Chaya Tal, Jüdin und Friedenshindernis

Ich bin schon oft mit Judenhass in Berührung gekommen, nicht selten in Form von Hassmails, die mir seit Jahren zugeschickt werden, dass aber mal vor meinen Augen eine gute Freundin fertig gemacht wird, einzig und allein weil sie Jüdin ist, das hätte ich nie gedacht. Dann aber kam Jennifer Bligh.

Für das Magazin Bento hat Jennifer Bligh einen Artikel verfasst, der einen erschreckend offenen Judenhass zur Schau stellt. Jennifer Bligh darf sich rühmen, mit diesem Artikel das selbstgerechteste Urteil über einen Juden gefällt zu haben, seit Shakespeares Portia. Schon der erste Satz zeigt, wie die Autorin tickt:

„Chaya Tal, 24, behindert mit ihrem Wohnort den Friedensprozess.“

Chaya Tal ist eine gute Freundin von mir. Sie wurde in Russland geboren, wuchs jedoch in Deutschland auf. Sie selber beschreibt sich wie folgt:

„Durchs Leben wurde ich gebracht von meiner “jiddischen Mamme”. Geprägt wurde ich vor Allem von schwedischen Kindermärchen, deutscher Nachkriegsliteratur, hebräischer Sprache, israelischen Liedern, jemenitischer Geschichte und dem jüdischen Religionsgesetz. Ich habe eine besondere Liebe zum Schreiben, zu Katzen, Musik, Wandern, Politik, Couchsurfing, Reparaturarbeiten, Sauberkeit und elektrischen Werkzeugen.“

Das klingt wirklich wie ein böses jüdisches Weib, das allein durch seine Existenz den Frieden bedroht.

Ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie Chaya regiert hat, als ihr vorgeworfen wurde, sie sei ein Friedenshindernis. Sie wird gelacht haben. Sie tat es auch. Dieses Lachen war für Jennifer Bligh jedoch ein Anlass, Chaya zu diffamieren und das Lachen als „unschön“ zu bezeichnen. Für Judenhasser lachen Juden immer „unschön“.

„Chaya lacht unschön auf. „Ich soll ein Friedenshindernis sein?“ Die meisten Siedler seien doch überhaupt nicht militant, einzelne Gruppen würden einfach nur herausgenommen und falsch dargestellt. Was sie dabei ignoriert: Es geht gar nicht darum, wie manche Siedler sich verhalten. Sie alle, egal ob freundlich oder militant, verstoßen mit ihren Siedlungen gegen internationales Recht.“

Was Jennifer Bligh hier ignoriert: Chaya verstößt nur aufgrund einer Sache gegen das sogenannte „internationale Recht“, weil sie Jüdin ist und es wagt, im Westjordanland zu leben. „Westjordanland“, so nennt Jennifer Bligh den Ort. Ich nenne das Gebiet jedoch so, wie es schon seit Jahrhunderten heißt: Judäa und Samaria.

Judäa und Samaria gehörten einst zu Jordanien, dem Land, das sich zu über 80 Prozent auf palästinensischen Boden befindet und wo im Gegensatz zu Israel Palästinenser nicht die volle Staatsbürgerschaft besitzen. Davor wurde das Gebiet vom Völkerbund verwaltet. Davor gehörten Judäa und Samaria zum Osmanischen Reich, davor zum Römischen Reich und davor, wie das Wort „Judäa“ schon vermuten lässt, zu einem Jüdischen Reich. Das jüdische Volk ist das älteste noch heute existierende Volk im Nahen Osten. Juden sind die Ureinwohner des Nahen Ostens!

Heute gehören die Gebiete Judäa und Samaria zu keinem Staat. Es ist ein umstrittenes Gebiet. Dennoch siedeln dort Menschen: Araber, Juden, Israelis, Staatenlose. Manche siedeln in Häusern, andere in Zelten. Chaya ist somit eine Siedlerin unter vielen. Sie ist jedoch Jüdin und für Menschen wie Jennifer Bligh sind Siedler illegal, wenn sie jüdisch sind. Gegen arabische Siedler hat sie nichts! Damit haben wir das Hauptproblem direkt vor uns:

Als „illegal“ werden nur die Siedler bezeichnet, die Juden sind! Das Problem, das viele Menschen mit diesen Siedlern haben, ist ihr Jüdischsein!

Die radikale Hamas erklärt in ihrer Gründungscharta die Vernichtung aller Juden zur Pflicht aller Muslime! Auch die Fatah ist von dieser Pflicht überzeugt. Am Tag der 47-Jahr-Feier der Fatah bekräftigte Mufti Muhammad Hussein, der von Mahmud Abbas persönlich zum “geistigen Führer der palästinensischen Autonomie” ernannt wurde, die These, dass es Frieden nur bei der Vernichtung aller Juden geben könne. Wer jedoch glaubt und fordert, dass Juden verschwinden müssen, kann niemals Frieden mit Juden schließen. Wer brüllt “Juden raus aus meinem Land, meiner Stadt, meiner Nachbarschaft“, will keinen Frieden mit Juden, sondern einen Frieden von Juden.

Jennifer Bligh wünscht sich einen Frieden von Juden, so wie er im Jahre 2005 in Gaza exekutiert wurde. Im Jahr 2005 wurde der Gazastreifen der palästinensischen Verwaltung übergeben. Daraufhin wurden alle Juden innerhalb weniger Tage aus dem Gazastreifen vertrieben. Am Morgen des 12. September verließen die letzten Juden das Gebiet über den Grenzübergang Kissufim. Der Abzug wurde von Arabern teils frenetisch mit Freudenschüssen und Autokorsos gefeiert. Die verlassenen Synagogen wurden in Brand gesteckt. Es kam zu einer wahren “Gazakristallnacht”. Gaza schloss einen Frieden von Juden, aber nicht mit Juden. Deshalb feuerte die Hamas in den folgenden Jahren auch unzählige Raketen auf Israel ab, in dem Willen, so viele Juden wie möglich zu töten. Ein Minister der Hamas brachte die eigene Politik 2010 mit diesen Worten auf den Punkt:

„Juden sind fremdartige Bakterien, sie sind Mikroben ohne Beispiel auf dieser Welt. Möge Gott das schmutzige Volk der Juden vernichten, denn sie haben keine Religion und kein Gewissen! Ich verurteile jeden, der glaubt, eine normale Beziehung mit Juden sei möglich, jeden, der sich mit Juden zusammensetzt, jeden, der glaubt, Juden seien Menschen! Juden sind keine Menschen, sie sind kein Volk. Sie haben keine Religion, kein Gewissen, keine moralischen Werte!“

Für diese Menschen sind Juden schon allein deshalb ein Friedenshindernis, weil sie leben. Der Name Chaya ist Hebräisch und bedeutet “die Lebendige”. Vermutlich stört Jennifer Bligh genau das, dass Chaya Tal lebendig ist.

Frieden kann es für Jennifer Bligh nur geben, wenn Chaya vertrieben wird! So sehen es auch viele Araber. Deshalb hat in Alon Schewut auch vor wenigen Wochen ein palästinensischer Attentäter auf Autos geschossen, die sich an der Kreuzung stauten. Hier verschwanden vor rund eineinhalb Jahren auch drei Jugendliche beim Trampen, später wurden sie erschossen. Alon Schewut muss zudem Bushaltestelle so sichern, dass kein Auto in die Menge fahren und Menschen töten können. Zu viele Menschen wollen dort Juden töten, weil sie leben und durch ihre pure Existenz „den Frieden stören“.

Überall in Jerusalem dürfen Muslime siedeln. Sie sind kein Friedenshindernis! Juden jedoch, die siedeln und Häuser bauen, sind für Jennifer Bligh ein Friedenshindernis!

Überall auf der Welt gibt es in diversen Ländern jüdische Siedlungen und Viertel. In Deutschland gibt es jüdisch, muslimisch und christlich geprägte Viertel. Nur wenige sehen in ihnen ein Friedenshindernis. Sie werden vielmehr als eine kulturelle Bereicherung verstanden und gelten als Unterstützung für ein friedliches Miteinander, da sie Vielfalt, Toleranz und Akzeptanz zu fördern vermögen. In Köln gibt es die überwiegend muslimisch geprägten Keupstraße und in Paris den Marais im dritten und vierten Arrondissement, eine überwiegend jüdisch geprägte Siedlung der Stadt. In Israel gibt es eine Menge muslimische Viertel und Siedlungen. Fast zwanzig Prozent aller Israelis sind Muslime. Für Israel sind muslimische Siedlungen innerhalb und außerhalb Israels kein Friedenshindernis! Für viele arabischen Extremisten und erschreckend vielen westlichen Beobachtern jedoch ist die pure Existenz von Juden schon ein Friedenshindernis.

Für Araber, die Frieden mit Juden schließen wollen, sind jüdische Siedlungen kein Problem, sondern Garant für die Möglichkeit eines Friedens! Chayas Hand bleibt deshalb weit ausgestreckt; wie es in der Unabhängigkeitserklärung Israels steht:

„Wir bieten allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden und guter Nachbarschaft und rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfe mit dem selbstständigen jüdischen Volk in seiner Heimat auf. Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag bei gemeinsamen Bemühungen um den Fortschritt des gesamten Nahen Ostens zu leisten.“

Jennifer Bligh ist derart von ihren Ressentiments erfüllt, dass sie es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. An einer Stelle schreibt sie zum Beispiel:

„Aus Chayas Sicht gibt und gab es keinen palästinensischen Staat.“

Falsch! Nicht nur aus Chayas Sicht hat es niemals einen palästinensischen Staat gegeben, sondern aus objektiver Sicht! Es gab noch nie einen Staat Palästina. Es gibt keine eigenständige palästinensische Sprache, keine unabhängige palästinensische Kultur und keine palästinensische Währung. Es gibt aber eine Menge Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen und Nationalitäten, die durch den Umstand vereint werden, dass sie in einem Gebiet leben, das Palästina genannt wird. Der mit Abstand größte Teil dieses Gebiets liegt im heutigen Jordanien. Weitere Gebiete Palästinas sind Golan, Gazastreifen, Westjordanland und Gebiete von Ägypten und Saudi-Arabien. Nur ein sehr kleiner Teil Palästinas befindet sich in Israel, aber alle, die in dem Gebiet leben, mögen es nun Jordanier, Israelis, Araber, Juden, Christen oder Moslems sein, sind Palästinenser! In dem 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts war das Wort „Palästinenser“ sogar ein Synonym für Jude!

Heute gibt es in der Region Palästina die unterschiedlichsten Länder. Nur eines dieser Länder ist demokratisch: Israel! Obwohl Juden seit Jahrtausenden im Nahen Osten leben, werden sie von Judenhassern als illegale Fremde bezeichnet und Jennifer Bligh spielt mit auf diesem Klavier der Judenfeindlichkeit. Sie schreckt nicht mal vor offenen Lügen zurück:

„Chaya kann entscheiden, wo sie lebt, die Einwohner der palästinensischen Gebiete können das nicht.“

Das stimmt schlicht und ergreifend nicht! Araber und Muslime dürfen überall im Nahen Osten leben. In Israel stellen sie sogar zwanzig Prozent der Bürgerschaft. Juden jedoch ist das Leben im Gazastreifen und in weiten Bereichen der palästinensischen Autonomie verboten! Israel ist das einzige Land der Welt, dass jüdische Bürger nicht sicher über den Landweg verlassen können. Chaya aber lässt sich nicht einschüchtern und vertreiben. Sie bleibt!

„Wir werden nicht flüchten, nur weil uns jemand das Leben schwer macht.“

Jennifer Bligh kann das so gar nicht verstehen und betont:

„Chaya sieht das anders – und ist damit Teil des Problems: „Ich bin überzeugt, dass wir zu diesem Land gehören“, sagt sie.“

So denkt es in Jennifer Bligh. Eine Jüdin, die sich nicht vertreiben lässt, ist „Teil des Problems“. Vermutlich fordert sie auch in Deutschland alle Muslime und Araber auf, den Nahen Osten Deutschlands zu verlassen, zum
Beispiel Dresden, Bautzen, Heidenau und Clausnitz, weil ihre pure Existenz dort den Frieden stört. Ich kann kaum Jennifer Blighs nächsten Artikel erwarten. Vermutlich wird sie dort „aufdecken“, dass Chaya Brunnen vergiftet und Christenbabys isst, alles unter der Überschrift: „Chaya Tal ist unser Unglück!“

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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