Und immer schießt nur Israel

Ein Gastbeitrag von Andreas Schwichtenberg.

Heute früh, beim morgendlichen Check der E-Mail, las ich auf der Homepage des Providers meines Vertrauens die Schlagzeile „Israel bombardiert Gazastreifen“. Der dazugehörigen Artikel ist wiederum überschrieben mit „Israel greift nach Beschuss wieder Ziel im Gazastreifen an“, was in etwa das Gegenteil ist.

Dem inhaltlich halbwegs ausgewogenen Artikel kann man dann entnehmen, dass Israel seit dem 26. August zum ersten Mal wieder einen Luftschlag durchgeführt hat, dieser eine Reaktion auf „den vorherigen Raketenbeschuss aus dem Küstengebiet“ war und dass es seit der Waffenruhe zwei weitere Angriffe auf Israel gegeben hat. Für diese Ecke der Welt also das Übliche:

A haut B.
A haut B nochmal.
A haut B wieder,
B haut zurück.

Wie kann man diesen Vorgang überschreiben mit „B haut A“?

Das macht stutzig. Wie berichten die anderen Medien darüber? Also noch schnell einen Kaffee geholt, damit man nach der Recherche, deren Ergebnis wir alle schon vorher wissen, etwas zum rauskotzen hat. Ich habe die Überschriften der Onlineausgaben der wichtigsten Nachrichtenanstalten mal gesammelt. Hier das Ergebnis:

Süddeutsche
„Israel fliegt Luftangriffe auf Gazastreifen“

Faz
„Israel fliegt wieder Luftangriffe auf Hamas“

taz
„Israel fliegt Angriffe auf Gazastreifen“

Die Welt
„Israel fliegt Luftangriffe gegen Hamas“

Die Zeit
„Israel fliegt Luftangriff auf Gazastreifen“

Berliner Zeitung
„Israel fliegt Angriffe auf Gaza“

ARD
„Israel fliegt Luftangriffe auf Gazastreifen“

ZDF
„Israel fliegt Luftangriff auf Gazastreifen“

Spiegel
„Israel bombardiert Ziele im Gaza-Streifen“

Focus
„Nach Raktenbeschuss
Israel fliegt neue Luftangriffe auf den Gazastreifen“

Insgesamt kann man feststellen, dass in allen Überschriften Israel nicht reagiert sondern agiert, obwohl jeder einzelne Artikel mitteilt, dass der Luftschlag eine Reaktion auf einen Angriff war. Lediglich der Focus erwähnt in der Überschrift einen Raketenbeschuss, wenn auch ohne Absender. In einigen der Texten scheint der Beschuss irgendwoher, vielleicht aus dem Himmel, zu kommen. In keinem Artikel findet sich eine deutliche Aussage, dass die Hamas oder, da sich die Hamas anscheinend nicht zu dem Angriff bekennt, „die Palästinenser“ die Waffenruhe gebrochen hätten.

Der Spiegel setzt noch einen drauf und beginnt mit den Worten: „Der Waffenstillstand hielt nur einige Monate.“ Dem weiteren Artikel kann man dann entnehmen, dass Israel mehrmals angegriffen wurde seit August, woraus man wohl schließen muss, dass für den Spiegel Granatenbeschuss auf Israel unter Waffenstillstand fällt.

Auch bei der FAZ, der TAZ und der Berliner Zeitung finden sich mehrere Angriffe seit Beginn des Waffenstillstands, dennoch wird auch dort Israel als Akteur dargestellt und die Angriffe nur nebenbei erwähnt.
Es fällt einem unwillkürlich die dümmste Überschrift seit Menschengedenken ein: „Weiter Raketen auf Israel, aber Waffenruhe hält vorerst“.

Es scheint unter deutschen Journalisten üblich zu sein, Angriffe auf Israel als irgendetwas zu werten, aber nicht als Bruch eines Waffenstillstands. Eine Waffenruhe brechen kann nur Israel. Krieg ist wenn Israel schießt, Frieden ist wenn Israel beschossen wird. Anscheinend setzt bei dem Thema im Verstand irgendein Logikmodul aus.

Wenn man nur den Inhalt destilliert, sind die Artikel wesentlich ausgewogener als die Überschriften erwarten lassen. In der Darstellung dagegen nicht. Beim ZDF beginnt der Text mit den Worten:

„Ein Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen hat den Nahost-Konflikt neu entfacht: Als Reaktion bombardierte Israels Armee eine Stellung der Hamas – erstmals seit dem Krieg im Sommer.“

Inhaltlich ist das treffend und das Gegenteil der Überschrift. Aber mit „erstmals seit dem Krieg im Sommer“ wird ganz subtil etwas anderes suggeriert. Andere Artikel nennen den Auslöser, den Beschuss Israels erst nach der Reaktion Israels und oft mit nur einem Satz, so dass ein flüchtiger Leser gar nicht mitbekommt wer zuerst geschossen hat. Es erscheint wie ein unbedeutendes Randdetail. Zudem werden die weiteren Angriffe entweder gar nicht oder als Nebensächlichkeit dargestellt. So schaffen es die Artikel, ihren Inhalt irgendwie ins Gegenteil zu verdrehen. Zusammen mit den Überschriften hat man nach dem Lesen das Gefühl, Israel habe die Gefechte begonnen, auch wenn in allen Artikeln inhaltlich das Gegenteil steht. Das ist die hohe Schule der Manipulation.

Es kann nicht mehr wundern, wenn auf deutschen Straßen nicht die Hamas, sondern Israel als Aggressor wahrgenommen wird.

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(TINANS)

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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