Kein Bier für die ZDF heute-show

Am 11. November 2022 um 22:57 Uhr schrieb die Redaktion der ZDF heute-show auf Twitter:

„Dank Elon Musk darf jetzt wieder jeder alles sagen auf Twitter! Totale Meinungsfreiheit.“

Dazu veröffentlichten die Witzbolde der ZDF heute-show eine Fotocollage, auf der Elon Musk zu sehen ist, wie er bei einer nationalsozialistischen Großveranstaltung vor Nazifahnen steht, auf denen allerdings das schwarze Hakenkreuz im weißen Kreis durch den Twittervogel ersetzt wurde.

Mit diesem Bild zeigt die Redaktion der öffentlich-rechtlichen Satiresendung ihr brutales Unwissen über die Geschichte der Nationalsozialismus.

Das Problem in der Zeit des Nationalsozialismus war nicht so sehr der Umstand, dass „Der Stürmer“ zu erwerben war, sondern viel mehr die Tatsache, dass sich die Nationalsozialisten zunächst die persönliche und nach der Machtübernahme auch die staatliche Gewalt nahmen, andere Meinungen und Zeitungen zu verbieten, die ohne Probleme die Ideologie der NSDAP hätten entlarven können.

Die Nationalsozialisten nutzen nicht die Meinungsfreiheit, um an die Macht zu kommen, sondern sie nutzten ihre Macht, um die Meinungsfreiheit zu attackieren.

Nichts fürchten jene, die Unrecht haben, mehr als die Meinungsfreiheit! Darum erklärten auch die Nationalsozialisten in ihrem 25-Punkte-Program unter Punkt 23:

„Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen die bewußte politische Lüge und ihre Verbreitung durch die Presse. Um die Schaffung einer deutschen Presse zu ermöglichen, fordern wir, Zeitungen, die gegen das Gemeinwohl verstoßen, sind zu verbieten. Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen eine Kunst- und Literaturrichtung, die einen zersetzenden Einfluß auf unser Volksleben ausübt und die Schließung von Veranstaltungen, die gegen vorstehende Forderungen verstoßen.“

Aufgrund des „Gemeinwohls“, Meinungen kriminalisieren, Veranstaltungen schließen, Bücher verbieten und Zeitungen abschaffen. Das ist die Gedankenwelt der Nazis. Diese Gedankenwelt führte dazu, dass die Nazis in widerlichen Spektakeln öffentlich Bücher verbrannten. Internetseiten zu löschen, im Glauben, man würde dadurch etwas verhindern, ist so produktiv, wie Bücher zu verbrennen.

Stellen Sie sich einfach mal vor, Sie sehen in eine Kneipe einen Mann mit einem Hakenkreuz am Revers. Sie würden denken: „Oh, ein Nazi, dem gebe ich kein Bier aus.“ Jetzt stellen Sie sich aber mal vor, er trüge dieses Hakenkreuz nicht, weil es verboten wäre. Sie würden sich vielleicht hinsetzen, sich vorstellen und er würde Sie nicht mit „Heil Hitler“ begrüßen, weil das unter Hassrede fällt. Sie würden ein wenig plaudern, dabei das ein oder andere Bier trinken, vielleicht sogar ein Bier ausgeben, bis das Gespräch auf ein Thema fällt, bei dem Sie plötzlich merken: „Scheiße, ein Nazi!“ Dann aber ist es zu spät. Sie haben ihm bereits ein Bier ausgegeben. Alles nur, weil ein Verbot des Hakenkreuzes und des Sagens von „Heil Hitler“ Sie daran gehindert hat, den Mann sofort als das zu erkennen, was er ist. Ich möchte wissen, wie jemand drauf ist, bevor er zur Tat schreitet.

Meinungsfreiheit ist ein präventiver Schutzmechanismus. Nur durch die Artikulation der Gedanken lerne ich das Innere eines Menschen kennen und kann so rechtzeitig entscheiden, ob ich mich vor ihm schützen sollte oder von ihm lernen kann. Meinungsfreiheit nutzt dem Gehassten immer mehr als dem Hassenden.

Deshalb gibt es in Deutschland mit dem Artikel 5 des Grundgesetz’ ein Grundrecht, das die Meinungsfreiheit garantiert. Diese Freiheit wird nur in ganz wenigen Ausnahmefällen eingeschränkt, wie zum Beispiel im Falle von Beleidigungen oder bei Volksverhetzung. Im §130 StGB steht, was eine strafbare Volksverhetzung ist. Im Absatz 3 steht:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“

Ich bin kein Jurist, aber für mich ist der Vergleich von Twitter und Elon Musk mit dem Nationalsozialismus durchaus etwas, das ich als Verharmlosung bezeichnen würde. Allerdings bin ich ein radikaler Verfechter der Meinungsfreiheit und daher soll die ZDF heute-show meinetwegen machen, was sie will. Sollen andere darüber richten, ob hier im Namen des ZDF der Nationalsozialismus verharmlost wurde. Ich habe dazu nur eins zu sagen:

„Ein Bier werde ich der Redaktion der ZDF heute-show jedenfalls nicht mehr ausgeben.“

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Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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4 Antworten zu Kein Bier für die ZDF heute-show

  1. Pingback: Schaschlik | abseits vom mainstream - heplev

  2. Johannes Schumann schreibt:

    Also beim Spiegel gelten ganz andere „Grenzen des Sagbaren“:

    „Wenn in Israel eine rechtsradikale Regierung an die Macht kommt, droht eine neue Welle des Antisemitismus – gegen Juden in Europa und Deutschland.“

    https://www.spiegel.de/ausland/israel-eine-neue-rechte-regierung-wird-eine-welle-des-antisemitismus-ausloesen-a-e2388318-3c2b-46c4-a0f6-c7a253164b17

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  3. Dante schreibt:

    Die Nationalsozialisten nutzen nicht die Meinungsfreiheit, um an die Macht zu kommen, sondern sie nutzten ihre Macht, um die Meinungsfreiheit zu attackieren.

    Die Alternative ist falsch. Warum sollte nicht jemand über eine Treppe irgendwo hochsteigen und genau diese Treppe von oben zerstören können?
    Damit behaupte ich allerdings auch nicht, dass die Nazis die Meinungsfreiheit nutzten, um an die Macht zu gelangen. Sie wurden ja nicht von ganz normalen Bürgern dafür gewählt, einen mörderischen Krieg beginnen und einen Völkermord begehen zu wollen, sondern, weil man sich von ihnen die Besserung der Lebensverhältnisse versprach und die Folgen des Versailler Diktats loswerden wollte. Eine eingeschränkte Meinungsfreiheit hätte sie womöglich auch nicht groß aufgehalten.

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  4. Konrad Fuhrmann schreibt:

    Ich bin kein Jurist, habe aber zunehmend das Gefühl, daß ein von Politik und Gerichten immer weiter gefaßter § 130 („Volksverhetzung“) den die Meinungsfreiheit garantierenden Artikel 5 GG langsam aber sicher völlig aushöhlt. Ich sehe diesen Paragraphen in seiner heutigen Form insgesamt als problematisch an, da er zum einen die Strafwürdigkeit einer Meinungsäußerung von der Reaktion der Betroffenen (oder sich für betroffen Erklärenden) abhängig macht: „geeignet …, den öffentlichen Frieden zu stören“. Wer stört den Frieden – derjenige, der eine Meinung äußert, oder die Meute derer, die mit Gewalt darauf reagieren? Eine solche Formel begünstigt Extremisten, die mit ihren Reaktionen bestimmte Meinungen zu kriminalisieren vermögen. Zum anderen erscheint mir die Aufzählung der laut § 130 von Art. 5 GG nicht geschützten Meinungen recht willkürlich zu sein. Während Rasse und ethnische Herkunft Gruppen bilden, denen niemand entkommen kann, deren besonderer Schutz vor negativen Meinungen sich daher begründen läßt, trifft dies auf die Religion gerade nicht zu. Religiöse Gruppen vor kritischen Meinungen zu schützen läuft auf das Verbot von Religionskritik hinaus und stellt somit einen eklatanten, antiaufklärerischen Eingriff in die Meinungsfreiheit dar. Was ist mit (nicht weiter definierten) „Teilen der Bevölkerung“ gemeint, gegen die sich laut Gesetzestext Meinungen insgesamt nicht richten dürfen? Sind Faschisten, Stalinisten usw. keine Teile der Bevölkerung, darf ich sie daher nicht kritisieren? Der Paragraph hebt Aussagen zur „nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft“ als besonders strafwürdig hervor. Was ist mit der Verherrlichung anderer Formen der Gewalt- und Willkürherrschaft? Die von Gerd Buurman aufgelisteten absurden Eingriffe in die Meinungsfreiheit in der täglichen Praxis haben ihren Ursprung in diesen Formulierungen, die einer dringenden Überarbeitung bedürfen, da sie sonst als Einfallstor willkürlicher Einschränkungen der Meinungsfreiheit wirken.

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