„Damit beenden wir unsere Zusammenarbeit.“
Mit diesen Worten endet ein Brief des Hamburger Schmidt Theater an den Kabarettisten und Entertainer Kay Ray. Viele Jahre hatte Kay Ray an dem Theater gespielt, aber dann kam der Abend, an dem er diese Worte in seiner Late-Night sprach:
„Wir leben in einem Land, in dem Böhmermann beinahe in den Knast sollte und Helene Fischer mit Preisen überhäuft wird. Das gehört doch umgekehrt. Nein, eigentlich gehören beide in den Knast.
Gut, wie kann Herr Böhmermann auch schreiben, dass Erdogan eine Ziege fickt. Das geht natürlich nicht, vor allem nicht, wo wir genau wissen, dass alle Türken meine Mutter ficken. Was denn? Machen sie mal einen Türken wütend, dann sagt der: „Ich ficke Deine Mutter!“ Die große Frage lautet: Warum wollen die eigentlich alle meine Mutter ficken? Die ist noch gut in Schuss. Sie ist aber 84.
Nun ist meine Mutter ja meine Mutter. Ich bin wie sie. Deshalb hätte sie große Lust, sich von einer Horde Türken durchraspeln zu lassen. Sie hat aber keine Zeit. Sie sitzt auf dem Fernseher und guckt Sofa.
Ich hoffe, wir haben Muslime hier im Publikum. Das beweist: Ihr habt Humor und das ist mir eine große Freude. Bedenkt bitte: Wir dürfen in diesem Land über Euch, Euren Gott und Eure Religion lachen. Dafür bekommt Ihr auch unser Weihnachtsgeld.
Ich mache Witze über alle Religionen. Wie nennt man die Vagina eine Nonne? Christstollen!“
In einem Brief an Kay Ray erklärt das Schmidt Theater, aufgrund dieser Worte hätten sich einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Theaters derart beleidigt gefühlt, dass die Theaterleitung die Zusammenarbeit mit ihm beenden müsse, um sie kein weiteres Mal in eine Situation zu bringen, „in welcher sie sich während der Arbeitszeit belästigt und beleidigt fühlen.“
In einer Stellungnahme konkretisiert Kay Ray den Grund für die Beendigung der Zusammenarbeit:
„Eine Kündigung seitens des Schmidt Theaters aufgrund einer Beschwerde, nicht etwa des Publikums, sondern seitens junger Kellnerinnen und Kellner muslimischen Glaubens, ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der freien Kunst in diesem Land, es ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich seit langer Zeit tolerant gegenüber jedweder Religion auf St. Pauli äußern.“
Kay Ray macht Witze über alle Religionen, aber nur eine Religion kostete ihm den Job.
Kay Ray sagt über den Leiter des Schmidt Theater:
„Corny Littmann galt nie als angepasst. Er wurde zu Beginn seiner Karriere bewundert für seine Aktionen, die sich oft gegen die Zensur des Bayrischen Rundfunks richteten, der seine legendäre Schmidt Mitternachtsshow nicht live, sondern zeitversetzt am nächsten Tag sendete, um unerwünschte Passagen herausschneiden zu können.“
Anfang der 90er Jahre blendete sich der Bayrische Rundfunk aus einer Mitternachtsshow aus, als Corny Littmann ein Plakat der Deutschen Aidshilfe in die Kamera hielt. In der nächsten Show trug Littmann dieses Motiv auf seinem T-Shirt und erklärte, kokett in Kamera lächelnd: „Ich bin gespannt, wie der Bayrische Rundfunk jetzt den Moderator herausschneidet.“
Zu dieser legendären Aktion erklärt Kay Ray:
„Ein intellektueller Terrorakt wider der spießigen Moral und der Dauerempörung beleidigter Tugendwächter aus längst vergangenen Tagen.
Nach der gestrigen Mail an mich bezüglich beleidigter Mitarbeiter und der später hinzugekommenen Info, jene beleidigten Mitarbeiter seien muslimische Kellnerinnen und Kellner, die sich über meine „islamfeindlichen“ Witze beschwert haben, bin ich verunsichert.
Ich habe mich früher auf der Bühne des Theaters ausgezogen, ganz nackt. Ich habe lustige Tierfiguren mit meinem Penis gemacht. Was würden heute die muslimischen Kellner wohl dazu sagen? Vormals waren alle amüsiert, vom Kellner bis zur Putzfrau, egal welchen Geschlechts und welcher Religion und welcher Herkunft. Adieu liebes Schmidt Theater. Heute, ja heute bist Du der Bayerische Rundfunk.“
Heute ist das Schmidt Theater der Bayrische Rundfunk. Zudem ist das Schmidt Theater rassistisch.
Während das Schmidt Theater bei Christen oder Amerikanern allgemein davon ausgeht, dass hier die Mehrheit mit harscher Kritik und sogar mit Beleidigungen des eigenen Glaubens oder des eigenen Landes leben kann, tut es beim Islam und Türken so, als müsste aus Sorge um die Gefühle beleidigter Leberwürste hinter der Theke die beißende Freiheit des Spotts aufgegeben werden. Das jedoch ist die Logik der Fanatiker und Rassisten.
Wer Muslimen nicht das selbe zumuten will wie Christen, wer nach Einschränkungen der Meinungs- und Kunstfreiheit ruft, weil Araber angeblich nicht ertragen können, was Amerikaner selbstverständlich ertragen, wer in Türken nur Menschen erkennt, die gar nicht anders können, als beleidigt zu sein, wenn der Islam verarscht wird, wer einen Künstler, der Witze über alle Religionen macht, nur feuert, wenn er Witze über eine bestimmte Religion macht, ist ein Rassist.
Das Recht auf Spott ist ein Menschenrecht, vor allem, wenn sich der Hohn gegen Herrschende richtet.
Mit über 1,6 Milliarden Muslimen auf der Welt und mit diversen Ländern, die nach der Scharia leben, ist der Islam eine der mächtigsten Ideologien der Welt. Der Islam herrscht, auch in der Türkei. Diesen Herrscher mit beißendem Spott zu kritisieren, vor allem in Anbetracht der brutalen und unmenschlichen Verbrechen, die im Namen dieser Religion zum Teil von Staats wegen begangen werden, ist aufklärerische Pflicht. Kay Ray kommt dieser aufklärerischen Pflicht nach. Das Schmidt Theater jedoch stellt sich gegen diese Aufklärung.
In den letzten Jahren wurden Karikaturisten von fanatischen Muslimen ermordet, weil sie sich über den Islam lustig gemacht hatten. Komiker geraten in Lebensgefahr, wenn sie Witze über Mohamed machen. Einem Lehrer in Frankreich wurde der Kopf abgeschnitten, weil er in der Schule eine lustige Zeichnung von Mohamed gezeigt hatte, um damit das Prinzip der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen. Sein Name war Samuel Paty.
Menschen werden abgeschlachtet, weil sie Witze über den Islam machen. Kay Ray macht Witze über alle Religionen, aber nur Witze über eine bestimmte Religion bringen ihn in Lebensgefahr. Und was macht das Schmidt Theater? Es fällt seinem Künstler in den Rücken. Das ist an Feigheit kaum noch zu überbieten.
Der Islam verdient einen Mindesthohn! Kay Ray ist bereit, ihn zu zahlen. Das Schmidt Theater aber hofiert die beleidigten Tugendwächter.
Bevor Samuel Paty ermordet und geköpft wurde, weil er eine Zeichnung von Mohamed gezeigt hatte, waren viele Kolleginnen und Kollegen der Schule über ihn hergefallen. Sie hatten ihn kritisiert, weil er es gewagt hatte, den Islam zu kritisieren. Sie warfen dem Lehrer vor, den Islam beleidigt zu haben. Sie wollten nicht, dass sich Muslime durch den Lehrer belästigt und beleidigt fühlen. Jetzt ist der Lehrer tot. Ein beleidigter Tugendwächter hatte zum Messer gegriffen.

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