Der Spiegel sucht die Schuld für Judenhass bei Israel

„Wenn in Israel eine rechtsradikale Regierung an die Macht kommt, droht eine neue Welle des Antisemitismus – gegen Juden in Europa und Deutschland.“

Das schrieb der Spiegel am 13. November 2022 auf Twitter.

Für den Spiegel ist Judenhass eine Reaktion auf ungebührliches Verhalten von Juden. Wenn Juden nicht so wählen, wie es der Spiegel erwartet, dann steigt eben der Judenhass. So einfach ist das.

Wie bloß soll ich diesen Leuten vom Spiegel erklären, dass diese Aussage nicht nur zutiefst widerlich ist, sondern auch antisemitisch? Ich versuche es mal so:

Als im November 1918 Frauen in Deutschland das Wahlrecht erhielten, das ihnen so lange mit brutaler Gewalt vorenthalten wurde, bekamen sie dieses Recht nicht unter der Vorgabe, dass sie nur gewisse Parteien wählen dürfen. Sie erhielten stattdessen das selbstverständliche Menschenrecht der Demokratie, sich bedingungslos für jede Partei entscheiden zu dürfen.

Man muss sich nicht benehmen, um im Besitz der Menschenrechte zu sein. Die Menschenrechte gelten ausnahmslos für alle und immer.

Hätten Frauen in Deutschland im Jahre 1918 das Wahlrecht nicht erhalten, so wären alle Frauen unschuldig gewesen an den Entscheidungen der kommenden Wahlen. Im Besitz des Wahlrechts jedoch wurden sie verantwortlich. Nicht wenige Frauen sollten sich für eine faschistische Partei entscheiden. Durch das Wahlrecht wurden Frauen verantwortlich für die Nazis.

Ohne das Wahlrecht für Frauen wären alle Frauen in Deutschland unschuldig an der Wahl Hitlers gewesen. Das heißt aber nicht, dass die Tatsache, dass manche Frauen Hitler gewählt haben, Frauenhass rechtfertigt. Egal, wie sich die ein oder andere Frau auch benimmt, es rechtfertigt keine Vergewaltigung und provoziert auch keine.

Der Spiegel erklärt, es gäbe Parteien, die Juden aufgrund ihrer Erfahrung der Verfolgung nicht wählen dürfen, ganz so, als wären die Konzentrationslager Einrichtungen zur Nachhilfe in guter Staatsbürgerlichkeit gewesen. Der Aussage des Spiegel wohnt ein antisemitischer Moment inne, denn es ist ein Unterschied, ob man sagt: “Das ist keine Partei, die man wählen sollte“, oder ob man sagt: “Das ist keine Partei, die man als Jude wählen sollte.”

Meine politischen Ansichten formuliere ich aus meinem persönlichen Denken heraus. Natürlich wird dieses Denken auch durch meine Erfahrungen beeinflusst und diese Erfahrungen sind selbstverständlich verbunden mit meiner Hautfarbe, meinem Geschlecht und dem Glauben, in dem ich erzogen wurde, aber ich habe die Freiheit, mich zu diesen Erfahrungen zu verhalten.

Niemand kann etwas für seine Herkunft, aber dennoch ist niemand Opfer seiner Zukunft.

Alle Menschen Menschen sind in der Lage sind, sich von ihren Einflüssen und Prägungen zu emanzipieren. Sie können all die geistigen Ablagerungen der Vergangenheiten hinterfragen und sich die eigenen Ängste und Privilegien bewusst machen, um zu einer Entscheidung zu gelangen, für die man dann unabhängig vom Aussehen und der Herkunft die ganz persönliche Verantwortung übernehmen muss.

Diese persönliche Verantwortung kann niemand nehmen, kein Vorbild, keine Heldin, keine Partei und kein religiöser Führer.

Niemand muss sich benehmen, um nicht diskriminiert zu werden.

Alle Menschen, egal welcher Hautfarbe, welchen Geschlechts oder welchen kulturellen Zugehörigkeit auch immer, haben das gleiche Recht, sich für das Eine oder für das Andere zu entscheiden. Alle dürfen sich anständig oder unanständig benehmen, ohne dass sie dabei auf ihre Gruppenzugehörigkeit reduziert werden, aus der sich ergeben soll, dass sie gewisse Dinge einfach nicht machen dürfen.

Als weißer, männlicher Christ kann ich jede Partei wählen. Niemand wird deshalb meine Identität infrage stellen. Ich wähle eine Partei nicht, weil ich weiß bin, männlich oder Christ, sondern weil ich darüber nachgedacht habe. Nachdenken können alle volljährigen Menschen und zwar aller Geschlechter, Hautfarben und Religionen. Die Vernunft ist menschlich und die Freiheit ist kein Privileg des weißen Mannes.

Es gibt Rassisten, die lassen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer Herkunft nicht in ihre Läden rein. Diese Rassisten kann ich ignorieren. Dann gehe ich halt nicht in ihre hasserfüllten Läden. Mit Rassisten will ich eh keine Geschäfte machen.

Rassisten aber, die erklären, man könne aufgrund seiner Hautfarbe oder seiner Herkunft nur so oder so denken, geben einem nicht mehr die Möglichkeit zu ignorieren, indem man den Laden des Hasses einfach nicht betritt, denn sie pressen ihren Hass in die Körper der Menschen. Sie erklären, wenn ein schwarzer Mensch so oder so denkt, dann ist er eben nicht mehr schwarz, wenn ein Jude anders spricht, als es sich für einen Juden geziemt, dann ist er kein echter Jude mehr und wenn eine Frau es wagt, anders zu wählen, als es der männliche Feminist für richtig erachtet, dann ist sie keine wahre Frau mehr.

Dieser Rassismus ist auf eine ganz spezielle Art brutal, denn er wirft Menschen nicht aus fremden Läden raus, sondern aus ihren eigenen Identitäten. Dieser Rassismus macht Menschen nicht zu Opfern an fremden Orten, sondern zu Opfern in ihren eigenen Körpern.

Wer Juden für etwas verurteilt, was er bei allen anderen durchgehen lässt, ist ein Antisemit.

Wer Schwarze für etwas verurteilt, was er bei allen anderen durchgehen lässt, ist ein Rassist.

Wer Frauen für etwas verurteilt, was er bei allen anderen durchgehen lässt, ist ein Sexist.

Es gibt Judenhasser, die hassen Juden, weil sie Juden sind, egal wie sie sich benehmen und es gibt Judenhasser, die sagen, dass Juden gehasst werden, weil sich manche Juden nicht benehmen. Die erste Gruppe der Judenhasser ist wenigstens ehrlich. Die Leute beim Spiegel sind es nicht.

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Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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