In einer Analyse des Falls Claas Relotius, der mehrfach erlogene Rührgeschichten als Journalismus verkauft hatte und dafür sogar mehrfach ausgezeichnet wurde, zitierte ich einst Georg Restle, Leiter und Moderator des ARD-Politmagazins Monitor:
„Journalismus im Neutralitätswahn – Warum wir endlich damit aufhören sollten, nur abzubilden, „was ist“. Mein Plädoyer für einen werteorientierten Journalismus.“
Ich argumentierte, in einer Gesellschaft, in der „werteorientierter Journalismus“ von öffentlich-rechtlicher Hand gefördert und gefordert werde, seien Phänomene wie Claas Relotius nicht verwunderlich. Er habe lediglich eine Nachfrage bedient:
„Viele Journalistinnen und Journalisten stehen unter einem immensen Druck, korrekt orientierten Wertejournalismus zu produzieren, wenn sie im Haifischbecken jenseits des Neutralität überleben wollen. Dieser Druck hat seinen Preis und die Wahrheit stirbt bekanntlich zuerst.
In der Laudatio von Patricia Riekel, ehemalige Chefredakteurin der Bunte, für Claas Relotius anlässlich der Verleihung des Katholischen Medienpreises 2017 durch die Deutsche Bischofskonferenz am 16. Oktober 2017 in Bonn heißt es:
„Manchmal wird man ja gefragt, was man als Erstes tun würde, wenn man Deutschland für einen Tag regieren würde. Ich würde ein Gesetz erlassen, dass die Reportage „Königskinder“ zur Pflichtlektüre für alle Politiker wird. Vielleicht hat sich dann das in meinen Augen beschämende Gerangel um die Obergrenze erledigt.“
Darum geht es. Der Journalismus von heute soll Debatten erledigen, nicht fördern. Claas Relotius wilderte in diesem Umfeld und er ist gewiss nicht der einzige Jäger mit wildem Jägerlatein.“
Mein Artikel wurde massenweise geteilt und gelesen. Daher fühlte sich Georg Restle bemüßigt, etwas zu diesem Thema zu schreiben. Auf Twitter ließ er verlauten:
„Weil hier so viel durcheinander geworfen wird: Haltung heißt für mich: Bekenntnis zu Menschenrechten, keine Relativierung des Holocaust und Freiheit immer auch als Freiheit der Andersdenkenden. Dass damit viele am rechten Rand ein Problem haben, überrascht mich nicht wirklich.“
Damit machte Georg Restle alles noch viel schlimmer.
Georg Restle schrieb, das Bekenntnis zu den Menschenrechten und die Erklärung, den Holocaust nicht zu relativieren, seien Haltungen. Man kann natürlich in diesen Fällen von „Haltungen“ sprechen, ich spreche jedoch lieber von Selbstverständlichkeiten.
Jeder vernünftige Mensch bekennt sich zu den Menschenrechten. Das ist keine mutige Haltung, sondern eine Grundvorraussetzung für einen Dialog mit Zukunft. Die Weigerung, den Holocaust zu relativieren, ist in Deutschland zudem nicht bloß eine Haltung, sondern eine Verpflichtung. Es ist nämlich laut deutschem Strafgesetzbuch verboten, den Holocaust zu relativieren.
Für Georg Restle waren diese Verpflichtung nicht erwähnenswert. Er sprach von einer „Haltung“, ganz so als könne man es auch anders sehen. Für einen öffentlich-rechtlichen Journalisten war diese Wortwahl ein ziemlich starkes Stück.
Eine Haltung ist es, Feminist zu sein, die Rundfunkgebühr toll, die FDP klasse, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz brillant und Mohamed töfte zu finden. All das darf man natürlich anders sehen. Niemand muss Schwule und Lesben geil finden und kann stattdessen in Religionen aufgehen. Auch Georg Restle lässt keinen Zweifel an seiner Haltung. Reflexartig schreibt er auf Twitter von einem „rechten Rand“ und steckt einfach mal Menschen, die es wagen, ihn zu kritisieren, in diese Kiste. Ich bin jedoch nicht rechts. Ich bin Tapfer im Nirgendwo.
Georg Restle erklärt die Menschenrechte und die Weigerung, den Holocaust zu relativieren, nicht zu Selbstverständlichkeiten, sondern zu mutigen Haltungen. Es gibt ein schönes deutsches Wort dafür: Gratismut.
Obwohl gratis, ist dieser Mut nicht. Ich muss den Mut von Georg Restle nämlich mitfinanzieren. Georg Restle muss mich jedoch nicht bezahlen. Ich übe keine Gewalt gegen Herrn Restle aus. Restle jedoch übt Gewalt gegen mich aus, denn all seine Meinungen und Haltungen, mit denen er Menschen be- und aburteilt, wurden unter Einsatz von Zwang finanziert. Dieser Zwang gibt ihm die Macht, die Stellung und die Reichweite, mit der er über mich richten kann. Auch das ist eine Haltung. Eine feige und brutale, möchte ich hinzufügen.
Durch den Rundfunkstaatsvertrag hält Georg Restle ein Megaphon in der Hand, dem er den größten Teil seiner über siebzigtausend Follower auf Twitter verdankt. Wer so eine Macht inne hat, kann damit anderen Menschen empfindlich schaden. Diese Macht zu missbrauchen, ist für Menschen, die etwas in der Gesellschaft bewegen oder verändern wollen, so verführerisch wie unmoralisch. George Restle missbraucht die Macht oft.
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