Als ich die Super Bowl Begegnung des Jahres 2020 zwischen den San Francisco 49ers und den Kansas City Chiefs schaute, dachte ich lange Zeit, Kansas City läge in Kansas. Das stimmt zwar, denn Kansas City ist die drittgrößte Stadt in Kansas, allerdings gehören die Kansas City Chiefs weder zu Kansas City in Kansas, noch zu Kansas City in Oregon oder Kansas City in Tennessee, sondern zu der größten Stadt in Missouri, die sich genau an der Grenze zu Kansas befindet, nämlich Kansas City.
Im Norden Missouris befindet sich Iowa. Dort fand ein Tag nach dem Super Bowl Spiel, das die Chiefs mit 20:31 für sich entschieden, eine wichtige Vorwahl der Demokraten zur Präsidentschaftswahl statt. Als das ZDF Nachrichtenmagazin heute darüber berichtete, wurde folgende Karte eingeblendet.

Bei dem gelb unterlegten Staat handelt es sich nicht um Iowa, sondern um Colorado. Rechts davon ist Kansas und rechts davon Missouri. Über Missouri wiederum ist Iowa und somit richtig weit weg von Colorado, was das ZDF jedoch zu Iowa erklärte.
„Die Amis haben keine Kultur. Sie wissen noch nicht einmal wo Belgien liegt!“
Haben Sie diesen oder einen ähnlichen Ausspruch schon mal gehört? Bestimmt, denn er hat überall in Deutschland Konjunktur, dabei ist er nichts weiter als ein arrogantes Vorurteil.
Die Vereinigten Staten von Amerika haben mehr Medizinnobelpreisträger hervorgebracht als alle anderen Länder der Welt zusammen. Kein Land hat mehr Physiknobelpreisträger hervorgebracht als die USA und das Land hat sogar doppelt so viele Wirtschaftsnobelpreisträger als alle anderen Länder der Welt zusammen. Auch bei dem Friedensnobelpreis liegt die USA auf Platz 1. Nur bei dem Literaturnobelpreis befinden sich die USA hinter Frankreich und dem Vereinigten Königreich auf Platz 3. Wenigstens etwas. Die USA an der Spitze aller Rubriken, das könnte Europa nun wirklich nicht ertragen, denn schließlich sind die USA ja ohne Kultur und Bildung.
Je älter ich werde, je mehr staune ich über die menschliche Virtuosität im Erträumen, Erdichten und freien Erfinden von Zuständen und Verhältnissen, die nicht existieren. Ich staune über die unverfrorene Dreistigkeit im Ableugnen und Hinwegsehen, Tatsachen gegenüber, die offen vor aller Welt liegen. Dass die USA keine Kultur haben, gehört zu den Erlogenheiten, die überall in Deutschland Kurs haben. Und doch bedarf es hier nicht einmal eines tieferen Nachdenkens, ein flüchtiges Hineinblicken in unsere Gesellschaft genügt, um zu erkennen, dass im Großen und Ganzen die USA unsere Kultur beflügeln und bestimmen. Unsere Kinos werden von amerikanischen Filme bestimmt, in unserem Fernsehen sind amerikanische Serien die größten Erfolge und amerikanische Musik bestimmt unsere Moden und unser Trends. Ob Stand Up, Poetry Slam oder Open Mike, so gut wie jede deutsche Dichterin und jeder deutsche Denker, wurde von den USA beeinflusst und spricht die Sprache, in der die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika geschrieben wurde.
„Die Amis wissen nicht einmal, was die Hauptstadt von Dänemark ist oder wie der Präsident von Frankreich heißt.“
Mal ganz angesehen davon, dass ich nicht einmal mit Sicherheit sagen kann, ob die meisten Deutschen diese beiden Fragen beantworten können, offenbart diese Aussage nur die eigene Selbstherrlichkeit. Warum soll ein Amerikaner mit afrikanischer Herkunft die Hauptstadt von Deutschland kennen? Wissen denn die meisten Europäer, wie die Hauptstädte der Elfenbeinküste, Togo oder Nigeria heißen? Warum muss ein Amerikaner mit asiatischer Herkunft wissen, wie die deutsche Kanzlerin heißt? Kann denn jeder Deutsche den Namen des chinesischen Staatsoberhaupts nennen?
Die USA sind das kulturell vielfältigste Land der Welt. Nirgendwo sonst auf der Welt kommen die Menschen aller Kulturen so selbstverständlich zusammen und schaffen gemeinsam diese atemberaubende Multikultur, die zum Vorbild aller Kunstschaffenden weltweit wurde. Im 20. Jahrhundert revolutionierten die USA die Kultur mit Jazz, Blues und HipHop, mit Hollywood und Pop Art.
Die besten Universitäten der Welt liegen, nimmt man nun die Ergebnisse des QS World University Rankings oder des Shanghai Rankings, in den USA. Deutschland ist im oberen Bereich dieser Hochschulrankings gar nicht vertreten.
Wenn jemand in Europa sagt, die Amerikaner hätten keine Bildung, dann kritisiert er damit in Wirklichkeit nur jene Amerikaner, die die Frechheit besitzen, Europa nicht für den Mittelpunkt der Welt zu halten. Das aber ist pure Selbstüberschätzung und Selbstherrlichkeit. Interessanterweise sind Selbstüberschätzung und Selbstherrlichkeit genau die Eigenschaften, die den Amerikanern gerne von europäischer Seite attestiert werden.
Zwei Weltkriege erschütterten Europa. Sie konnten erst durch das Eingreifen Amerikas beendet werden. Deutschland stürzte die Welt im Zweiten Weltkrieg in eine bis dahin ungeahnte Katastrophe. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es Amerikaner, die Deutschen in sogenannten Amerika-Häusern Demokratie beibrachten. Wenn man all das weiß, wirkt die deutsche Arroganz gegenüber den USA mehr als nur befremdlich.

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