Meine liebe Regierung,

Ich bin nur einer von über dreiundachtzig Millionen, aber dieser eine sagt Ihnen: Sie können mir weder Freiheit geben noch nehmen.

Ich gewähre Ihnen gerade lediglich Einschränkungen in meine Freiheitsrechte. Dies machen ich für eine gewisse Zeit des Notstands und der Krise. Sie bleiben jedoch auch zu dieser Zeit der Krise stets eine Dienerin. Sie sind nicht unsere Herrscherin.

Jede Instanz, die auch nur im Geringsten daran denkt, unsere Gewährleistungen zu missbrauchen, bekommt unseren Widerstand zu spüren. Nicht das Volk hat die Regierung zu fürchten, sondern die Regierung das Volk.

Freiheit wird nicht gewährt. Kein Staat kann Freiheit gewähren. Der Mensch trägt die Freiheit in sich. Der Mensch ist Mensch, weil er frei ist. Freiheit macht den Menschen aus.

Die menschliche Freiheit kann lediglich eingeschränkt werden, entweder weil ein Mensch freiwillig diese Einschränkung zulässt oder weil er mit Gewalt dazu gezwungen wird. Für die gewalttätige Einschränkung der Freiheit braucht es gute Gründe.

Freiheit bedeutet, Befehle nicht willenlos ausführen zu müssen, wie eine Maschine, die programmiert wurde. Freiheit bedeutet, sich zu der Welt, in der man sich befindet, in moralisch bewertender Zuwendung zu verhalten und das eigene, aber auch das Handeln fremder Personen in richtig, falsch, gut und böse einzuteilen. Der Mensch ist sich selbst stets Rechenschaft schuldig und somit gewissermaßen zur Freiheit verurteilt.

Wer kennt sie nicht, die Bisse des Gewissen, die besonders dann spürbar werden, wenn man alleine ist und wenn keine großen Ablenkungen die Gedanken zerstreuen. Das Coronavirus hat uns zurück in unsere Höhlen geworfen. Die Straßen sind ruhig, die Amüsiermeilen geschlossen und keine bunten Lichter laden zum Vergnügen.

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Menschen kümmern sich um andere Menschen. Der Mensch ist sogar in der Lage, sich für andere Wesen zu opfern. Es gehört zum Wesen des Menschen, sich in Freiheit opfern zu können. Ein Opfer kann jedoch nicht nur freiwillig erbracht werden. Es gibt auch erzwungene Opfer. Die Geschichte ist voll von Menschen, die gegen ihren Willen geopfert wurden.

Sehr geehrte Bundeskanzlerin,

Sie haben nicht das Recht, andere Menschen zu opfern.

Der Mensch möchte gebraucht werden und seiner Existenz einen Sinn geben. Er sucht nach einer Aufgabe im Leben und möchte Verantwortung übernehmen. Aber nur ein freier Mensch kann Verantwortung übernehmen. Wer nicht frei ist, kann sich nicht verantworten für eine Tat, auf dessen Ausführung er keinen Einfluß hatte.

Sie können nur darauf hoffen, dass sich freie Menschen dazu entscheiden, zum Wohle alter, schwacher und kranker Menschen ihre eigene Existenz aufs Spiel zu setzen. Die Maßnahmen, die dieses Land ergriffen wird, wird in vielen Fällen zu schweren Depressionen und seelischen Störungen führen, auch bei Kindern.

Ja, die momentanen Einschränkungen sind sinnvoll. Nicht umsonst setze ich sie gerade zusammen mit vielen anderen Bürgerinnen und Bürgern um. Unser bisheriger Lebensentwurf wird dabei völlig über den Haufen geworfen. Wir alle sind besorgt und wollen Sicherheit. Der Tod der Freiheit kam jedoch immer mit dem Ruf nach mehr Sicherheit. Daher sollten wir folgendes bedenken: Die Verfassung wurde nicht nur für glückliche Tage geschrieben, sondern gerade für Zeiten der Krise.

Gerade in der Krise ist Kritik wichtig. Nicht immer ist Kritik angemessen. Manchmal ist sie hart und unberechtigt, manchmal einfältig, dumm und falsch. Es gibt intelligente und dumme Personen. Menschen sind unterschiedlich. Manche regeln ihr Leben nach mathematischen Formeln, andere nach Bauernregeln. Es gibt Menschen, die glauben an Gott, andere umarmen Bäume, wieder andere nennen den Zweifel ihren besten Verbündeten. Sie alle aber tragen die Freiheit in sich und ordnen die Welt auf ihre Weise. Zudem haben alle Menschen die Fähigkeit, sich gegenseitig zu verständigen und sich zu einem gewissen Teil in die Situation des Gegenübers hineinversetzen zu können.

Natürlich lamentieren Menschen, wenn ihnen etwas genommen wird. Es ist vollkommen verständlich, dass in Ausnahmesituation auch mal dumme oder schmutzige Gedanke den Weg aus den Mündern jener finden, denen grade der Boden unter den Füßen weggezogen wurde, die um ihre pure Existenz bangen und die nicht wissen, ob sie wirtschaftlich oder beziehungstechnisch heil aus der Situation herauskommen.

Die Menschen, die mit voller Wucht von dieser Herausforderung getroffen werden, sollte man weder bestrafen noch ihnen das Recht nehmen, ihrem Unmut auch mal deutlich Ausdruck zu verleihen. Ihnen sollte man stattdessen die Möglichkeit geben, sich so frei wie möglich für die Verantwortung entscheiden zu können. Dafür müssen sie aber auch Fehler machen dürfen, auch in der Krise. Vor allem aber müssen Sie frei denken und reden dürfen.

Wenn ich einen Politiker sagen höre, „Diskussionen um Lockerungen der aktuellen Maßnahmen sind falsch“, dann sage ich: Nein, die Diskussionen sind nicht falsch!

Liebe Politikerinnen und Politiker,

Sie können jederzeit behaupten, dass Lockerungen zu diesem oder jenem Zeitpunkt falsch sind. Darüber können wir dann streiten und das Für und Wider abwägen. Aber das Reden über Lockerungen ist nicht falsch, niemals. Sie haben schlicht und ergreifend nicht das Recht, uns das Diskutieren zu nehmen. Sie sollten die Debatte auch nicht schlecht reden. Sie haben viel mehr die Pflicht, unsere Möglichkeit zu verteidigen, frei zu debattieren.

Liebe Frauen und Männer der Regierung,

die Bürgerinnen und Bürger des Landes, denen Sie dienen, bringen gerade große Opfer. Was für ein Preis, überall zertretenes Glück von Millionen. Verteidigen Sie Gedankenfreiheit!

Sollten Sie mich, Gerd Buurmann, in meiner Arbeit als Autor, Künstler oder Betreiber von „Tapfer im Nirgendwo“ unterstützen wollen, überweisen Sie gerne einen Betrag Ihrer Wahl auf mein Konto oder nutzen Sie PayPal.

https://www.paypal.me/gerdbuurmann

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
Dieser Beitrag wurde unter Deutschland, Liberalismus, Philosophie, Politik veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.