Endlich ist es soweit. Der Bau beginnt!
Zwischen dem Kölner Rathaus und dem Haus der Familie Farina, die das weltberühmte Eau de Cologne erfunden hat, befand sich über Jahrhunderte das Viertel der Juden, die bereits vor den Christen in Köln lebten und die Kultur Colonias entscheidend prägten. Nach langen Streitigkeiten hat endlich der Bau der Archäologischen Zone mit Jüdischem Museum begonnen. Der Archäologe Gary White erklärt:
„Hier ist die dynamische Geschichte der Stadt ablesbar – der Prozess, bei dem das vergangene in die lebendige Stadt integriert wird.“
In ein paar Monaten werden zwei Großbohrer anrücken und vierhundert bis zu dreißig Meter tiefe Löcher bohren, die mit Beton ausgegossen werden. Auf diesen Pfählen wird dann das Museum ruhen, das die Grabungen wie eine Brücke völlig stützenfrei überspannen wird.
Es hat gedauert, bis der Bau endlich beginnen konnte, weil ein sogenanntes „Bürgerbegehren zur Erhaltung des Rathausplatzes der Stadt Köln“ von vollkommen geschichtsvergessenen Kölnerinnen und Kölner Jahre lang mit folgender blödsinniger Behauptung gegen das Museum agitiert hatten:
„Der Rat der Stadt Köln hat beschlossen, über den Ausgrabungen auf dem Rathausplatz einen musealen Großbau zu errichten. Dieser wird mindestens 2/3 der bestehenden Fläche verschließen. Durch die geplante Bauhöhe von 15 Metern entsteht ein massives Gebäude. Der ursprüngliche Charakter des Rathausplatzes geht dadurch unwiederbringlich verloren. Der geplante Gebäudekomplex rückt unmittelbar an die Renaissancelaube heran, sodass “Ecke Unter Goldschmied / Portalsgasse” stehend, die Sicht auf das gesamte historische Rathaus verdeckt wird.“
Das Bürgerbegehren war eine einzige Falschaussage, ruhend auf der Behauptung, der Ort der Ausgrabung sei der Rathausplatz! Das ist er nicht. Nie gewesen! Der Rathausplatz ist der Vorplatz direkt vor der Rathauslaube und dem Bürgerturm, wie dieser Holzstich aus dem 18. Jahrhundert zeigt.
Der Stich wurde von dem Ort gemacht, den die Leute vom Bürgerbegehren für den Rathausplatz halten und wurde von oben blickend gemacht. Ja, wie ist das denn möglich, wird sich jetzt bestimmt der geneigte Unterzeichner des Bürgerbegehrens fragen. Konnte der Künstler etwa fliegen? Nein, Du Tünnes, der Künstler stand am Fenster. Da stand nämlich ein Gebäude!
Der vermeintliche Rathausplatz war nie ein Platz, sondern einer der ersten Orte Kölns, die bebaut wurden. Dieses Bild aus dem Jahr 1943 zeigt die Rathauslaube von der Portalsgasse aus. Was sieht man? Leck mich an der Fott, was steht denn da? Ein Haus! Wie kommt das denn da hin? Darf dat dat? Die Straße zwischen dem vermeintlichen Rathausplatz und dem Spanischen Bau heißt übrigens Portalsgasse. Am liebsten möchte ich in Richtung des Begründers des Bürgerbegehrens brüllen: „Eine Gasse ist eine enge Straße zwischen zwei Gebäuden, Du Aapekopp!“
Die Portalsgasse hat ihren Namen daher, dass man das Portal der wunderschönen Rathauslaube im Renaissancestil über die Jahrhunderte erst sah, wenn man in die Portalsgasse eingebogen war! Die Laube wurde in den Jahren 1569–1573 nach den Plänen des Baumeisters Wilhelm Vernukken aus Kalkar am Niederrhein gebaut. Sie wurde als Ersatz für die baufällig gewordene mittelalterliche Vorhalle des Saalbaues geschaffen. Der prächtige Neubau, bei dessen Planung sich Vernukken von dem Architekten und Bildhauer Cornelis Floris de Vriendt aus Antwerpen inspirieren ließ, diente nicht nur der Verschönerung der Westfassade des Rathauses sondern auch praktischem Zweck. Vom Obergeschoss aus verkündete der Rat seine Beschlüsse als sogenannte „Morgenansprachen“. Die Bürger standen auf dem Rathausplatz, der sich vor der Laube und dem Bürgerturm befand. Die Bürger, die der „Morgenansprache“ lauschten, sahen, wenn sie nach rechts schauten, keinen Platz, sonder Gebäude! Der ursprüngliche Charakter des vermeintlichen Platzes ist es somit nicht, ein Platz zu sein, sondern bebaut zu sein!
Die Rathauslaube ist mit Absicht so konzipiert, dass sie ihre Schönheit nur dann voll und ganz entfalten kann, wenn der Platz bebaut ist! Der Betrachter, der durch die engen, verwinkelten Gassen der Altstadt geht, soll erst mit dem Eintritt in die Portalsgasse das bewusst klein gehaltene und dennoch erhaben verzierte Portal des Rathauses entdecken. Durch den Zweiten Weltkrieg jedoch wurde dieser architektonische Sinn zerstört. Einige Jahrzehnte lang war die Rathauslaube schon vom Gülichplatz aus zu sehen. In dieser traurigen Zeit war der Zauber der Laube vollkommen verschwunden. Dies wird sich jetzt aber wieder ändern und ein Teil des Museums wird der jüdischen Geschichte Kölns gewidmet.
Das Judentum ist die älteste noch heute praktizierten Religion Kölns, nicht das Christentum. Als Köln den Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensium erhielt, gab es das Christentum mit dem Evangelium schlicht noch nicht. Der Evangelist Lukas schrieb sein Evangelium, da war Colonia schon über 30 Jahre alt. Bis ins Spätmittelalter stand das Rathaus an dem Ort, wo die Juden ihr Veedel hatten.
Juden haben die mit Abstand längste Tradition in Köln. Mittelalterliche Urkunden belegen, dass das „domus in quam cives conveniunt“, also das Haus, in dem die Bürger zusammen kommen, im „domus inter judeos sita“ gelegen ist, also im Judenviertel. Das Judentum prägte die Stadt bereits, als noch keine einzige christliche Kirche am Ort stand. Heute kann an dem Ort, wo das Museum entstehen soll, eine Mikwe besichtigt werden, die Kölner Juden bereits nutzten, als das Rathaus selbst noch nicht stand. Das jüdische Ritualbad wurde in einer Zeit gebaut, als noch nicht einmal der Grundstein zum Kölner Dom gelegt worden war. Bei dem Bauwerk dürfte es sich vermutlich um die älteste Mikwe nördlich der Alpen handeln. Diese Mikwe soll Teil des zu errichtenden Jüdischen Museum werden.
Das erste Mal wird eine jüdische Gemeinde in Köln urkundlich im Jahr 321 erwähnt. In dem Jahr hatte Köln gerade erst den ersten geschichtlich bezeugten Bischof: Maternus. In einer Urkunde von 341 ist vermerkt, dass die Synagoge in Köln mit kaiserlichen Privilegien ausgestattet wurde. Die Existenz einer Synagoge lässt davon ausgehen, dass zu dieser Zeit schon eine größere Gemeinde vorhanden war.
Dieser längsten Kölner Tradition wird jetzt endlich an dem Ort der Mikwe ein Jüdisches Museum gewidmet und zwar dort, wo jahrhundertelang das jüdische Veedel war, nämlich zwischen Portalsgasse und Judengasse. Judengasse, noch so ein Straßenname, bei dem es den Leuten vom Bürgerbegehren hätte heftig klingeln müssen!