„Wir pilgern mit Martin Luther: Auf nach Rom! Die Papstsau Franz umbringen. Reformation ist geil!“
„Kirche sucht moderne Werbeideen. Ich helfe. Unser Lieblingskünstler: Jesus – 2000 Jahre rumhängen und immer noch kein Krampf!“
„Christliche Eltern! Wenn dieser schreiende Bettnässer Euch auch noch verflucht, sollt Ihr ihn lynchen! Jesus will es! Nach Matthäus 15,4. Macht ein neues Kind!“
Solche Sprüche klebt der pensionierte Mathelehrer Albert Voß auf die Heckscheibe seines Autos. Am 25. Februar 2016 wurde er deswegen vom Amtsgericht in Lüdinghausen verwarnt, wegen Gotteslästerung. Er muss eine Geldbuße von 500 Euro zahlen. Die Staatsanwaltschaft hatte sogar eine Geldstrafe von 3000 Euro gefordert. Die Richerin urteilte: „Das ist eine öffentliche Beschimpfung der christlichen Kirche“ und entschied, dass daher die auf die Heckscheibe geklebten Sprüche nicht von der Kunstfreiheit gedeckt seien.
Im Februar 2006 hatte das Amtsgericht Lüdinghausen schon mal ein über die Grenzen der Provinz hinaus bekanntes Urteil gefällt. Ein Mann war zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt worden, weil er die Worte „Koran, der heilige Koran“ auf Toilettenpapier gestempelt hatte und diese Druckerzeugnisse dann an mehrere Fernsehsender, Moscheen und islamische Kulturvereine verschickt hatte.
So sieht es aus, nicht nur im Iran und in Saudi-Arabien maßen sich weltliche Gerichte an, Gott zu vertreten und sein Lästern zu ahnden, nein, auch in Deutschland wird diese Tradition gepflegt. Der sogenannte Gotteslästerungsparagraf besagt:
„Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Egal ob es einen Gott gibt oder nicht, §166 StGB ist ein Skandal. Gibt es Gott, ist §166 pure Gotteslästerung. Ein Gott nämlich, der das deutsche Strafgesetz braucht, um seine Macht zu manifestieren, ist ein armseliger Gott. Gott braucht kein Amtsgericht in Lüdinghausen! Gibt es keinen Gott, so erklärt §166 widerum, dass es untersagt ist, unsichtbare Freunde zu beleidigen. Mein Freund Harvey spitzt da direkt die Ohren!
§166 StGB lädt notorisch beleidigte Leberwürste geradezu ein, eine Störung der öffentlichen Ruhe herbeizuführen. Was immer Fundamentalisten jedoch glauben machen möchten, Worte, Bilder, Kunstwerke und Zeichnungen vermögen es nicht, Religionsausübungen zu stören. Religiöse Menschen müssen harsche Kritik, Spott und Polemik ebenso ertragen können wie Politikerinnen, Schauspieler, Köche, Lehrerinnen und alle anderen Menschen. Warum genießen gläubige Menschen einen besonderen Schutz, kritische Menschen jedoch nicht? Albert Voß hat recht:
„Gotteslästerung ist für mich ein Menschenrecht, das muss sein, damit man alles diskutieren kann. Also Gotteslästerung so verstanden, dass man in der Gesellschaft offen über alles reden kann.“