“Ungerechtigkeit gedeiht nämlich gerade dort, wo Wettbewerb eingeschränkt wird, durch Protektionismus, Korruption oder staatlich verfügte Rücksichtnahme auf Einzelinteressen.”
(Joachim Gauck)
Stellen Sie sich einen Platz vor, an dem es fünf verschiedene Restaurants gibt. Jedes Restaurant hat seinen eigenen Stil. An dem Platz herrscht kulinarische Vielfalt. Was könnte diesem Paradies gefährlich werden? Staatliche Subventionen!
Irgendwann entdeckt die Politik ihr Herz für die kulinarischen Künste und beginnt damit, eines der fünf Restaurants zu fördern. Vier Restaurants sehen sich auf einmal einem verzerrten Wettbewerb ausgesetzt, da das fünfte Restaurants plötzlich ein Konkurrent ist, bei dem die Kasse bereits klingelt, bevor dort überhaupt etwas bestellt wurde. Das subventionierte Restaurant kann jetzt ohne Probleme an den Preisen drehen, seine Gerichte günstiger anbieten und dazu noch in bessere Produkte investieren. Die anderen Restaurants müssen weiterhin ausschließlich mit ihrem erwirtschaften Geld auskommen. Besserer Produkte können sie nicht einkaufen, aber dem Preisdruck müssen sie dennoch folgen, besonders jetzt, da das subventionierte Restaurant in der Qualität etwas besser geworden ist. Eingespart wird das geringere Einkommen durch Lohnkürzungen bei den Köchen.
Die besten Köche kündigen daraufhin und gehen zu dem subventionierten Restaurant, da dort nicht gespart werden muss. Ersetzt werden sie durch weniger talentierte Köche. Zudem müssen auch die Waren etwas billiger eingekauft werden, um weiterhin konkurrieren zu können. Die Qualität leidet. Weniger Gäste kommen. Ein Restaurant wird zu selten besucht und muss schließen. Da sind es nur noch vier Restaurants.
„Kein Problem“, sagt die Politik, „wir können ja noch ein weiteres Restaurant subventionieren.“
Alle Restaurants stellen einen Antrag auf Unterstützung und auf einmal gibt es zwei subventionierte Restaurants am Platz. Dann kommt der Sommer. Alle Restaurants stellen ihre Stühle raus. Da denkt sich die Politik: „Momentchen mal, die Konzessionen für die Außengastronomie haben wir auch schon lange nicht mehr geprüft und zwei Restaurants am Platz haben schließlich deutlich mehr Geld als früher, da sollten wir doch schleunigst mal wieder einen Besuch abstatten.“
Das Ordnungsamt und die Bauaufsichtsbehörde schicken ihre Leute los. Sie reden was von Sicherheit, sagen, sie dächten nur an die Kunden und vor allem, lieber jetzt etwas pingeliger als später das Nachsehen. Ein Restaurant kann sich die neuen und teueren Anforderungen nicht leisten und muss schließen. Da sind es nur noch drei Restaurants.
„Tja,“ sagt die Politik, „wir würden ja gerne helfen, aber wir haben das Geld im Moment leider nicht.“
In der Kommune läuft es finanziell irgendwann alles andere als gut. Den subventionierten Restaurants müssen die Gelder gekürzt werden. Daraufhin demonstrieren die zwei subventionierten Restaurants. Einige Köche und Kellner legen sich vor das Rathaus uns rufen: „Die Küche stirbt!“ Die Presse berichtet: „Ab heute bleibt die Küche sozial kalt!“
Die Bevölkerung ist außer sich. Es hilft nichts. Die Subventionen werden gekürzt. Jetzt müssen auch die subventionierten Restaurants einsparen, trauen sich aber nicht, mit den Preisen hoch zu gehen. Stattdessen sparen sie bei den Köchen und bei den Waren. Die Löhne fallen. Die Qualität leidet.
Ein Restaurant hat sich mittlerweile so an die Subventionsgelder gewöhnt, dass es verlernt hat, unabhängig zu wirtschaften und plant sich in den Ruin. Da sind es nur noch zwei Restaurants.
Nur noch zwei Restaurants sind vor Ort, eines wird subventioniert, das andere Lokal nicht. An den Stellen, wo einst die anderen Gasthäuser waren, haben mittlerweile Fressbuden geöffnet. Einige sind zwar nicht sehr viel schlechter als das Restaurant, das nicht subventioniert wird, aber dafür deutlich billiger. Diesem Druck ist das Restaurant nicht lange gewachsen und muss schließen. Da gibt es nur noch ein Restaurant.
An dem Platz, an dem einst fünf gute Restaurants zu besuchen waren, steht jetzt nur noch ein Restaurant zwischen Imbissbuden. Irgendwann kommt eine Frau an den Platz und stellt die Frage, ob es eigentlich gerecht ist, dass dieses eine Restaurant subventioniert wird.
„Aber liebe Frau,“ sagt der Pressesprecher der Stadt, „wie können Sie nur so eine Frage stellen? Sie sehen doch, was hier los ist. Wenn wir jetzt aufhören würden, das Restaurant zu subventionieren, dann gäbe es hier nur noch Imbissstuben und Frittenbuden. Wir garantieren hier die Qualität! Ohne Subventionen müsste das einzige Restaurant am Platz schließen! Dann gäbe es dort nur noch Dreck zu fressen. Es ist unsere politische Pflicht, das Gute zu unterstützen.“
Die Frau geht nach Hause und bestellt sich eine Pizza. Am nächsten Tag erhöht die Kommune die Steuern.
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Über drei Jahre leitete ich in Köln ein kleines Theater, vollkommen ohne Subventionen. Ich musste mit den Eintrittspreisen der überwiegend subventionierten Theater konkurrieren und dennoch Wege finden, meine Künstlerinnen und Künstler zu bezahlen. Ich nahm nur Geld von Menschen, die auch wirklich in mein Theater kamen
Subventionierte Theater bekommen ihr Geld von jenen Menschen, die nicht ins Theater gehen, denen das Geld über Steuern abgenommen wurde. Diese Theater interessieren sich nicht für das Publikum. Sie haben ihr Geld schon, ganz gleich ob Gäste kommen oder nicht. Bevor sich der Vorhang zum ersten Mal öffnet, ist bereits alles bezahlt. Dahinter kann also problemlos Scheiße sein – und ist es meistens auch.
Im Severins-Bürg-Theater wurde klassisches und modernes Theater gegeben, zum Beispiel Shakespeares Tragödie „König Lear“.
Es wurde aber auch Verdis Oper „La Traviata“ in einer atemberaubenden Inszenierung von Burkhard Schmiester präsentiert.
Über „La Traviata“ schrieb Henryk M. Broder:
„Ich war im Severins-Burg-Theater und hab dort eine Aufführung von La Traviata gesehen – mit vier Schauspielern! Das ist so, als würde man Ben Hur mit ein paar Schaukelpferden inszenieren. Aber es war grandios! Witzig, trashig und musikalisch professionell, obwohl das “Orchester” nur aus einer Klavierspielerin bestand.“
Es war nicht immer leicht, innerhalb der ungerechten Konkurrenzsituation zu bestehen, ich musste eine Menge Dreck fressen, aber es glückte. Am 15. März 2010 berichtete Deutschlandradio Kultur:
„Gerd Buurmann ist Schauspieler, Autor, Regisseur, Entertainer, Sänger und bei Bedarf auch Barmann. Alles im Severins-Burg-Theater in Köln, in dem er mit 33 Jahren künstlerischer Leiter ist. In den letzten zwei Jahren hat er die kleine Bühne in einen angesagten Kulturort verwandelt.“
In der Zeit als freier Theaterleiter habe ich eine ausgeprägte Skepsis gegenüber der Behauptung entwickelt, Subventionen würden die Kultur unterstützen. Ich habe genau die gegenteilige Erfahrung gemacht.
In Konkurrenz mit subventionierten Theatern kommt es bei den freien Theatern zu einem enormen Preisdruck, an dessen Ende unterbezahlte Schauspielerinnen und Schauspieler stehen. Ich zum Beispiel war ein Theaterleiter mit zwei Nebenjobs.
Subventionen sind nicht die Lösung, sondern Teil des Problems.
Ein Autor, der nicht selten in subventionierten Theatern gespielt wird, ist Bertolt Brecht. Von ihm stammt dieser Kinderreim:
„Reicher Mann und armer Mann
Standen da und sahn sich an.
Und der Arme sagte bleich:
Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.“
Was denken subventionierte Theatermacher, wenn sie diesen Kinderreim lesen? Ist ihnen klar, dass das Geld, das sie als Subventionen bekommen, ein anderes Theater eben nicht bekommen kann, und dass ihre Eintrittsgelder nur deshalb so gering sein können, weil ihre Theater mit Steuergeldern aufgestockt werden und daher Theater ohne Subventionen mit diesen Kampfeintrittspreisen konkurrieren müssen und das Geld bei ihren Künstlern einsparen müssen? Es gibt nicht wenige Schauspieler die frei nach Bert Brecht zu manch einer Theaterleiterin sagen können: „Wärst Du nicht subventioniert, wär ich nicht so schlecht bezahlt!“
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Nachtrag: Ein zitierwürdiger Kommentar von Facebook: