Sommer 2014 in Essen – Die Polizei spricht von „friedlich“

Gestern fand eine Demonstration in Essen statt. Unter Fahnen und Plakaten putschte sich ein Mob auf, der wenig später zu Hunderten auf dem Willy-Brandt-Platz “Scheiß Juden!” und “Scheiß Jude, brenn!” skandierte.

„Ich habe bei den Straftaten, die aus der nicht angemeldeten Kundgebung begangen wurden, minütlich darauf gewartet, dass die Antisemiten von der Polizei weggeräumt werden“, schreibt ein Besucher der Demonstration auf Facebook und erklärt weiter, dass er die Polizei gefragt habe, „ob die eigentlich warten wollen, bis die Lust haben freiwillig nach Hause zu gehen. Die meinte dann, die würden ja auch wie wir ihre Meinung sagen.“

Meinungen gab es an dem Tag in Essen viel. Unter anderen wurde das Hakenkreuz gezeigt. Es war in ein Davidstern gezeichnet. Hier ist das Hakenkreuz in Verbindung mit dem Ruf „Kindermörder“ zu sehen:

Auf einem anderen Plakat stand: „Früher angeblich Opfer“. Angeblich! Vermutlich gab es den Holocaust gar nicht. Ein anderes Plakat geißelte den „Judenterror“.

Und es war Sommer! Statt am Strand zu liegen, trafen sich tausend Menschen in Essen, um mal richtig Ramba Zamba zu machen. Einige brüllten „Adolf Hitler!“

Zum Glück gab es auch eine Gegendemonstration, Menschen, die sich den Hakenkreuzzeigern und Holocaustleugnern in den Weg stellten. Es waren nicht viele. 200 Menschen standen in der brütenden Sonne. Es sollte aber nicht die Hitze sein, die den Tag zur Hölle werden ließ. Was in dieser Demonstration geschehen sein soll, ist unfassbar. Das Portal Ruhrbarone berichtet, dass pro-Hamas Demonstranten Steine, Flaschen und Böller auf die friedlichen Demonstranten warfen. Sogar ein zusammengeklapptes Taschenmesser soll unter den Geschossen gewesen sein. Ein Teilnehmer schreibt auf WordPress:

„Am neuen Kundgebungsplatz hatten sich bereits pro-Hamas Gruppen postiert, die unter anderem auch Plakate mit Hakenkreuzen zeigten. Nur 40 Minuten später wurden wir, so nachdrücklich wie hastig, von einer offensichtlich völlig überforderten Einsatzleitung aufgefordert, unsere Versammlung unverzüglich zu beenden. Grund: Die Linksjugend auf dem Weberplatz hatte offenbar die Kontrolle über ihre Versammlung verloren, und diese vorzeitig beendet. Bis zu dreitausend Teilnehmer seien nun auf dem Weg zu uns, und wenn wir blieben seien wir “selber Schuld”, so der Kontaktbeamte der Einsatzleitung. Eine Einschätzung, die er in den folgenden Stunden – als Flaschen, Steine und Böller auf unsere Teilnehmer regneten, ein ums andere Mal wiederholte: Wären wir fünf oder zehn Minuten vor der Ankunft der Antisemiten seiner Aufforderung gefolgt und hätten die Versammlung aufgelöst, sei alles gut gewesen, nun könne er unseren Schutz nun einmal nicht mehr gewährleisten.

Nicht auszudenken was geschehen wäre, wenn wir dieser hanebüchenen Sicherheitseinschätzung gefolgt wären. Versprengt hätten unsere Teilnehmer in Grüppchen herumgestanden, ohne den Schutz des Versammlungsrechts – ein leichtes Ziel für potenzielle Angreifer. Für die Polizei, wie uns versichert wurde, die “einfachste Lösung” – für uns nicht.“

Und es war Sommer 2014 in Essen!

In dem Polizeibericht vom 18. Juli um 22:19 Uhr der Polizeistelle Essen heißt es:

„Friedliche Demonstrationen in der Essener Innenstadt

Essen (ots) – 45117 E- Stadtmitte:

Wie angemeldet, fanden im Laufe des heutigen Tages (18.Juli) zwei Kundgebungen am Weberplatz und am Willy-Brandt-Platz statt. Beide verliefen friedlich. Nachdem die Kundgebung am Weberplatz beendet war, zogen von dort cirka 200 Personen zum Willy-Brandt-Platz. Sie suchten die Konfrontation mit den dortigen Veranstaltungsteilnehmern. Trotz vereinzelter Würfe von Flaschen und anderen Gegenständen, gelang es der Polizei durch konsequentes Einschreiten und kommunikatives Geschick beide Parteien zu trennen.

Acht Personen wurden festgenommen und eine Person wurde in Gewahrsam genommen. Die Polizei ermittelt wegen Verstößen gegen das Waffengesetz, gegen das Betäubungsmittelgesetz und wegen Körperverletzungen.

Aus der polizeilichen Netzwerkarbeit in den Stadtteilen und den persönlichen Gesprächen der Kontaktbeamtin für muslimische Institutionen konnte in Erfahrung gebracht werden, dass die polizeilichen Maßnahmen sowohl in der libanesisch-türkisch-stämmigen Einwohnerschaft, als auch bei den polizeilichen Netzwerkpartnern, die dort erheblichen Einfluss auf die Stimmung haben, auf großes Verständnis gestoßen sind.

Der Polizeiführer, Herr Leitender Polizeidirektor Detlef Köbbel, zeigt sich mit dem Einsatzverlauf zufrieden:“ Es war uns wichtig, den Menschen, die heute ihre politische Meinung äußern wollten, eine störungsfreie Demonstration zu gewährleisten. Das ist uns gelungen. Gegen Straftäter gingen wir entschlossen vor!“

Man sollte mal bei der Polizei Essen nachfragen, ob Hakenkreuze, der Aufruf „Scheiß Jude, brenn“ und Holocaustleugnung friedlich sind, denn gegen all das wurde nicht „entschlossen“ vorgegangen.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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