Liebe Sabine Rau,

am 22. Juli 2014 sprachen Sie einen Kommentar in den Tagesthemen zu dem Thema „Antisemitische Parolen“. Neunzehn ganze Sekunden lang verurteilten Sie die Parolen – eine Selbstverständlichkeit. Dann aber kam das „doch“ und sie verließen das Thema und wandten sich der Kritik an Israel zu.

Wenn in Deutschland Brandsätze und Steine auf Synagogen geworfen werden, Juden attackiert und „Scheiß Juden“ gebrüllt wird, dann sind nur die Nazis zu verurteilen, die das tun. Nur die Täter! Es ist widerlich, geschmacklos und völlig daneben, den Grund für den Hass irgendwo anders zu suchen als bei den Tätern! Und es ist völlig ekelhaft die Schuld in Israel zu suchen.

Wenn in Deutschland Anschläge auf Synagogen verübt werden, hat kein Jude Schuld daran. Wie kann man zur Bekämpfung von Anschlägen auf deutsche Synagogen mehr Kritik an Israel fordern? Nur Kritik an die Täter ist geboten.

Wie kann man bei einen Kommentar über Anschläge auf Juden und Synagogen in Deutschland die meiste Zeit damit verbringen, Kritik an Israel zu üben?

Stünden in Deutschland marodierende Banden vor Moscheen, um „Kindermörder Palästina“ zu brüllen, flögen Wurfgeschosse auf Moscheen und Muslime, ich würde in einem Kommentar zum Thema „antimuslimische Parolen“ nicht eine Sekunde damit verbringen, den Islam zu kritisieren oder ein islamisches Land! Das täte ich an anderer Stelle. Es ist einfach eine Frage des Anstands!

Die Frage ist bei diesen antisemitischen Ausschreitungen nämlich nicht, macht Israel Fehler. Natürlich macht Israel Fehler. Das kleine Land (so groß wie Hessen) befindet sich im Krieg. Die Hamas will Israel und alle Juden der Welt vernichten (Art. 7 der Hamas-Charta). In vergleichbarer Situation würde jeder in die Ecke der Vernichtung getriebener Mensch Fehler machen. Kriege zerstören Menschen und Seelen.

Die Fragen lauten vielmehr: Warum müssen die Fehler Israels so betont werden? Warum muss Israel schlechter gemacht werden als es ist? Warum soll Israel (ein ganzes Land) so schlimm sein wie die Hamas (eine Terrorpartei)? Kein Land in der Geschichte der Menschheit hat je derart zurückhaltend auf wochenlangen Beschuss durch tausende Raketen reagiert wie Israel. Israel hat eine gute Abwehr, ja, aber nur, weil Israel den Vernichtungswillen der Gegenseite ernst genommen hat, während manch Andere glaubten, die Judenhasser meinten es nicht so. Bisher hat jedes Land in der Geschichte der Menschheit nach tausendfachem Beschuss der eigenen Zivilbevölkerung die militärische Schwäche des Gegners ausgenutzt, zurückgeschlagen, nicht gewarnt, flächendeckend gebombt und vor allem, kein Essen, Medizin, Wasser und Strom in Zeiten des Krieges zum Feind geschickt, wie es Israel tut! Zu behaupten, Israel (ein ganzes Land, das per Selbstdefinition den Frieden wünscht) sei nicht besser als die Hamas (eine Partei, die per Selbstdefinition ein ganzes Land vernichten will) ist so widerlich wie die Behauptung, die Juden (eine ganze Religionsgemeinschaft) wäre nicht besser gewesen als die Nazis (eine Terrorpartei).

Damals riefen die Nazis auch „Kindermörder“ und meinten das Volk Israel. Im Aufstand im Warschauer Ghetto haben dann Juden in der Verteidigung deutsche Soldaten getötet. Aber der Glaube, Juden würden einen Krieg zur Weltherrschaft führen, war eine Lüge, wie die Fälschung „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Die Wannsee-Konferenz aber war real! Dort wurde die Vernichtung der Juden geplant! So ist es heute: Die Hamas ist real! Der Glaube aber, Israel sei nicht besser als die Hamas ist Lüge!

Israel verteidigt sich!

Der Konflikt im Nahen Osten ist leicht zu erklären, schwer zu lösen vielleicht, aber leicht zu erklären: Die eine Seite will die andere Seite vernichten! Alles andere ergibt sich daraus. Die Frage, ob Israel sich verteidigen darf und wie, welche Fehler Israel dabei macht, wo Juden leben dürfen, wo sie vertrieben werden dürfen (was für eine grausame Debatte, die aber leider geführt wird, auch von Ihnen), alles ist Folge der Ausgangslage: Die eine Seite will die andere Seite vernichten.

Israel will Frieden! Israel ist eine kapitalistische Demokratie und hat tausendmal lieber Geschäftspartner als Nachbarn denn Feinde. Und außerdem: Kein Mensch ist illegal, heißt es oft. In Israel ist kein Bürger illegal! Jeder israelische Bürger kann Jude, Christ, Moslem, Araber oder Palästinenser sein und überall in Israel siedeln Juden, Christen, Moslems, Araber oder Palästinenser. Warum sollen in einem zukünftigen Palästina keine Juden siedeln können dürfen? Warum tun sich so viele so leicht damit, Sonderregelungen für Juden zu schaffen? Warum werden Juden so ganz besonders beurteilt? Warum sind siedelnde Juden in arabischen Ländern oft ein Problem, siedelnde Muslime in Israel aber nicht?

Macht Israel Fehler? Ja! Soll Israel dafür kritisiert werden? Ja! Hat es je eine Nation besser gemacht in vergleichbarer Gefahr? Nein!

Warum reicht es nicht, dass Israel es besser macht als alle anderen Nationen? Warum muss nur Israel ein Nathan der Weise sein? Warum muss Israel so heftig kritisiert werden? Welche Lust steckt dahinter?

Warum muss selbst ein Kommentar über antisemitische Parolen in Deutschland nach 19 Sekunden zu einer Nachhilfestunde für Israel werden?

Alles Liebe,
Gerd Buurmann

PS: Immer wieder wird behauptet, Kritik an Israel müsse möglich sein, ganz so als sei die Israelkritik irgendwie gefährdet. Jetzt, da sogar ein Kommentar über sich ausbreitenden Judenhass in Deutschland dazu genutzt wird, ausführlich Israel zu kritisieren, dürfte klar sein: Israel kann nicht nur kritisiert werden, Israel wird kritisiert und, wenn ich eine persönliche Beurteilung hinzufügen darf: zu oft und zu heftig!

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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