Den Vormündern laufen die Muslime weg

Es gibt da ein typisches sozialdemokratisches Bedürfnis, hilfsbedürftige Mündel zu haben, um an ihnen als Vormund das eigene Profil zu schärfen. Traditionionell waren diese Mündel die Arbeiter, aber schnell fanden sich noch andere Gruppen: Frauen, Arme, Kranke, Schwarze und natürlich Muslime.

So verständlich und notwendig Hilfsbereitschaft ist, Hilfe, die nicht auf Selbsthilfe abzielt, schafft neue Abhängigkeit. Hilfe, die keine neue Abhängigkeit schaffen möchte, muss sich in die Tradition des großen Denkers Immanuel Kants stellen, der die Aufklärung einst wie folgt beschrieb:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.“

Die Unmündigkeit ist immer selbst verschuldet. Wäre die Unmündigkeit fremd verschuldet, so hätte das Individuum keine Möglichkeit, sich selbstbestimmt aus seiner misslichen Lage zu befreien und bräuchte stattdessen einen Führer. Ein freier Mensch braucht aber keinen Führer, der den vermeintlichen Weg in die Freiheit pflastert. Niemals kann der Drang nach Freiheit erstickt werden.

Genau dieser Drang nach Freiheit wird vermutlich auch den Vizevorsitzenden der Alevitische Gemeinde Deutschland, Ali Ertan Toprak, beflügelt haben, als er folgendes Urteil fällte: „Es ärgert mich, dass SPD und Grüne immer meinen, sie müssten in unserem Namen sprechen.“

Ali Ertan Toprak bezieht sich mit dieser Aussage auf die einiger SPD-Abgeordneten, die schon reflexartig den Boykott der Islamkonferenz fordern, nur weil der Vorsitzende der Konferenz, der Innenminister Hans-Peter Friedrich, eine stärke Zusammenarbeit von muslimischen Organisationen mit deutschen Untersuchungsbehörden forderte, um wirksam gegen den immer wieder auftretenden Terrorismus innerhalb islamistischer Einrichtungen vorgehen zu können.

Die Integrationsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Aydan Özoguz, fordert daraufhin: „Die Muslime sollten nicht mehr an der Islamkonferenz teilnehmen, bis ein anderer die Leitung übernimmt“, und weiter: „Stattdessen gibt er sich spaltend (…) Er macht so viel von dem kaputt, was andere seit Jahren für eine gelingende Integration aufgebaut haben.“

Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) erklärt: „Die Struktur der Islamkonferenz muss überdacht werden (…) Man darf nicht Sicherheitsfragen mit religiösen Fragen vermischen. Das Attentat von Frankfurt und die Islamkonferenz haben nichts miteinander zu tun. Das ist nicht sachgemäß.“

Ali Ertan Toprak, selbst ein Mitglied der Grünen, sagt dazu: Ich habe das bei weitem nicht als so dramatisch und schon gar nicht als Eklat empfunden. Es ist sehr bedauerlich, dass die Arbeit der Konferenz durch die Konfrontation überschattet wird.“ Zum Boykott-Aufruf sagt er nur  „Das ist Blödsinn und dient nicht der Sache.“

Über 120 Gemeinden werden von der Alevitische Gemeinde Deutschland vertreten. Diese Muslime weigern sich, die Rolle der hilfsbedürftigen Mündel zu spielen. Sie lehnen die Rolle der notorisch beleidigten Leberwurst ab. Ihnen sind deutliche, aber ehrliche Worte weitaus lieber als die erniedrigenden Verhätschelungen selbsternannter Vormünder.

Der Wunsch nach Freiheit und Gerechtigkeit ist Motor eines jedes vernunftbegabten Menschen. Die Zeit der Entschuldigungen für anti-moderne und anti-aufklärerische Strömungen ist vorbei!

So muslimisch, christlich, jüdisch, weiblich, männlich, schwarz, weiß, rot, grün, schwul, arm, krank und ausgebeutet kann ein Mensch gar nicht sein, als dass es Terrorismus rechtfertigt.

Wer zum Terroristen wird und damit der Aufklärung und der Moderne abschwört, tut dies nur aus einem einzigen Grund: Weil er es will!

Ali Ertan Toprak und Hans-Peter Friedrich haben in der Islamkonferenz den freien Willen verteidigt. Da soll noch mal einer sagen, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Der Islam Topraks gehört ganz gewiss zu Deutschland. Er gehört zu Deutschland wie Immanuel Kant und Döner.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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