Die Angst vor Frauen

„I want to live darkly and richly in my femaleness.“

Mit dieser Aussage von Anaïs Nin beginnt eine Frau namens Aurelie die Beschreibung ihres Blogs Freidimensional und fügt hinzu:

„Ich mag Stärke und Härte. Und Menschen, die den Unterschied kennen.“

Bei der Blogautorin handelt es sich um eine Frau, die nicht nur ganz genau weiß, wo sie sexuell steht und was sie will, sondern um eine emanzipierte, sexuell selbstständige und offensive Frau. Dies wurde ihr nun zum Verhängnis.

Immer wenn Frauen es wagen, in Männerdomänen vorzudringen, gibt es nicht wenige Männer, die mit diesem Vorstoß der Emanzipation ein Problem haben. Nicht selten kommt es in typischen Männerberufen wie beim Militär zu Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen, sobald Frauen wagen, in diese Bereiche vorzudringen. Die Erniedrigung der Frau ist schließlich immer noch die effektivste Waffe in der Männerwelt.

Aurelie wagte es, in die Welt der Blogger vorzudringen und dann auch noch mit sexuellen und expliziten Inhalten, die eines unmissverständlich klar machen: Ich weiß, was ich will und ich lasse mich nicht zum Objekt machen. Ich entscheide was ich bin!

Dieses Selbstbewusstsein rief die Maskulisten und Frauenfeinde auf den Plan, die es im Internet zuhauf gibt. Auf einmal erlebte Aurelie die Erniedrigung ihrer Person. In diversen Foren wurde gegen sie gehetzt und selbst auf ihrem eigenen Blog wurde sie in der Kommentarfunktion massiv angegriffen. Das Ausmaß reichte von übelsten Beleidigungen bis hin zu konkreten Beschreibungen einer Vergewaltigung und Ermordung ihrer Person. Bilder von real aufgeschlitzten Frauen, deren Eingeweide mit Glasscherben entfernt wurden, waren auch dabei. Aurelie tat, was in so einem Moment geboten erscheint: Sie ging zur Polizei ohne zu wissen, dass bald auch die Polizei gegen sie ermitteln würde.

Alles begann damit, dass der Polizist, der ihre Anzeige aufnahm, sie anfangs nicht richtig ernst nahm, ganz so als sei Sexismus bis hin zur Drohung der Vergewaltigung ein Herrenwitz. Es folgte ein vollkommen inkompetenter Sachbearbeiter, der weder wusste was ein Blog ist und Aurelie sogar darum bat, ihm Twitter zu erklären. Solche Herren arbeiten also bei der Polizei als Sacharbeiter für sexuelle Nötigung und Drohung im Internet. Für Aurelie war klar, dass von dieser Polizei keine Hilfe zu erwarten war.

„Ich hakte die Angelegenheit ab und konzentrierte mich auf andere Dinge.“

Am 20. März 2013 rief die Kriminalpolizei erneut bei ihr an und fragte, ob sie vorbei kommen könne, denn die Polizei bräuchte noch ein paar Angaben von ihr. Hoffnungsvoll machte sie sich auf den Weg. Was sie aber bei der Polizei erwartete, erschütterte sie. Im Besprechungszimmer erklärte ihr eine Polizistin:

„Frau R., wir müssen über Ihren Blog reden. Die zuständige Ermittlerin der Internetkriminalistik hat Anzeige gegen Sie erstattet wegen Verbreitung von Pornographie über das Internet.“

Die Polizistin zeigte ihr ein Bild, das Aurelie einem Artikel beigefügt hatte, in dem sie über den sexuellen Lustgewinn durch Fesselung und dem Spiel mit Herrschaft, Dominanz, Unterwerfung und Unterordnung schrieb. Auf einmal war sie die Täterin! Sie, die nichts weiter getan hatte, als zu sich und ihrer Sexualität zu stehen, sie, die daraufhin Opfer brutaler Drohungen und Beleidigungen wurde, sie saß nun als Täterin bei der Polizei. Sollte sie verurteilt werden, gilt sie als vorbestraft und kann einen Großteil ihrer angestrebten beruflichen Positionen vergessen. Die Polizistin sagte:

„Es sieht folgendermaßen aus: Sie können sich zu der Sache äußern oder zunächst keine Angaben machen. Die Möglichkeit, einen Anwalt einzuschalten, haben Sie später noch. Da nun ein Strafprozess gegen Sie beginnt, muss ich Sie erkennungsdienstlich erfassen. Dazu müssten wir in einen anderen Raum gehen und Ihre Fingerabdrücke nehmen und Sie fotografieren.“

Daraufhin wurde sie in einen Raum gebracht, in dem sie von zwei Beamtinnen und einem Beamten untersucht wurde. Als die ganze Prozedur zu Ende war, durfte sie gehen. Draußen rief sie als erstes die Internetkriminalistik an und erkundigte sich nach dem Stand der Ermittlungen ihrer Anzeige. Ihr wurde mitgeteilt, dass alle erforderlichen Ermittlungen ohne Ergebnis waren und man daher nichts mehr für sie tun können. Daraufhin sagte Aurelie:

„Sie wissen, dass ich gerade bei der Kripo war, weil Sie mich angezeigt haben?“

Die Antwort: „Ja. Das war meine Pflicht.“

Das Opfer zur Täterin machen, das ist also die Pflicht der Ermittlungsbehörden. Mir bleibt da nur, Aurelie selbst zu zitieren:

„Was unternehmen Sie eigentlich gegen youporn oder tubegalore oder die ganzen anderen Porno-Websites, die jedes Kind in Deutschland ohne Beschränkung anschauen kann? Die Websites, die täglich hunderttausende Zugriffe haben? Nicht wie mein Blog, der vielleicht ein paar Hundert Leser hat.“

Es ist wirklich ein Skandal, was sich da gerade in einer deutschen Amtsstube abspielt und ich kann nur hoffen, dass es sich hierbei um eine Farce handelt, sie schnell ein gutes Ende für Aurelie findet. Ich bitte daher alle Leserinnen und Leser meines Blogs, den Bericht von Aurelie zu verbreiten, um ihr somit das Gefühl von Solidarität und Unterstützung zu geben. Den Artikel findet Sie hier:

„Sex und das Internet“

Die deutsche Polizei geht zwar nicht gegen die Masse der frauenfeindlichen Pornografie vor, die nicht selten Männer dazu motiviert, Frauen wie Dreck zu behandeln, aber gegen eine Frau, die es wagt, über ihr eigenes Sexualleben zu entscheiden und zu berichten, die sich weigert, sich wie Dreck behandeln zu lassen, gehen sie mit allen Mitteln vor. Es ist die Angst vor selbstbewussten Frauen. Die Frau hat für viele eben immer noch ein Objekt des Mannes zu sein!

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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