Woran glaubte der Terrorist von Hanau?

Der Mörder von Hanau war ein verrückter Terrorist. Was waren seine Überzeugungen?

In einem YouTube-Video erklärte der Täter auf Englisch, die Vereinigen Staaten von Amerika seien „unter der Kontrolle unsichtbarer, geheimer Gesellschaften.“ Diese Gesellschaften, so behauptete er, nutzten „unbekannte, böse Methoden wie Gedankenkontrolle und halten eine moderne Form der Sklaverei aufrecht“. Er behauptete weiter, in den USA gäbe es „tiefe, unterirdische Militärbasen“ und fügte hinzu: „In einigen davon beten sie den Teufel selbst an. Sie missbrauchen, foltern und töten kleine Kinder in unglaublicher Menge.“

Noch deutlicher wurde er in einem Text, den er auf Deutsch auf seiner Webseite veröffentlicht hatte. Dort erklärt er, dass in Deutschland „das Beste und Schönste entsteht und herauswächst, was diese Welt zu bieten hat“ und verurteilt „das schlechte Verhalten bestimmter Volksgruppen.“

Er fragt sich, „warum solche Volksgruppen überhaupt in meinem Land sind“ und stellt fest, diese Menschen seien „äußerlich instinktiv abzulehnen und haben sich zudem in ihrer Historie nicht als leistungsfähig erwiesen“. Er behauptet: „Andere Rassen und Kulturen wiederum haben hierbei nicht nur keinen Beitrag geleistet, sondern sind destruktiv – vor allem der Islam.“

Er fordert, „dass folgende Völker komplett vernichtet werden müssen: Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Israel, Syrien, Jordanien, Libanon, die komplette saudische Halbinsel, die Türkei, Irak, Iran, Kasachstan, Turkmekistan, Usbekistan, Indien, Pakistan, Afghanistan, Bangladesh, Vietnam, Laos, Kambodscha bis hin zu den Philippinen.“

Der Verfasser gibt auch tiefe Einblicke in sein Privatleben. Er sei unfreiwillig zölibatär und führt aus, „dass ich ein Leben lang keine Frau/Freundin hatte, die letzten 18 Jahre ausschließlich deshalb nicht, da ich mir eben keine Frau nehme, wenn ich weiß, dass ich überwacht werde.“

Er erzählt von einem erfolglosen Date während des Studiums. Er ist sich sicher, dass ein amerikanischer Geheimdienst an seiner Einsamkeit Schuld trägt: „Der Geheimdienst der mich bereits ein Leben lang beobachte, wusste um diese „Achillesferse“, zudem hatte ich offen eine Kriegserklärung an diese mir unsichtbaren und unbekannten Personen ausgesprochen. Im Oktober 2000 begann ich mein BWL-Studium in Bayreuth auch mit der Hoffnung dort endlich eine attraktive Frau kennenzulernen. Zunächst sollte ich nicht enttäuscht werden, da eine junge Studentin vom äußeren her meinen Vorstellungen entsprach. Allerdings war dieses Treffen, ebenso wie das Nicht-Zusammenkommen, von dieser „Geheimorganisation“ gesteuert, was mir aber zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt war.”

Völlig wirr wird der Mann, wenn er davon erzählt, dass amerikanische Geheimdienste ihn abhören und dabei sogar Ideen für Filme bekommen haben, die dann „Hollywood“ realisiert hätten: „Die Geheimorganisation, die mich überwacht, nimmt Einfluss darauf, welche Hollywoodfilme gedreht werden bzw. welche Inhalte verfilmt werden. Ein weiterer Gesprächsinhalt mit meinem Kollegen aus der Banklehre drehte sich auch um Filme und ich erwähnte einige Dinge, die ich gerne im Kino sehen würde.“

Neben einigen Filmen mit Sharon Stone und Tom Cruise reklamiert er für sich, die Serie „Prison Break“ erfunden zu haben: „Mit der Fernsehserie „Prison Break“ ist dies entsprechend umgesetzt worden –sehr gut sogar wie ich finde. Ich habe somit rückblickend damals unwissentlich die Grundidee geliefert, aber natürlich weder das Drehbuch geschrieben, noch die Schauspieler ausgewählt, noch sonstige Dinge zur realen Umsetzung dieser Staffel beigetragen.“

Außerdem ist er sich sicher, dass der Anschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 „von den USA selbst ausgeführt wurde“, allerdings aufgrund einer Inspiration durch ihn. Er beschreibt, wie er irgendwann anfing, in seiner Wohnung laut zu reden, um mit der Geheimorganisation zu kommunizieren. Erst sprach er nur über friedliche Dinge und erklärte zum Beispiel, Jürgen Klinsmann solle Bundestrainer der deutschen Fußballnationalmannschaft werden, aber irgendwann wurde er weniger friedlich:

„Während des Sommersemesters, als ich in der Wohnung mit den vermuteten Zuhörern sprach, sagte ich unter anderem, dass dieser Umstand, dass ich überwacht werde – ich deute bereits an, dass ich beabsichtige mich dagegen entsprechend zur Wehr zu setzen – zur Not würde ich mit einem Flugzeug in ein Gebäude fliegen, um die entsprechende Aufmerksamkeit zu erringen – in die Weltgeschichte eingehen wird und einmal Hollywood-Filme nach mir gedreht werden würden. Wie richtig ich damals beim Aussprechen dieser Worte lag, wurde mir erst später klar. Denn nicht nur nach dem 11. September 2001 wurden Filme aufgrund meiner Inspiration gedreht, sondern die Hollywood-Connection bestand bereits vorher.“

Sogar die Mauer zwischen den USA und México und der Slogan „America First“ seien seine Ideen gewesen: „Meine Strategie wird aktuell in den USA umgesetzt! Dies ist eine große Ehre für mich!“

Irgendwann, so erklärt es der Verfasser dieser verrückten Geschichte, wurde ihm klar, dass er gar nicht laut sprechen müsse, um mit der Geheimorganisation Kontakt aufzunehmen, da sie die Fähigkeit besäße, „Gedanken zu lesen und sich in das Gehirn eines anderen Menschen einklinken zu können“. Diese Fähigkeit würde sogar „von der gleichen Organisation filmisch verarbeitet, die über diese Fähigkeit verfügt“. Als Beweis führt er den Film „Kuck mal wer da spricht“ an: „Im Film kann der Zuschauer die Gedanken der Kleinkinder mithören – in der Realität können diese Menschen von mir bzw. von jedem Menschen die Gedanken lesen.“

Am Ende seines Wahntraktats erklärt der Mann, der am 19. Februar 2020 Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nessar El Hashemi, Mercedes K., Can Gülcü, Bilal Gökçe, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Menschen mit Träumen, Hoffnungen und Wünschen, sowie seine eigene Mutter und sich selbst tötete, „wenn ich damit richtig liege, dass ich überwacht werde, dann gibt es Krieg! Aus all den genannten Gründen blieb mir also nichts anderes übrig, so zu handeln, wie ich es getan habe, um die notwendige Aufmerksamkeit zu erlangen. Dieser Krieg ist als Doppelschlag zu verstehen, gegen die Geheimorganisation und gegen die Degeneration unseres Volkes! Menschen kommen und gehen. Das was bleibt ist das Volk! Schaut euch in Zukunft genau an, wer das Volk ist.“

Zusammenfassung: Der Mörder ist für „Prison Break“, den 11. September 2001, die aktuelle Politik des amerikanischen Präsidenten und für Jürgen Klinsmann als Nationaltrainer verantwortlich. Die arabischen Nationen und der jüdische Staat müssen vernichten werden, Hollywood betreibt Gedankenkontrolle und eine Geheimorganisation regiert die Welt, während in geheimen Militärbasen in Amerika der Teufel angebetet und Kinder gefoltert und getötet werden. Dafür sind Deutsche die Besten und Schönsten und vor allem keine destruktive Rasse wie der Islam. Mit einer Frau hatte er niemals intimem Verkehr, was bedeutet, dass sich seine deutsche Überlegenheit nicht fortpflanzen konnte.

Das Video und die Texte des Mörders sind Aufzeichnungen eines anti-amerikanischen Wahnsinnigen, der mit antisemitischen Verschwörungstheorien, wie sie aus hasserfüllten Traktaten wie den „Protokollen der Weisen von Zion“ bekannt sind, seinen rassistischen Hass und seine Erfolglosigkeit bei Frauen zu rechtfertigen sucht.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
Dieser Beitrag wurde unter Nachrichten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.