Lisa Eckhart und die Angst vor Gewalt

Die österreichische Kabarettistin Lisa Eckhart wurde von der Leitung des „Harbour Front Literaturfestival“ in Hamburg ausgeladen, da angeblich der Schutz des Publikums und der auftretenden Künstlerinnen und Künstler nicht gewährleistet werden konnte. Geplant war der Auftritt im „Nochtspeicher“, aber das Lokal hat erklärt, dass es bei einer Lesung der Künstlerin im „bekanntlich höchst linken Viertel“ zu Protesten kommen könnte und diese möglicherweise sogar „eskalieren“ könnten:

„Es ist unseres Erachtens sinnlos, eine Veranstaltung anzusetzen, bei der klar ist, dass sie gesprengt werden wird, und sogar Sach- und Personenschäden wahrscheinlich sind. Wir haben in den letzten Tagen bereits aus der Nachbarschaft gehört, dass sich der Protest schon formiert“

Gewalt als Mittel zur Unterdrückung von Worten und Kunst ist die Vorgehensweise von Faschisten.

Wenn die Angst vor einem Mob über die Ausübung von Grundrechten entscheidet, ist höchste Alarmbereitschaft angesagt. Ein Mob definiert sich durch Ausgrenzung. In so einem Klima werden Menschen mit anderen Meinungen schnell zu „Abweichlern“ und „Verrätern“ erklärt. Ein Mob debattiert nicht. Ein Mob skandiert.

„Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, ist die Rhetorik des Mobs und die Aufforderung zur Distanzierung ihr Mittel der Unterdrückung.

„Wehret den Anfängen“ brüllen die gerechten Putztruppen und meinen damit doch nur die Anfänge einer Zukunft, die sie aus ihrer eigenen Angst heraus konstruieren. Aus dieser Angst nehmen sie andere Menschen als Geisel ihrer Befürchtung. Diese Angst ist die Wurzel des totalitären Denkens. Sie ermöglicht Gewalt über Gedanken als Präventivschlag.

Lisa Eckhart wird Rassismus und Antisemitismus vorgeworfen. Sie ist aber keine Rassistin und Antisemitin. Sie ist eine Satirikerin in einer Welt voller Rassismus und Antisemitismus und sie versucht, in dieser Welt weder den Verstand, noch den Humor zu verlieren. Für Lisa Eckhart ist klar, dass sich der Wert des Menschen nicht anhand seines Aussehens, seiner Herkunft und seines Geschlechts bemessen lässt.

Was hat Lisa Eckhart also getan, um einen Mob gegen sich aufzubringen? Sie hat eine Kunstfigur erschaffen, die sich brutal ehrlich und entwaffnend direkt mit der Gesellschaft und ihren Normen und Werten auseinandersetzt und dabei mit sprachlicher Brillanz sowohl verstört, als auch irritiert, aber vor allem zum Lachen bringt. Man muss schon sehr böswillig sein, um bei ihr nicht die ironische Distanz zu erkennen.

Lisa Eckhart lässt sich politisch nicht vereinnahmen. Sie weigert sich, in linke oder rechte Schubladen einsortiert zu werden. Sie spottet in alle Richtungen. Der Mob aber lässt keine Kritik zu. Ein Mob hat kein Erbarmen. Ein Mob will nicht verstehen. Ein Mob will überrollen.

Der Mob erklärt, Worte seien Gewalt, nur um dadurch selbst tatsächliche physische Gewalt rechtfertigen zu können. Der Mob erklärt jeden Kritiker zu einer Gefahr, gegen den auch Gewalt angewendet werden darf. Es ist schließlich Notwehr. Gewalt wurde nun gegen Lisa Eckhart angewandt. Die Festivalleitung hat aus Angst vor Gewalt kapituliert. Sie hat vor Faschisten gekuscht.

Bei Humor hört der Spaß eben auf. Wenn jemand nicht den gleichen Sinn von Humor hat, ist er so unversöhnlich wie ein Mensch, der an einen anderen Gott glaubt. So wie ein Fundamentalist bemängelt, dass man nicht an den richtigen Gott glaubt, wirft einem ein Menschen mit einer unterschiedlichen Humorvorstellungen vor, einen schlechten oder gleich gar keinen Humor zu haben. Humor ist wie Religion ein Furz: Man glaubt, nur der des Anderen stinkt.

Jede Aussage hat verschiedene Interpretationsmöglichkeiten. Diese Möglichkeiten können sich sogar radikal voneinander unterscheiden. Es ist daher immer schwierig, Menschen danach zu beurteilen, wie man ihre Aussagen verstanden hat.

Lisa Eckhart wird nicht bedroht, weil sie Hetze betreibt, sondern weil ihr Hetze unterstellt wird.

Oder glaubt irgendwer wirklich, Lisa trägt privat nur T4-Shirts, schneidert sich im dunklen Keller ihre Kleider, summt dabei das Horst-Wessel-Lied und denkt darüber nach, wie sie am besten gegen Juden hetzen kann?

Lisa Eckhart ist eine Satirikerin und stets auf der Suche nach dem Witz, überall, auch dort wo es weh tun kann. Lachen ist Urlaub. Lachen hilft, mit Dingen fertig zu werden, die uns bedrücken und daran nicht zu verzweifeln.

Alles, was ein Satiriker sagt, ist der steten Suche nach dem Witz geschuldet, nicht der Suche nach einer universellen Wahrheit oder gar einer Ideologie. Ein Satiriker will, dass die Menschen lachen, über sich, über die eigenen Schwächen, aber auch über die eigenen schlechten Seiten. Manchmal ist ein Witz faul, aber das gehört dazu. Ein Ei muss erst aufgeschlagen werden, um sicher zu wissen, ob der Inhalt faul ist.

Es ist menschlich, Angst zu haben. Angst vor dem Fremden ist Teil unserer Überlebensstrategie. Humor gibt uns die Möglichkeit, mit unseren Ängsten in Berührung zu kommen und uns damit auseinanderzusetzen. Der Humor hilft, statt mit Zorn und Verachtung mit einem Lachen auf die eigenen Schwächen und schlechten Seiten zu reagieren. Es ist gut, wenn wir gemeinsam über unsere Schwächen lachen!

Man kann sich nach dem Lachen zwar schämen, gelacht zu haben, so wie man sich dafür schämt, in aller Öffentlichkeit eine Erektion bekommen zu haben, aber die Scham lässt die Erektion ebensowenig verschwinden wie das Lachen. Das Lachen lässt sich nicht unterdrücken. Man kann höchstens hinterher lügen und behaupten, das überhaupt nicht komisch gefunden zu haben, so wie andere Menschen ihre Sexualität verleugnen, aber das Lachen ist wie die Lust vom Willen entkoppelt.

Dem Humor freien Lauf zu lassen, ermöglicht dem Gegenüber einen tiefen Blick in die eigene Seele, vor allem in die unbewussten Flecken dieser Seele und jede Seele hat Flecken.

Humor ist gefährlich. Darum gehört der Witz auch stets zu den ersten Dingen, die Faschisten bekämpfen. Jetzt ist es wieder in Hamburg geschehen.

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Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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