Kollektive Freiheit?

Ein paar Überlegungen zur Lage der Freiheit von Konrad Fuhrmann.

Am Anfang der Pandemie war für mich die Sache so klar, wie es die Abgeordnete Emilia Fester in ihrem denkwürdigen Auftritt vor dem Bundestag von sich berichtet: Ich sah den Sinn der Gegenmaßnahmen, unterwarf mich ihnen bereitwillig und freute mich auf den Impfstoff, um wieder zum alten Leben zurückzukehren.

Doch allmählich wuchsen meine Zweifel – Chaos bei der Impfstoffverteilung mit ideologischer Begleitmusik (Stichwort „Impfnationalismus“), viel Symbolpolitik, anstelle wirksamer Maßnahmen, allgemeines Wirrwarr und gleichzeitig ein sich verschärfender Ton gegen alle wissenschaftlichen und politischen Auffassungen, die von der Regierungspolitik abweichen.

Nun konnten wir uns ja schon seit 2015 davon überzeugen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien und andere Organe des „Qualitätsjournalismus“ ihre Aufgabe heute weniger darin sehen, die Regierung und ihr Handeln zu kritisieren, als deren Kritiker. Gleichwohl verfestigte sich mir im Zusammenhang mit der Seuchenbekämpfung der Eindruck, dass Politik und Medien die offizielle Linie, sobald sie einmal festlag, in ganz besonderem Maße zum Prüfstein erkoren, zum Geßlerhut, dem eigentlich nur „Schwurbler“, „Querdenker“ und andere „Menschenfeinde“ die Ehrerbietung verweigern können.

Nach wie vor sehe ich keine ernstzunehmenden Argumente gegen das Impfen, aber der geballte Hass, der Impfgegnern oder auch nur Kritikern unverständlicher Einschränkungen entgegenschlägt, empört mich. Dieselben Bürgermeister, die ständig von antisemitischen Hetzparolen und Übergriffen begleitete Gaza-Demonstrationen kommentarlos hinnehmen, fahren schweres rhetorisches Geschütz gegen meist friedliche Impfgegnerversammlungen auf.

Dabei blieb und bleibt der Sinn vieler Maßnahmen für den gesunden Menschenverstand unergründlich, zum Beispiel die 3D-Regel. Warum sollte ein ungeimpft Genesener gefährlicher sein als ein geimpft Genesener? Bevor nicht die Wissenschaft nachweisen kann, dass letzterer mehr oder bessere Antikörper in sich trägt, halte ich die Unterscheidung für Quatsch.

Einem Freund, der sich wegen einer Operation nicht zum dritten Mal hatte impfen lassen können, wurde nicht nur der Zutritt zu den Cafés verwehrt; an jenem schönen Vorfrühlingstag durfte er auch nicht auf der Terrasse Platz nehmen. Kurz zuvor hatte ich aber einen vollgestopften Stadtbus benutzt, dessen Passagiere zu einem großen Teil keine Masken trugen. Das schien niemanden zu stören, auch dem Busfahrer nicht.

Angesichts der vielen Widersprüche und Ungereimtheiten der Anticoronapolitik, des Mangels an wirklich gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis stört mich die allgemeine Stimmung der Unversöhnlichkeit, der Hass, der Impfgegnern und den Kritikern der Bekämpfungsmaßnahmen entgegenschlägt, umso mehr. Ein besonders krasses Beispiel dieser Tendenz scheint mir die Wutrede der grünen Bundestagsabgeordneten Fester zu sein, die ihre Forderung nach einer allgemeinen Impfpflicht mit dem absurden Terminus „kollektive Freiheit“, die es zu wahren gelte, begründet.

Man kann das bei der jungen Volksvertreterin als spätpubertären Fanatismus und rhetorische Entgleisung abtun, aber die offenbar sehr zahlreichen Abgeordneten, die ihr Applaus spendeten, haben diese Entschuldigung nicht. Die in Festers Ausbruch angerufene „kollektive Freiheit“ bestärkt in mir den Verdacht, den ich schon länger hege: Das Virus dient den gar nicht so wenigen Freunden des Kollektivgeistes nur als zusätzlicher Vorwand, die Freiheiten ihrer Gegner zu beschneiden. Allzu gut fügt sich die Kampagne gegen die Impfgegner, deren Argumenten ich wie gesagt nichts abgewinnen kann, in die allgemeine Cancelkultur und ständigen Hexenjagden ein.

Die nächste Treibjagd hat schon eingesetzt: Jetzt sollen russische Künstlerinnen und Künstler zu öffentlichen Unterwerfungsgesten gezwungen werden, wie man sie eigentlich nur aus totalitären Regimen kennt. Viele, auch solche, die sich in der Vergangenheit schon gegen Putins Politik gestellt haben, werden ausgeladen oder nicht mehr eingeladen, nur weil sie Russen sind. Dabei sitzen viele der Politiker, die Putins Politik stets verharmlost und deswegen, wie sich jetzt überdeutlich zeigt, schwerwiegende Fehlentscheidungen getroffen haben, noch immer auf ihren Sesseln und werden allenfalls verhalten zur Rechenschaft gezogen.

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(TINKF)

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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