Der Begriff „systemrelevant“ gehört zu den vielen verbalen Entgleisungen der Corona-Ära. Die Taten, zu denen sich Menschen berufen fühlen, sollten niemals in ihrer wie auch immer ermittelten Wertigkeit hierarchisch aufgelistet werden.
Was sind überhaupt systemrelevante Berufe? Sind nur Berufe, die die Nahrung und das pure Überleben sichern, systemrelevant?
Essen, trinken und atmen, all das machen sämtliche Tiere auch. Wenn es etwas gibt, das uns Menschen im Wesen ausmacht, dann ist es unsere Fähigkeit, Kunst und Kultur zu erschaffen. Die Begabung, Geschichten zu erzählen und Bilder zu ersinnen, zeichnet uns als Menschen aus. Die Gabe zur künstlerischen Schaffenskraft macht uns menschlich. Kultur ist kein Bonus der Menschheit, sie ist die Menschheit.
Es gibt keine irrelevanten Menschen. Das Leben eines jeden Menschen hat Relevanz!
Die Menschheit ist kein geordnetes System, sondern ein wunderbar chaotischer Haufen voller Fehler und Gefahren. Der Mensch ist frei! Genau diese Freiheit wird in totalitären Systemen erstickt. Dort herrscht dann die brutale Logik der unterschiedlichen Relevanz von Menschen.
Faschistische Systeme argumentieren stets mit der vermeintlichen (Volks-)Gesundheit. Sie haben kein Problem damit, zum Wohle der Gesundheit Menschen auszugrenzen, natürlich immer mit der festen Überzeugung, dass das alles nur zum Besten der Gemeinschaft geschieht.
Ein totalitäres Land schafft es besser, einem Virus Einhalt zu gebieten, als ein freies Land. Lockdowns, Ausgangssperren und Quarantänelager lassen sich in totalitären Regimen viel leichter umsetzen. Sollen wir uns daher an totalitären Regime ein Beispiel nehmen? Ist der Erfolg zur Bekämpfung eines Virus etwa der neue Maßstab für Freiheitsrechte?
Von allen bisherigen Regierungsformen in Deutschland, hat das Deutschland mit dem Grundgesetz, die mit Abstand schlechtesten Strukturen, um Einschränkungen in persönliche Freiheitsrechte durchzusetzen. Dennoch ist von allen bisherigen deutschen Regimen das Deutschland mit dem Grundgesetz das schönste aller Deutschländer.
Mit Blick auf unser Grundgesetz habe ich daher ein paar Fragen: Welche Maßnahmen sind wir nicht mehr bereit zu tragen? Wo ist unsere Grenze? Wo trumpfen die Gesundheit, das Leben und die Sicherheit nicht die Freiheit?
Auf meiner persönlichen Prioritätenliste steht Freiheit ganz oben. Ich kann verstehen, wenn es Menschen anders sehen, aber wenn ich mich zwischen Freiheit und Sicherheit entscheiden muss, bin ich ein Verbündeter der Freiheit.
In totalitären Systemen aber steht die Sicherheit über Freiheit und jeder, der das anders sieht, wird kritisch beäugt, als Gefahr diffamiert und nicht selten zensiert. Wer Menschen ausgrenzen will, muss sie als irrelevant erklären. Wer irrelevant ist, kann weg.
Irrelevante Personen können deutlich leichter ausgrenzt werden. Es kann ihnen sogar leichter Gewalt angetan werden, sobald die relevanten Menschen nur glauben, die irrelevanten Menschen wären eine Gefahr für ihr relevantes Leben. Wenn Menschen in ihrem irrelevanten Naturzustand eine Gefahr für das System darstellen, bekommt die Gewalt eine besondere Relevanz.
Ist das relevant oder kann das weg?
Kunst ist nicht systemrelevant. Deshalb gedeiht sie so schlecht in Diktaturen.
Kunst ist Freiheit. Sie zersetzt Gewissheiten, pflanzt aber auch Hoffnungen. Kunst lässt sich nicht erklären und sezieren. Sie lässt sich nur erleben. Kunst lässt staunen, lachen, weinen, zweifeln, glauben, träumen. Kunst lässt Raum zum Scheitern und Fallen, bietet aber auch unendlich viel Geborgenheit. Kunst ist so unendlich viel, aber nicht systemrelevant, es sei denn, sie ist Propaganda. Kunst ist nicht sicher, außer wenn sie langweilig ist.
Für die Freiheit sind in der Geschichte der Menschheit Millionen Menschen gestorben. Ich fürchte mich vor einer Zeit, in der aus Angst vor der Unsicherheit und Zerbrechlichkeit der menschlichen Existenz das hohe Gut der Freiheit einem wie auch immer organisierten System geopfert wird. Ein solches Opfer bin ich nicht bereit zu geben.

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