Da hier eh alle schon über den neuen Tatort reden …

Bisher bot sich jeden Sonntag Abend auf Facebook das gleiche Bild: Tausende kotzten sich über den aktuellen Tatort aus, dem Rest war der Tatort egal. Gestern aber geschah etwas vollkommen Neues: Zwar fanden sich immer noch viele kritische Stimmen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen, aber zum ersten Mal häuften sich auch positive Kommentare und Statusmeldungen. Zum ersten Mal nutze eine bemerkbare Masse von Menschen Facebook, um zu posten, ihnen habe der Tatort gefallen. Der Tatort! Gefallen! Hier mal drei Beispiele aus meinem Freundeskreis:

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Tapfer im Nirgendwo kann da nur sagen: Glückwunsch, Til Schweiger, klassischer Fall von „alles richtig“ gemacht.

Wenn es etwas positives gibt, das über diesen Tatort gesagt werden kann, dann dies: Es ist das Ende des Tatort, so wie wir es kannten! Endlich mal kein gebrochener Kommissar. Endlich mal keine Sozialromantik. Endlich mal kein pseudo-gesellschaftskritisches Geschwafel. Endlich mal Selbstironie! Endlich mal Action! Endlich mal kein sterbenslangweiliger Pseudo-Realismus. Endlich mal Unterhaltung. Endlich mal Dialoge, die echt klingen. Die hölzernen Dialoge rund um Kommissarin Odenthal werden von jetzt an noch unerträglicher klingen. Endlich mal ein Tatort, der uns nichts beibringen wollten. Endlich mal ein Tatort mit einer vernünftigen Kamerakunst. Endlich mal ein Tatort mit einem Drehbuch. Allein die erste Szene zwischen Vater Nick und Tochter sollten ein Lehrbeispiel für alle kommenden Drehbuchautoren des Tatorts werden. In wenigen Sätzen wird dort die genaue Familiensituation erzählt ohne dass es direkt erklärt wird. So wird geschrieben!

Ich gebe zu, ein typischer Tatort war das nicht. Til Schweiger ist nicht einmal geduckt unter rot-weißem Flatterband gelaufen und der Kommissar, den er spielt, nutzt seine und fremde Waffen mehr als ausgiebig. Der ersten Person, die er nicht im direkten Kampf kaltmacht, entgegnet er: „Du wirst verhört!“ Damit belässt er es aber nicht. Er tritt sogar nach. Zudem belügt er seine Vorgesetzen und schreckt sogar vor Folter nicht zurück. Ein Vorbild an praktischer Ethik ist dieser Kommissar definitiv nicht. Im Gegenteil. Es tut aber mal gut, einen Tatort zu sehen, in dem der Kommissar nicht der zaudernde Engel mit Dienstausweis ist und in dem sogar die Vorgesetzten am Ende alle Dienstvorschriften fahren lassen und die Verbrechen des Kommissars decken.

Dieser Kommissar ist anders als alle Anderen. Mit Til Schweiger ist es im Grunde ein wenig wie mit der Homo-Ehe. Alle, die über diesen Kommissar nun meckern und ätzen und glauben, mit ihm sei die traditionelle Tatort-Familie in Gefahr, sei versichert: Nick ist anders, als alle anderen Tatort-Kommissare, ja, aber bei den altbewährten Kommissarinnen und Kommissaren wird sich nichts ändern. Versprochen! Sie werden weiterhin die gebrochenen und zögernden Kommissare bleiben, die die Welt verbessern wollen. Nick möchte das nicht. Er will nur „das Pack“ schnappen und seiner Tochter ein Weichei kochen. Die Welt ist ihm egal. Das ist mal was Anderes und für die Traditionalisten der Tatort-Familie gewohnungsbedürftig. Es gibt aber keinen Grund, vor dem Neuen gleich Angst zu haben.

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Eigentlich sagt dieser heutige Zeitungsständer alles:

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Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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