Ein Nachruf von David Serebrjanik.
Der Name Walerija Nowodworskaja sagt in Deutschland nicht jedem etwas. Jedenfalls nicht so viel, wie Mikhail Chodorkowsky oder Anna Politkowskaja. Zu den gängigen Russland-Klischeebildern (Matrjoschka, Wodka, Perestroika, Putin, Nazdrowje) hat sie auch nicht viel beigetragen. Sie war eine stille und zugleich laute Kämpferin und wenn man nach einer Gestalt suchte, die Mut, Entschlossenheit, Freiheitsstreben und -sinn, Klugheit und Witz in sich vereint, so wäre die Gestalt Nowodworskajas die am besten Passende dafür.
Nun ist sie gestorben und der russische Zirkus geht weiter ohne sie, die sie zu jeder Zeit und bei jedem Regime in diesem Land ihre kritische, manchmal spöttische, manchmal bissig-ironische, aber immer freie und von nichts unterdrückte Stimme erhob.
Keinem politischen System in Russland war sie genehm und bequem. Kein politisches System in Russland hat es sich nehmen lassen, ihr Böses zuzugüfügen, in Form von Gefängnis, Zwangspsychiatrie, Mobbing, Berufsverbot.
Dissidentin, Menschenrechts-Verteidigerin, Freidenkerin und später auch Politikerin, in keine der russischen Schubladen und Systeme wollte und konnte sie sich einfügen.
Unbequem, vor allem unbequem war sie und geisselte und kritisierte das verbrecherische und menschenwürdewidrige Sowjetsystem, wie auch alle darauf folgende russischen Systemversuche zu jeder Zeit und so, wie sie es für richtig hielt. Bis zum Letzten ihrer Tage empörte und äusserte sie sich kritisch über die Staatsverbrechen und Rechtsbeugungen in Russland und gehört damit zu den Menschen, dank denen, wenn überhaupt, einiges besser, menschlicher und zivilisierter werden konnte in Russland.
Man könnte in ihrem Namen eine gewisse Symbolik sehen. Neuhof, so ist die ungefähre Übersetzung ihres Namens auf Deutsch. Wobei Hof im russischen (wie übrigens auch im Deutschen) nicht zwingend mit dem königlichen oder zarischen Hof assoziiert werden muss. Mit „Hof“ bezeichnet man vielmehr im Russischen auch „das Draussen“, auf der Strasse, im Freien. So kann man sie als ein Symbol und eine Hoffnung auf das neue Draussen, auf die neue Luft sehen. Dieses Neue ist aber nach wie vor in Russland nicht eingetreten. Stattdessen scheint das UDSSR-Nachkomme-Ungetüm sich immer weiter und mit immer grösseren Begeisterung in der alten Scheisse herumzuwühlen.
Menschen, wie Valeria Nowodworskaja braucht das Land!
Ruhen Sie in Frieden, freie Walerija Iljinitschna!
Walerija Iljinitschna Nowodworskaja (russisch Вале́рия Ильи́нична Новодво́рская; * 17. Mai 1950 in Baranawitschy, Weißrussische SSR; † 12. Juli 2014 in Moskau) war eine russische oppositionelle Politikerin, Publizistin und Menschenrechtlerin, die vor allem für ihre radikal-liberale und pro-US-amerikanische Ansichten und extrem scharfe Kritik der Regierung Putin bekannt wurde.
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(TINDS)