Erkennen Sie, was auf diesem Bild zu sehen ist?

Es ist ein Grabstein.
Am 16. Dezember war ich auf dem Südfriedhof in Köln, weil ich das Grab von Marie Juchacz besuchen wollte. Da ich nicht wusste, wo ihr Grab ist, ging ich zum Friedshofwärter-Häuschen.
Friedhofswärter: Wie kann ich Ihnen helfen?
Ich suche das Grab von Marie Juchacz.
Friedhofswärter: Wann ist sie gestorben?
Weiß ich nicht.
Friedhofswärter: Das muss ich aber schon wissen.
Moment, ich schau mal bei Wikipedia nach. 1959.
Friedhofswärter: Das ist aber lange her. Da müssen wir erst in die Bücher schauen.
Wie? Sie wissen nicht, wo das Grab von Marie Juchacz ist?
Friedhofswärter: Warum sollte ich?
Es ist Marie Juchasz!
Friedhofswärter: Ich kenne die Dame nicht.
Sie war die erste Frau, die eine Rede im deutschen Nationalparlament gehalten hat.
Friedhofswärter: Und was hab ich davon?
Sie hat nach dem Zweiten Weltkrieg Deutschland von den USA aus mit Hilfspaketen versorgt.
Friedhofswärter: Da hab ich nicht gelebt.
Sie hat die Arbeiterwohlfahrt gegründet.
Friedhofswärter: Kann sie ja meinetwegen gemacht haben.
Sie war Mitglied der SPD.
Friedhofswärter: Tot ist sie jetzt trotzdem, wie alle anderen hier.
Sie hat ein Ehrengrab, steht hier.
Friedhofswärter: Wo?
Hier auf dem Südfriedhof.
Friedhofswärter: Wo das steht, meine ich.
Bei Wikipedia.
Friedhofswärter: Ich hab noch nie was von der gehört.
Warten Sie mal, hier steht auch, wo ihr Grab ist.
Friedhofswärter: Wo denn?
Flur 65 Nr. 307
Daraufhin kramte der Friedhofswärter einen Friedhofsplan hervor und zeigte mir den Weg.
Als ich im Flur 65 angekommen war, brauchte ich einige Zeit, bis ich das Grab von Marie Juchacz gefunden hatte, da auf dem Grabstein der Name so gut wie nicht zu erkennen ist. Dafür ist der Name der Schwester von Marie Juchacz zu erkennen: Elisabeth Kirschmann.

Auf dem Grab lag ein Kranz der Stadt Köln. Wenigstens etwas.
„Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Juchacz.“
Mit diesen Worten kündigte der Präsident der Weimarer Nationalversammlung am elften Sitzungstag des neugewählten Parlaments, der am 19. Februar 1919 stattfand, den ersten Redebeitrag einer Frau vor einem demokratisch gewählten nationalen Parlament in Deutschland.
Im Jahr 1918 wurde in Deutschland die Demokratie eingeführt. Davor gab es in Deutschland keine Demokratie. Von einer Demokratie kann schließlich nicht gesprochen werden, wenn über der Hälfte des Volkes das Wahlrecht verweigert wird. In ihrer ersten Rede erklärte Marie Juchacz:
„Ich möchte hier feststellen und glaube damit im Einverständnis vieler zu sprechen, dass wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“
Allein für diese Worte verdient es Marie Juchacz erinnert zu werden.
Der Kampf um die Gleichberechtigung der Geschlechter ist eine der größten Revolutionen, die die Menschheit je erlebt hat. Es ist eine Revolution, die es ermöglicht hat, dass die ganze Bevölkerung befreit wurde. Die Frauen, die für dieses Recht gekämpft haben, sind Heldinnen, die nicht selten staatlicher Repression und sogar politischer Verfolgung ausgesetzt waren. Marie Juchacz ist so eine Heldin. Warum kennt kaum jemand ihren Namen? Warum weiß der Friedhofswärter auf dem Kölner Südfriedhof nicht, wo das Ehrengrab dieser Heldin ist? Warum ist der Name dieser Heldin auf dem Grab kaum zu lesen?

Es ist wichtig, dass die großen Frauen der Geschichte sichtbar gemacht werden. Die deutsche Schriftstellerin Hedwig Dohm sagte einst:
„Mehr Stolz, Ihr Frauen! Der Stolze kann missfallen, aber man verachtet ihn nicht. Nur auf den Nacken, der sich beugt, tritt der Fuß des vermeintlichen Herrn.“
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