Die Politik eröffnet den Gladiatorenkampf

Unabhängig davon, wie man zu der Frage der Impfung steht, ob man für die Impfung ist oder dagegen, ob man selbst geimpft ist oder nicht, ob man seine eigenen Kinder impfen lässt oder nicht, wer andere Menschen verunglimpft und entmenschlicht, steht nicht auf der richtigen Seite.

Vor ein paar Tagen fand ich auf Facebook einen Eintrag, wo „Impfverweigerer“ als „Abschaum“ bezeichnet wurden.

Wenn es Hassrede gibt, dann ist der Begriff „Abschaum“ Hassrede!

Der Begriff „Abschaum“ beraubt den Menschen seiner Menschlichkeit und seiner Würde, die er durch seine Geburt hat. „Abschaum“ heißt lebensunwert, heißt Menschenmüll, etwas, das entsorgt gehört. Das Wort „Abschaum“ ist Hassrede pur und gehört zum Vokabular der Misanthropen, Faschisten und Rassisten.

Mit wenigen Worten wurde auf Facebook erklärt, dass der Mensch, so wie er geboren wurde, „Abschaum“ ist und nur durch eine Impfung zu einem Menschen wird, der es wert ist, nicht mehr als „Abschaum“ bezeichnet zu werden.

An anderer Stelle erklärt der Autor dieser Zeilen, „Impfgegner“ seien nicht nur Schuld daran, dass die Kultur leide, sondern auch „Mitschuld am Tod vieler Menschen“.

Wenn ich sowas lese, möchte ich mir selbst meine Impfung wieder aus dem Körper saugen und sie diesem Typen vor die Füße spucken.

Leider ist der Mann, der diese Zeilen geschrieben hat auch ein Veranstalter einer Comedy Show. Über Facebook lässt er sein Publikum wissen: „Unabhängig von den gesetzlichen Regelungen mögen wir geimpftes Publikum sehr und ungeimpftes Publikum weniger.“

Wenn ein Veranstalter Menschen als „Abschaum“ bezeichnet und sein Publikum zu vermeintlichen Schuldigen am Tod vieler Menschen erklärt, wenn sie sich nicht impfen lassen, dann wundert es nicht, dass er für den Eintritt in seine Show eine Impfung wie eine Taufe einfordert.

Unabhängig von dem medizinischen Nutzen des Impfstoffs, wird hier die Impfung zu einer Taufe erhoben, die überhaupt erst dafür sorgt, das jemand als Mensch anerkannt und nicht mehr als „Abschaum“ diffamiert wird. In einem solchen Umfeld ist mir nicht zum Lachen zu Mute.

Egal wie gut und richtig eine Sache für einen persönlich sein mag, es gibt gewisse Taten, die dadurch nicht gerechtfertigt werden.

Wer Menschen zum „Abschaum“ erklärt, weil sie gegen eine Impfung sind, der fühlt sich so sehr auf der guten Seite, dass er bereit ist, einige böse Dinge zu sagen und zu tun, weil er fest davon überzeugt ist, für das Gute zu kämpfen.

Ein anderer Veranstalter, der sich wie ich an die gesetzlichen Regelungen hält und dafür sorgt, dass sich das Publikum in seinem Theater wohl und sicher fühlt, hat ein paar sehr gute Worte zu der momentanen Situation gefunden. Sein Name ist Torsten Schlosser. Er ist ein enger Freund von mir und schreibt über sein vermutlich zukünftiges Leben als Theaterleiter:

„Nachdem die Politik den Gladiatorenkampf zwischen Geimpft und Ungeimpft eröffnet hat und sich nun genüsslich zurücklehnt, machen wir die Drecksarbeit, indem wir die Spaltung unserer Gesellschaft immer tiefer diskutieren.

Es ist schon so weit, dass Veranstalter von Kultur deutlich kommunizieren, dass geimpftes Publikum ihr Wohlwollen genießt und ungeimpftes nicht. Ich finde das erschreckend. Es zeigt deutlich, dass wir uns zwischen Gut und Böse entscheiden müssen, obwohl kulturelle Orte immer Orte der Diversität – und nur selten ideologisch geprägt – waren.

Gut und Böse, Schwarz und Weiß, das kannten wir als Kinder aus Märchen. Und als wir erwachsen wurden, lernten wir die Grauzonen kennen, die Kompromisse. Dass ich als Geimpfter nun plötzlich auf der guten Seite der Gesellschaft stehe, stört mich so sehr, dass ich eben kurz davor war, eine Nena-CD einzulegen. Aber ich bin dann doch noch zur Vernunft gekommen. Die Guten waren zwar gut, aber auch immer ein bisschen langweilig. Wie werde ich jetzt meine Impfung wieder los?“

Auch ich finde die ganze Entwicklung erschreckend und kann meine Haltung zu der ganzen Angelegenheit am besten mit folgender Analogie erklären: Ich finde die Aussage, „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“, großartig. Ich mag das christliche Prinzip der Nächstenliebe. Was ich jedoch überhaupt nicht mag, sind Missionierung und Inquisition.

Ebenso halte ich es mit der Impfung. Es gibt keinen Grund, seinen Nächsten zu diffamieren, vor allem dann nicht, wenn man selber geschützt ist, ob nun durch eine Impfung oder durch andere Maßnahmen. Ein Mensch, der sich selber schützt und für sich selbst Verantwortung übernimmt, muss seinen Nächsten zu nichts zwingen. Vor allem aber kann er die Gelassenheit haben, in seinem Nächsten nicht zunächst eine Gefahr für Leib und Leben zu sehen, sondern einen Menschen, der im Zweifel unschuldig, gesund und gut ist.

Nachtrag: Es dauerte nicht lange und jemand schrieb unter diesem Artikel: „Wer sich nicht impfen lässt, ist da asozial.“

Das Wort „asozial“ gehört wie das Wort „Abschaum“ zu den schlimmsten Begriffen der deutschen Sprache. Im Nationalsozialismus und in der DDR wurde der Begriff „asozial“ zu einem Rechtsbegriff gemacht, womit dann die Verfolgung von Menschen juristisch legitimiert wurde. Unter den Nazis wurden Menschen aufgrund der vorgeworfenen Asozialität in Konzentrationslagern gesteckt. Als Symbol zur Kennzeichnung ihres „asozialen Wesens“ mussten sie ein schwarzes Dreieck auf Brusthöhe tragen.

Es gibt in unserer Gesellschaft bereits genug Spaltung. Es gibt Menschen, die hassen sich aufgrund verschiedener Glaubensvorstellungen, andere distanzieren sich wegen unterschiedlicher Hautfarben. Dann wieder gibt es Menschen, da geht die Schere zwischen arm und reich deutlich weiter als zwei Armlängen auseinander.

Was wir definitiv nicht brauchen, ist eine weitere Spaltung innerhalb der Gesellschaft, schon gar nicht eine Spaltung, die juristisch legitimiert und staatlich exekutiert wird. Mit dieser neuen Art der Spaltung von Menschen aufgrund ihrer körperlichen Beschaffenheit „geimpft“ oder „nichtgeimpft“, wird es passieren, dass sich irgendwann Menschen, die sich eh schon hassen, durch die biologische, medizinische Politik des Staates noch weiter gegeneinander aufgebracht werden. Irgendwann wird ein Mensch, einen anderen Menschen, den er aufgrund seiner Hautfarbe oder Herkunft hasst, als „asozial“ und „Abschaum“ bezeichnen und ihn deshalb nicht in seinen Laden lassen.

Es ist brandgefährlich, was gerade passiert.

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Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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