„Die Hölle gibt es nicht!“

„Die Hölle gibt es nicht. Es gibt lediglich die Auslöschung sündhafter Seelen.“

Das soll Papst Franziskus laut dem italienischen Publizisten Eugenio Scalfari gesagt haben. Der Vatikan aber dementiert und erklärt, der Papst habe keineswegs die Existenz der Hölle geleugnet, vielmehr sei der Heilige Vater von Scalfari falsch wiedergegeben worden. Im Katechismus der Katholischen Kirche steht: „Die Seelen derer, die im Stand der Todsünde sterben, kommen sogleich nach dem Tod in die Unterwelt, wo sie die Qualen der Hölle erleiden.“

Die Hölle ist für mich eines der grausamsten Aspekte der christlichen Lehre. Ich kann nicht verstehen, wie Menschen an die Existenz eines Himmel glauben können, wenn es auch eine Hölle geben soll. Wie kann ein Christ im Himmel glücklich sein, wenn er weiß, dass in der Hölle Seelen schmoren und leiden? Für mich geht das nicht zusammen. Vor allem kann ich nicht verstehen, wie man einen Gott, der ewig straft, als versöhnlichen Gott bezeichnen kann.

Nicht selten sprechen Christen von dem vergebenden Gott des Evangeliums und erklären ihn zum Gegenstück des strafenden Gotts der Tora. Es stimmt zwar, der Gott der Tora ist manchmal recht hart drauf, aber ein ewiges Höllenfeuer, eine unendliche Bestrafung, eine unendliche Qual hat der Gott der Christen im Sortiment. Ein versöhnlicher Gott sieht anders aus. Der Christengott ist sogar einer der strafendsten Götter unter den Menschengeschlechtern.

Der Gott der Bibel ist eifersüchtig.

Laut תּוֹרָה hatte vor über 5770 Jahren eine Frau mit dem Namen Eva den Mut, sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Bis dahin hatte Gott in absoluter Selbstgefälligkeit geherrscht. Mit dem Menschen kommunizierte er nur in Form von Befehlen: „Tu’ dies nicht! Tu’ das nicht!“ Adam und Eva hielten sich daran. Zwischen Richtig und Falsch konnten sie somit schon unterscheiden. Die Fähigkeit zur Unterscheidung von Gut und Böse aber lag noch uneingeschränkt in Gottes Hand.

Die Möglichkeit zur Erlangung der Fähigkeit zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, hing als Frucht an einem Baum mit den Namen עץ הדעת טוב ורע (Baum der Erkenntnis von Gut und Böse). Von dieser Frucht aß Eva. Seitdem ist Gott nicht mehr Alleinherrscher in Moralfragen und muss im Menschen einen ebenbürtigen Partner in Sachen Moral erkennen. Der Mensch war somit für Gott nicht mehr bloß Befehlsempfänger, sondern wurde zu einem Partner. Zu jeder Partnerschaft gehört auch die Eifersucht.

Gott wurde also eifersüchtig und setzte erstmal Adam und Eva vor die Tür. Sowas kommt in den besten Partnerschaften vor. Adam und Eva verließen das Gefängnis mit dem Namen Eden und betraten das weite Feld der Freiheit.

Der Garten Eden war ein Gefängnis, vielleicht das schönste aller bekannten Gefängnisse, aber nichtsdestotrotz ein Gefängnis.

Für Gott begann von dem Moment, da Eva von der Frucht gegessen hatte seine Eifersucht und seine Strafattacken. Sein größter Ausfall dürfte wohl die große Flut gewesen sein. Die Sintflut war Gottes Plan zur “Endlösung der Menschheitsfrage”. Er ließ Wasser aus den Duschbrausen des Himmels sprudeln, um die ganze Menschheit zu ertränken. Den Tod der Tiere nahm er dabei als Kollateralschaden in Kauf. Allerdings hatte sich Gott in der Zeit der Zwangsehe mit der Menschheit in ein paar Exemplare verliebt. Eben jene lies er am Leben, erzählte ihnen vom Plan der Vernichtung und riet ihnen, eine Arche zu bauen. So überlebte Noah und seine Familie.

Die ganze Sache mit der Vernichtung der Menschheit war Gott im Nachhinein allerdings schon ein bißchen peinlich und er versprach, nie wieder eine solche Vernichtung zu planen. Stattdessen schloss Gott einen ewigen Bund mit dem Menschen Noah und bekundete diesen Bund sogar mit einem Regenbogen am Himmel. Ein bißchen kitschig, ich weiß, aber Gott hatte sich offenkundig ernstlich verliebt, da passiert sowas schon mal.

Seinen nächsten Rückfall hatte Gott mit seinem Blitzkrieg gegen die beiden Städte Sodom und Gomorrah, die er buchstäblich dem Erdboden gleich machte. Spannend an dieser Geschichte ist vor allem die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen Abraham. An diesem Punkt der Beziehung wird nämlich zum ersten Mal deutlich, dass der Mensch in der Lage ist, mit Gott zu handeln. Gottes Absicht war es eigentlich, die beiden Städte vollkommen zu vernichten. Doch da kam Abraham und es entwickelte sich folgender Dialog:

Abraham: “Willst du wirklich den Bewährten raffen mit dem Frevler? Vielleicht sind fünfzig Bewährte anwesend drin in der Stadt, willst du die wirklich raffen?”

Gott: “Finde ich in Sodom fünfzig Bewährte, drin in der Stadt, will ichs all dem Ort tragen um ihretwillen.”

Abraham: “Da habe ich mich doch vorgewagt zu meinem Herrn zu reden, und ich bin ja Staub und Asche, vielleicht fehlen an den fünfzig fünf – willst du um die fünf all die Stadt verderben?”

Gott: “Nicht will ich verderben, finde ich dort fünfundvierzig.”

Abraham: “Vielleicht finden sich dort nur vierzig.”

So geht es noch ein bißchen weiter, bis Abraham Gott tatsächlich auf ganze zehn Menschen runtergehandelt hat. Das nenne ich mal eine gewachsene Partnerschaft!

Der Gott der Tora ist somit ein strafender Gott, aber es gibt immer noch die Hoffnung auf einen Regenbogen, auf Versöhnung. Der Gott des Evangeliums aber hat eine Hölle, wo es keinen Regenbogen mehr gibt. Hier gilt die Strafe ewig! Wer dort einzieht, kann alle Hoffnung fahren lassen.

Ich könnte nicht guten Gewissens ewig in einem Paradies leben, wenn ich wüsste, dass in der Hölle Seelen in ewiger Verdammung schmoren. Der Gedanke, einem Gott das Paradies zu verdanken, der gnadenlos und erbarmungslos auf ewig menschliche Seelen quält, würde mich derart schmerzlich plagen, dass das die wahre Hölle für mich wäre!

Das Paradies eines Gotts, der so gnadenlos ist, dass er ewig verdammt, das ist die wahre Hölle für mich! Dennoch sage ich, haben alle Menschen ein Recht auf die Hölle.

Ich kann glauben woran ich will. Wenn jemand glaubt, ich komme dafür in die Hölle, dann habe ich ein Recht auf die Hölle!

Ich darf jeden Propheten beleidigen und allen Göttern spotten. Wenn jemand glaubt, ich komme dafür in die Hölle, dann habe ich ein Recht auf die Hölle!

Ich muss mich nicht verschleiern. Wenn jemand glaubt, ich komme dafür in die Hölle, dann habe ich ein Recht auf die Hölle!

Ich darf schwul und lesbisch sein. Wenn jemand glaubt, ich komme dafür in die Hölle, dann habe ich ein Recht auf die Hölle!

Ich muss nicht beichten und mich taufen lassen. Wenn jemand glaubt, ich komme dafür in die Hölle, dann habe ich ein Recht auf die Hölle!

Mein Körper gehört mir. Ich kann damit machen was ich will. Wenn jemand glaubt, ich komme dafür in die Hölle, dann habe ich ein Recht auf die Hölle!

Das Recht auf die Hölle sollte ein Menschenrecht werden!

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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