Heute vor sechzehn Jahren, am 11. Februar 2006 standen Dr. Isabel Rohner, Nikola Müller und ich erstmals mit unserem Programm „Mehr Stolz, Ihr Frauen!“ auf der Bühne des La Carina in Köln. Seitdem treten wir als Hedwig Dohm Trio im ganzen deutschsprachigen Raum auf.

Unsere bisher fast zweihundert Auftritte führten uns von Bozen bis Flensburg, von Düren bis Zwickau. Wir spielten in Stadttheatern, Kellerbühnen, Buchhandlungen, Bibliotheken, Universitäten, Rathaussälen, Parlamenten, Berufsschulen, Burgen, Klöstern, Gaststätten und einmal sogar in einer Gärtnerei.

Ein denkwürdiger Auftritt unseres Trios fand im März 2012 statt, als wir für die SPD in einem kölschen Brauhaus in der Dorotheenstraße in Berlin unser Programm präsentierten. Bevor wir die Bühne betraten, ergriff Barbara Hendricks das Mikrofon und brüllte in den Saal: „Schnauze jetzt! Jetzt kommt Kultur!“
Wir begannen unsere Aufführung: Hedwig Dohm im Schlagabtausch mit einigen Anti-Feministen ihrer Zeit, unter anderem Friedrich Nietzsche und Georg Groddeck, die von mir gespielt wurden. Nach fünf Minuten betraten die Praktikantinnen von Martin Gerster, MdB den Saal. Ich war gerade dabei, Friedrich Nietzsche zu spielen:
„Ihr erster und letzter Beruf soll sein, Kinder zu gebären. Ein Mann der Tiefe hat, kann über das Weib nur orientalisch denken. Er muss das Weib als Besitz, als verschließbares Eigentum, als etwas zur Dienstbarkeit Vorherbestimmtes auffassen. Er muss sich hierin auf die ungeheure Vernunft Asiens stellen.“
Buh-Rufe ereilten mich von Seiten der Praktikantinnen. Dann wechselte ich in die Rolle zu Groddeck und sagte:
„Durchschnittlich sechs Tage im Monat ist das Weib siech. Jede Frau, selbst die gesündeste, in in diesen Tagen stets mehr oder weniger intellektuell unzurechnungsfähig. Körper und Geist sind völlig zerrüttet und in Aufruhr gebracht!“
Da platzte den Praktikantinnen der Kragen. Sowas könne man doch nicht sagen, warum denn so ein Chauvi hier sprechen dürfe, heute sei schließlich Frauentag und überhaupt, das ginge ja gar nicht. Mein Einwand, dass das Theater sei, ließen die Praktikantinnen nicht gelten:
Praktikantin: „Aber Sie sind so überzeugt davon, dass Sie das hier so spielen, oder was?“
Ich: „Äh, Nein.“
Praktikantin: „Frauen sind nicht siech!“
Ich: „Sehr gut!“
Praktikantin: „Warum sagen Sie das dann?“
Ich: „Das hab ich nicht gesagt!“
Praktikantin: „Doch, gerade. Ich habe es doch selber gehört!“
Ich: „Das war nicht ich. Das war Groddeck!“
Praktikantin: „Was?“
Ich: „Sie sind zu spät gekommen. Das sind Texte von Georg Groddeck!“
Praktikantin: „Warum zitieren sie so einen Mann?“
Ich: „Ich zitiere nicht, ich spiele eine Rolle.“
Praktikantin: „Warum spielen sie denn eine solche Rolle?“
Ich: „Weil ich Schauspieler bin.“
Praktikantin: „Aber wenn Sie Anstand hätten, würden Sie eine solche Rolle nicht spielen.“
Jetzt schaltete sich Isabel Rohner ein: „Sie sind süss“, sprach sie, lachte und ging. Ich hörte etwas in ihr zerbrechen. Ich vermute, es war ihr Glaube an die politische Zukunft unseres Landes. Nikola Müller war klug genug und hatte sich schon längst wieder zum Kölsch begeben. Ich war so dumm und versuchte, es den Praktikantinnen so zu erklären:
Ich: „Sie reagieren wie eine Person, die zwanzig Minuten zu spät zu „Schindlers Liste“ kommt, um dann nach 25 Minuten vollkommen aufgebracht das Kino wieder zu verlassen mit der Begründung: Das sei ja ein Nazifilm. Überall lauter Nazis. Wer spielt denn sowas und überhaupt, warum darf so ein Film gezeigt werden? Das ist Deutschland hier!“
Die Praktikantinnen waren nicht überzeugt. Ich ging daher auch, gesellte mich zu meinen Kolleginnen und gemeinsam tranken wir viel Kölsch auf Hedwig Dohm und ließen alles auf den Deckel der SPD schreiben.

Ein historischen Auftritt des Hedwig Dohm Trios fand am 21. Juni 2019 in Mainz statt und zwar im Rahmen der Bundesversammlung der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd).
Es war der Tag an dem die 92 Delegierten aus den zwanzig kfd-Diözesanverbänden und dem Landesverband Oldenburg einstimmig und ohne „diözesanen Fraktionszwang“ die offizielle Öffnung aller Weiheämter für Frauen forderten. Die zentrale Forderung aus dem Positionspapier der kfd unter dem Titel „gleich und berechtigt. Alle Dienste und Ämter für Frauen in der Kirche“ lautete:
„Daher fordert die kfd mit Nachdruck die volle Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der Kirche und den Zugang von Frauen zu allen Diensten und Ämtern in der Kirche.“

Ein absurdes Schauspiel bot sich uns Anfang März 2020 in einer Gemeinde in Schleswig-Holstein. Als Isabel Rohner in die Runde fragte, ob es in der Gemeinde noch Vereine gäbe, die keine Frauen aufnehmen würden, erklang es aus dem Publikum wie aus einem Mund: „Unser Schützenverein!“
Nikola Müller wollte gerade anheben, etwas über die Geschichte der Frauendiskriminierung in der Geschichte der deutschen Vereine zu erzählen, da erklang eine Stimme aus der Empore über dem Auditorium. Wir waren ganz überrascht, weil wir nicht gewusst hatten, dass dort überhaupt jemand war, aber nun wussten wir, dass dort die ganze Zeit jemand gesessen hatte. Es war der Bürgermeister der Gemeinde und er meldete sich zu Wort, um zu erklären, warum keine Frauen aufgenommen werden könnten. Der Bürgermeister erklärte:
„Ein vollwertiges Mitglied im Schützenverein kann auch Schützenkönig werden. Dass ist allerdings eine finanziell sehr kostspielige Angelegenheit. Daher können nur finanziell unabhängige Menschen Mitglied im Schützenverein werden.“
Ein ungläubiges Lachen ging durch den Saal. Der Bürgermeister versuchte es daher mit einem anderen Argument:
„Mitglieder des Schützenvereins werden auch an der Waffe ausgebildet. Sie müssen somit im Grunde auch bereit sein, eine Waffe zu gebrauchen, was bedeutet, dass sie auch bereit sein müssen, töten zu können.“
Eine Frau aus dem Publikum rief laut: „Das bin ich!“ Tosendes Gelächter erschütterte den Saal.
Der Bürgermeister sah seine Felle davonschwimmen und griff schließlich zu einer Erklärung, die mich bis heute ratlos zurücklässt. Er sagte, Frauen könnten auch deshalb keine Mitglieder werden, weil, und das sagte er wirklich:
„Um Mitglied in einem Schützenverein zu werden, braucht es ein einwandfreies Führungszeugnis.“

Es gab viele einzigartige Momente in den letzten sechzehn Jahren. Ich hoffe und freue mich auf noch viele weitere Jahre. Wenn Sie wissen möchten, wer Hedwig Dohm war und was sie geschrieben hat, gibt es hier drei Links zu Texten von ihr:
„Eine Anregung zur Erziehungsfrage“
„Wäre ich ein glühender Patriot“

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