staates ist nur ein Mittel, um unseren Kampf gegen den Staat Israel für unsere arabische Einheit fortzusetzen. In Wirklichkeit gibt es heute keinen Unterschied mehr zwischen Jordaniern, Palästinensern, Syrern und Libanesen. Nur aus politischen und taktischen Gründen sprechen wir heute von der Existenz eines palästinensischen Volkes, denn die arabischen nationalen Interessen verlangen, dass wir die Existenz eines eigenen palästinensischen Volkes als Gegenpol zum Zionismus postulieren (…) Aus taktischen Gründen kann Jordanien, ein souveräner Staat mit definierten Grenzen, keine Forderungen auf Haifa und Jaffa aufstellen, während ich als Palästinenser zweifellos Haifa, Jaffa, Beer-Sheva und Jerusalem fordern kann. Doch in dem Moment, in dem wir unser Recht auf ganz Palästina zurückfordern, werden wir nicht eine Minute warten, Palästina und Jordanien zu vereinen.“

Am 25. Mai 1953 sagte Pfarrer Karl Baehr:

„Im April 1952 sagte Sir Alexander Galloway, damals Chef von UNRWA für Jordanien, zu unserer Studiengruppe, und das ist wirklich ein direktes Zitat von ihm: ‚Es ist vollkommen klar, dass die arabischen Nationen das arabische Flüchtlingsproblem nicht lösen wollen. Sie wollen es als eine offene Wunde behalten, als ein Affront gegen die Vereinten Nationen und als eine Waffe gegen Israel.‘ Dann sagte er mit Betonung: ‚Die arabischen Führer geben einen Dreck darauf, ob die Flüchtlinge leben oder sterben.’“

Den arabischen Führern und nicht wenigen Nahostexperten ist das Wohl der Palästinenser egal, Israel nicht. Was Israel den Palästinensern bisher angeboten hat, hat noch keine arabische Nation jemals den Palästinensern geboten. Israel ist das einzige Land im Nahen Osten, das die Menschenrechte der Palästinenser garantiert. Die meisten Bürgerinnen und Bürger Israels wissen halt aus eigener Erfahrung, wie gefährlich es ist, wenn die Umwelt einen zum ewigen Flüchtling abstempelt.

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Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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