Wo das Verbrennen von Büchern verboten ist

Eine Religion, die das Verbrennen eines Buchs als Todsünde erachtet, aber das Steinigen von Menschen nicht, hat ganz andere Probleme.

Heinrich Heine schrieb einst:

„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.”

Der Satz stammt aus seiner Tragödie “Almansor“. Sie spielt im 15. Jahrhundert in Spanien. Der Satz wird von dem Moslem Hassan gesprochen. Er nimmt damit Bezug auf eine Verbrennung des Korans, die während der Eroberung des spanischen Granadas durch christliche Ritter unter dem inquisitorischen Kardinal Mateo Ximenes de Cisneros stattgefunden hat.

Hassan: So stürzten wir von jenen Höhen oft zermalmend, auf das Christenvolk im Tal; und wenn sie sterbend röchelten, die Buben, wenn ferne wimmerten die Trauerglocken, und Angstgesänge dumpf dazwischen schollen, dann klang’s in unsre Ohren süß wie Wollust.

Almansor: Wir hörten, dass der furchtbare Ximenes, inmitten auf dem Markte, zu Granada – Mir starrt die Zung im Munde – den Koran in eines Scheiterhaufens Flamme warf!

Hassan: Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.

Wer den Dialog aufmerksam gelesen hat, wird festgestellt haben, dass der Mann, der das Verbrennen des Korans kritisiert, selbst unzähige Christen geschlachtet hat. Während also für ihn das Verbrennen des Korans eine Todsünde ist, klingt die Tötung von Christen in seinen „Ohren süß wie Wollust.“

Im Wissen um diesen Kontext bekommt Heinrich Heines Satz eine ganz andere Bedeutung: Auf der einen Seite kritisiert Heine zwar den Akt der Bücherverbrennung, aber auf der anderen Seite macht er auch die Doppelmoral deutlich, mit der ein Mensch zwar das Verbrennen von Büchern als Verbrechen verdammt, aber das Töten von Menschen als wolllüstig schön bezeichnet.

Ein Land, in dem das Verbrennen von Büchern verboten ist, das Töten von Menschen jedoch nicht, hat ganz andere Probleme.

Heinrich Heine hat in seinem Leben selbst eine Bücherverbrennung miterlebt. Zu der studentlichen Bücherverbrennung auf dem Wartburgfest im Jahr 1817 schreibt er:

“Auf der Wartburg krächzte die Vergangenheit ihren obskuren Rabengesang, und bei Fackellicht wurden Dummheiten gesagt und getan, die des blödsinnigsten Mittelalters würdig waren! (…) Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden und dessen Glaube nur in der Unvernunft bestand, und der in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wusste als Bücher zu verbrennen!”

Die in Deutschland bekannteste Bücherverbrennung fand jedoch in Berlin auf dem Opernplatz im Jahr 1933 statt. Es waren ebenfalls wieder deutsche Studenten, die diese Tat vollführten. Es war nicht die einzige Bücherverbrennung in dem Jahr. Insgesamt 93 Bücherverbrennungen in 70 Städten fanden von März bis Oktober 1933 in Deutschland in der Zusammenarbeit mit der Hitlerjugend statt! Zum ersten Mal verbrannten somit nicht nur deutsche Studenten Bücher, sondern sie wurden dabei von staatlicher Seite unterstützt.

Die staatliche Unterstützung ist der große Unterschied.

Diesen Unterschied macht übrigens auch Heinrich Heine in seiner Tragödie “Almansor“. Die Bücherverbrennung in seinem Stück wird durchgeführt von christlichen Rittern unter dem Befehl eines Kardinals, also von Staats wegen.

Es ist ein Unterschied, ob ein Mensch ein Buch verbrennt, oder ob ein Staat vorgibt, was mit einem Buch zu geschehen hat.

Ein Mensch, der ein Buch verbrennt, kann, darf und sollte kritisiert werden; es ist jedoch sein gutes Recht, Bücher zu verbrennen. Ich erlaube jeden Menschen meine Bücher zu verbrennen, solange sie sie nur für diesen Zweck kaufen. Ein Staat jedoch, der sich anmaßt, darüber zu befehlen, was mit einem Buch zu geschehen hat, der begeht ein Verbrechen an den Menschenrechten. Dabei ist es ganz egal, ob der Staat nun zur Bücherverbrennung lädt oder das Verbrennen von Büchern verbietet. Beide Haltungen zeigen nämlich, dass der Staat bereit ist, seine eigenen Ideale über die allgemeinen Menschenrechte zu stellen. Ein solcher Staat schafft eher Menschen ab, als dass er es zulässt, dass die Bücher seiner Ideologie verbrannt werden.

In einem Rechtsstaat gibt es nur dann die Möglichkeit, ohne Furcht vor staatlicher Bevormundung kreativ, journalistisch und wissenschaftlich arbeiten zu können, wenn die Verfassung Meinungs-, Presse-, und Kunstfreiheit garantiert ist. Zu dieser Freiheit gehört es eben auch, dass Bücher verbrannt werden dürfen, ohne staatliche Sanktionen befürchten zu müssen. Die Amerikanische Verfassung garantiert mit dem ersten Verfassungszusatz das Recht auf freie Meinungsäußerung und darunter fällt nach einem Urteil des Obersten Gerichts ausdrücklich auch die Verbrennung von Büchern und Fahnen. In der Bundesrepublik Deutschland jedoch ist das Verbrennen der Deutschen Flagge unter Strafe gestellt.

Ich persönlich lebe lieber in einem Land, in dem die Nationalflagge, die Verfassung und Bücher verbrannt werden dürfen, aber es kaum jemand macht, als in einem Land, in dem sich die Unterdrückten danach sehnen, die Nationalflagge, die diktatorische Verfassung oder die Schriften der Unterdrückung zu verbrennen, sie es aber nicht dürfen.

Weder das Verbrennen der Amerikanischen Flagge noch das Verbrennen der Verfassung ist in den USA verboten. Die Verfassung der USA nennt das Meinungsfreiheit. In den Ländern jedoch, in der das Verbrennen des Korans als Todsünde geahndet wird, da brennen abwechselnd mal israelische, amerikanische und dänische Flaggen, und nicht selten auch Menschen!

Ich erlaube mir daher, und ich bin mir sicher, Heinrich Heine damit nicht einmal im Ansatz zu verraten, seinen berühmt geworden Satz, um einen Nebensatz zu erweitern:

„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen; aber dort wo das Verbrennen von Büchern verboten ist, da werden Menschen verbrannt.”

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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