Antisemitismus gibt es gar nicht und die größten Opfer sind die Israelkritiker!

Ein Gastbeitrag von Tano Bokämper.

„Antisemitismus gibt es gar nicht und die größten Opfer sind die Israelkritiker!“

Wenn man diese These wortwörtlich so aufstellen würde, dann würde man höchstwahrscheinlich für nicht ganz dicht erklärt. Als ich gestern Abend nach der Sendung „Maischberger“ ins Bett ging, war das aber genau die Information mit der ich einschlief. Alles gut, Klappe zu, Affe tot!

Die Frage, die sich der Zuschauer eigentlich stellen sollte: Warum eigentlich ein Thema diskutieren, das es gar nicht gibt? Irgendwie überflüssig oder? Polemisch ausgedrückt, ja, die Sendung war vollkommen überflüssig! Nicht aufgrund des Themas, das Thema ist mehr als überfällig, aber dieses wurde nicht einmal im Ansatz diskutiert. Das Thema der Sendung war „Gibt es einen neuen Antisemitismus?“

Diskutiert wurde allerdings die Israelische Besatzung und die alte Binsenweisheit, das Israelkritik kein Antisemitismus ist. Auslöser war der, vorher gezeigte, Film „Auserwählt und ausgegrenzt, Der Hass auf Juden in Europa“. Der Film wurde vom WDR und arte in Auftrag gegeben, allerdings ein halbes Jahr zurückgehalten, weil man wohl mit dem Ergebnis nicht zufrieden war. Erst auf öffentlichen Druck wurde er, in fragwürdig kommentierter Fassung, gezeigt.

Ein maßgeblicher Kritikpunkt an dem Film war wohl, dass er das Thema Antisemitismus in Europa behandeln sollte, größtenteils aber im Nahen Osten stattfindet. Der Film spielte jedoch deshalb weitgehend im Nahen Osten, weil das eine vom Anderen nicht zu trennen ist. Die Kernaussage des Films ist, dass obsessive, zum Teil falsche und auch übertriebene Israelkritik der Schleim ist, auf dem der neue Antisemitismus in Europa erwächst. Am Ende wurden französische Juden gezeigt, die die Leidtragenden dieser Obsession sind.

Die Aussage des Films wurde aber offensichtlich nicht verstanden! Weder vom WDR, noch von arte, und maßgeblich auch nicht von der Redaktion Maischberger. Die ausgelöste Reaktion und leider auch die in der Sendung folgende Diskussion ging nicht über Antisemitismus, sondern darum, den Israelkritikern eine Selbstverteidigungsplattform zu bieten. Schon in der Zusammensetzung der Runde war mir klar, dass das zu keinem erfreulichen Ergebnis, bezüglich des Themas, führen konnte. Lediglich zwei Talkshowgäste, die tatsächlich ein Interesse daran hatten, das eigentliche Thema der Sendung zu diskutieren, Achmad Mansour und Michael Wolfssohn. Allerdings drei „prominente“ Israelkritiker auf der Gegenseite, deren Anliegen eher darin lag, ihre Lobbypositionen zu verteidigen. Norbert Blüm, Gemma Pörzgen und (last but not least) der Israelkritische Alibijude Rolf Verleger.

Ich war an dieser Stelle schon dankbar, dass man nicht Evelyn Hecht-Galinsky eingeladen hatte. Soviel Irrsinn wollte man dem Zuschauer dann doch nicht zumuten.

Norbert Blüm wollte lieber über die israelische Politik diskutieren als über Antisemitismus. Frau Pörzgen behelligte uns damit, dass ja überhaupt und niemals die palästinensische Sicht der Dinge zugelassen würde, zum Beispiel auf dem Al Quds Tag in Berlin, auf den Palästina Tagen in München, der Israeli Apartheid-Week, dem Palästina Forum München, dem Palästinakomitee Stuttgart, der Jüdischen Stimme für einen Gerechten Frieden in Nahost, dem Institut für Palästinakunde Bonn e.V., …, ach, man verzeihe mir, dass ich keine Lust habe, ca. 600 Palästinakomitees aufzuzählen. Aber abgesehen von 600 Palästina und Boykott Israel Vereinigungen sind palästinensische Narrative natürlich so selten wie Pandabären! Und man darf natürlich Israel nicht kritisieren, weil dann ist man ja …, bla, bla, langweilig!

Die meisten Schwierigkeiten hatte ich allerdings mal wieder, Rolf Verleger ernst zu nehmen. Irgendwie sein die Juden ja selber schuld, wenn sie sich nicht genügend von Israel distanzieren! Super! Hätten die Juden im koscheren Supermarkt von Paris, im jüdischen Museum von Brüssel oder vor der jüdischen Schule in Toulouse mal alle ein Boykott Israel T-Shirt getragen, vielleicht wären sie dann noch am Leben?!

Da gäbe es allerdings dann noch die jüdische Weltverschwörung, die Brunnenvergiftung, das internationale freimaurerisch-bolschewistisch-demokratische Finanzjudentum und das Schlachten von Christenkindern, um aus ihrem Blut Maze zu backen, wovon man sich auch noch distanzieren müsste, um als Jude auf Nummer Sicher zu gehen. Aber Rolf Verleger hatte 2014 im ZDF auch behauptet, als auf deutschen Straßen „Jude, Jude feiges Schwein“ und „Juden ins Gas“ gebrüllt wurde, das wäre aus menschenrechtsorientierter Motivation geschehen. Kurzum, Herr Verleger würde den Antisemiten nicht mal erkennen, wenn er ihn zusammenschlägt und „scheiss Jude“ ins Gesicht brüllt.

Verzweifelt wurde immer wieder von Achmad Mansour versucht, die Diskussion auf das eigentliche Thema zu lenken. Leider vergebens! Irgendwie schien die Angst, Israel nicht mehr kritisieren zu dürfen, größer zu sein als die Sorge um Juden. Eigentlich hätte man mal ein Thema diskutieren können, dass die öffentlich-rechtlichen Medien auch betrifft. Jedes mal, wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen das Thema Juden in einer Sendung oder einem Kommentar besprochen wird, hat man in der Online-Kommentar-Spalte nach ca. 5 Minuten sämtliche Irren der Republik auf Kommentarseite. Bei keinem anderen Thema müssen seitens ARD, ZDF, etc. so viele Kommentare gelöscht werden, wie beim Thema Juden. Meist, weil der Inhalt nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun hat, sondern sich eher im justiziablen Bereich aufhält.

Im ORF wurde anlässlich der österreichischen Bundespräsidentenwahl und dem damit befürchteten Rechtsruck in Österreich eine Reihe Interviews geführt mit Wiener Holocaust Überlebenden. Man konnte die Uhr danach stellen, dass spätestens im fünften Kommentar irgendeiner mit sogenannter Israelkritik um die Ecke kommt. Ist ein 90 jähriger Wiener Jude israelischer Regierungssprecher? Natürlich nicht! Aber beim Antisemiten stellt sich sofort ein Pawlowscher Effekt ein, wenn er das Worte Jude und Holocaust hört.

“Jude als Opfer? Das muss ich sofort relativieren!“

Und sofort fällt ihm Israel als schwarzer Fleck auf der weißen Opferweste der Juden ein.

Oder, wie ich es persönlich erlebt habe, dass eine Frau während meiner Vorstellung in Köln empört den Saal verlies, weil ich, als Jude, Israel nicht kritisiert hatte. Die drei russisch-jüdischen Laienschauspieler, die vor mir auf der Bühne standen und ein Auszug aus einem Stück über jüdische Kontingentflüchtlinge von Gerd Buurmann spielten, hatten Israel auch nicht kritisiert. Keiner von uns hatte in seiner Darbietung auch nur annähernd den Nahen Osten thematisiert.

Das war ihr aber egal! Ihr war wohl schon seit 2 Stunden der Geifer aus dem Gebiss der tollen Hunde getropft, wann wir uns nun endlich, gefälligst, für den Zionismus entschuldigen. Als es dann der vierte Jude auch nicht tat, wurde das Fass zum Überlaufen gebracht. Ich würde das ein Paradebeispiel für israelbezogenen Antisemitismus nennen. Die Dame würde das natürlich abstreiten und sagen, sie habe im Bürgerzentrum Ehrenfeld die „Befreiung Palästinas“ eingeleitet, in dem sie drei Russen und einen Bayern boykottierte.

Mit diesem israelbezogenem Antisemitismus sind alle Juden hierzulande, außer Rolf Verleger, schon mal konfrontiert worden. Genau davon handelt der Film. Aber das Ergebnis der Sendung war zu erwarten. Wenn dasselbe Medium, das eine Dokumentation, aufgrund fadenscheiniger Argumente, abgelehnt hat, darüber selbst Gericht sitzen soll, ob die Inhalte des Films richtig sind oder nicht, zu welchem Ergebnis wird man wohl kommen? Man sägt doch nicht auf dem Ast auf dem man selbst sitzt. Wäre man gutmütig, könnte man zu Frau Maischberger sagen:

„Themaverfehlung, setzten 6!“

Ich würde aber eher sagen, mit der Entscheidung, den Film ein halbes Jahr zu boykottieren und sich dann in einer Talkshow auch noch selbst freisprechen zu wollen, hat sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen selbst einen Bärendienst erwiesen. Es bleibt ein fahler Beigeschmack, dass der Film nicht aufgrund journalistischer Mängel nicht gezeigt wurde, sondern aus Angst, sich mit einem antisemitischen Mob anzulegen.

Denn wenn jede Sendung, die den Recherchemangel, der Gazastreifen sei der dichtest besiedelte Ort der Erde, aufweist, deshalb nicht gezeigt wird, dann blieben nur noch sehr wenige Sendungen übrig.

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(TINTB)

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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