Der Begriff Antisemitismus bezeichnet eine pauschale Ablehnung der Juden und des Judentums. Allerdings sind auch viele Muslime und Christen Semiten. Warum also heißt es immer Antisemitismus und nicht viel mehr Judenhass?
Der Judenhass hat eine lange Geschichte und wurzelt sowohl im Christentum als auch im Islam. Alle staatlichen Ideologien, die sich gegen Juden richteten oder richten, streuten oder streuen ihre judenhassende Saat in einen fruchtbaren christlichen oder muslimischen Boden.
Das Wort Antisemitismus ist historisch gesehenen der pseudo-wissenschaftliche Versuch, dem alten religiösen Judenhass ein neues modernes Gewandt zu geben. Als im Zuge der Aufklärung immer mehr Menschen die Kostüme der christlichen Dogmen und Fundamentalismen abgelegt hatten, erkannten sie schnell, dass sie zwar nackt waren, aber auch, dass sie immer noch keine Juden mochten. Der Judenhass war in langer und traditionellen Ausübung so tief in den Herzen mancher Menschen verankert, dass der Judenhass als Relikt der Religion Eingang in das neue Zeitalter der Aufklärung hielt.
Das Wort Antisemitismus ist historisch gesehenen der pseudo-wissenschaftliche Versuch, dem alten religiösen Judenhass ein neues modernes Gewandt zu geben. Das Wort taucht in der Mitte des 19. Jahrhundert erstmals auf und wird dann zu einem nicht unerheblichen Teil von dem Journalisten Wilhelm Marr (1819-1904) geprägt. Marr war der Überzeugung, die Juden seien schuld am Liberalismus, weil er sich den sogenannten jüdisch konnotierten Kapitalinteressen verschrieben hätten. In Berlin erschien im Februar 1879 Marrs Propagandaschrift “Der Sieg des Germanenthums über das Judenthum – Vom nichtconfessionellen Standpunkt aus betrachtet”, die noch im selben Jahr zwölf Auflagen erlebte. In dieser Schrift grenzt sich Marr deutlich von der traditionellen religiösen Judenfeindschaft ab und behauptet stattdessen, dass die Juden eine fremde Rasse von „Parasiten“ seien, die erfolgreich die Ausbeutung Deutschlands betreibe. Diesen Paradigmenwechsel von Religion zu Rasse verdeutlichte er durch den Begriff „Antisemitismus“.
Marr prägte wesentliche Klischees und Schlagworte des Antisemitismus‘. So legte er 1880 mit seiner Schrift “Goldene Ratten und rothe Mäuse” die Basis für die verschwörungstheoretische Gleichsetzung von Judentum, Kapitalismus und Kommunismus, wie sie später Adolf Hitler in “Mein Kampf” vertrat.
Am 9. Oktober 2019 griff ein Terrorist die Synagoge in Halle an. Seine Motivation war ganz in der Tradition des Antisemitismus. Er verabscheute die Moderne, die Frauenemanzipation und vor allem „den Juden“, den er in einem Manifest zum allgemeinen Sündenbock für so ziemlich alles erklärte, was in seiner eigenen kranken Welt schief gelaufen war. Für Judenhasser dieser Art tragen Juden Schuld an allem. Sie sind gleichermaßen am Kommunismus und am Kapitalismus schuld. Sie sind Schuld, wenn Frauen vergewaltigt werden und wenn sie sich emanzipieren. Sie hassen Juden, weil sie überhaupt existieren, vollkommen egal wie.
War es bei dem religiösen Judenhass noch möglich, dass ein Jude Christ werden konnte, um der Verfolgung zu entgehen, sind Juden für den Antisemiten ewige Juden und daher nur durch ihre physische Vernichtung zu entfernen.
Dennoch speist sich der neue, rassistische Judenhass nach wie vor durch den alten christlichen Judenhass. Ohne ihn hätte selbst Hitler seinen judenfeindlichen Wahn niemals umsetzen können. Die judenfeindliche Tendenz des Christentums zeigt sich unter anderem während der Karfreitagsfürbitte für Juden. Seit dem 6. Jahrhundert bitten Christen bei Gott darum, den Schleier vom Herzen der “treulosen” Juden zu nehmen und ihnen die christliche Erkenntnis zu schenken, um sie so der „Verblendung ihres Volkes“ und der „Finsternis” zu entreißen. Eine zaghafte Kritik an der traditionellen Judenfürbitte wurde erst nach der Shoa formuliert. Seit 1956 veränderte der Vatikan sie schrittweise. Israles Erwählung zum Gottesvolk wird seitdem stärker betont, aber um die Treue der Juden wird nichtsdestotrotz weiterhin gebetet.
Einen weiteren traurigen Höhepunkt fand diese Brutalität in dem Reformator Martin Luther und seinem Werk „Von den Jüden und ihren Lügen”:
„Die Juden sind ein solch verzweifeltes, durchböstes, durchgiftetes Ding, dass sie 1400 Jahre unsere Plage, Pestilenz und alles Unglück gewesen sind und noch sind. Summa, wir haben rechte Teufel an ihnen.“
In seinem „Handbuch über die Judenfrage“ fordert Martin Luther jene Dinge, die im 20. Jahrhundert am Wannsee in Berlin zur deutschen Staatsräson unter Hitler werden sollten:
„Ich will meinen treuen Rat geben. Erstlich, dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich …“
Martin Luther hat Texte verfasst, die es locker mit „Mein Kampf“ aufnehmen können. Es ist daher fast lächerlich, von einer christlich-jüdischen Zusammenarbeit in Europa zu sprechen. Die christlich-jüdische Zusammenarbeit in Europa bestand zum größten Teil aus einer Verfolgung von Juden durch Christen. Auch der Islam ist bekannt für seinen Hass auf das Judentum. Viele Muslime sind fest davon überzeugt, dass die Welt friedlich wäre, wenn nur alle den Islam annehmen würden. Es verwundert daher nicht, dass auch im Islam ein brutaler Judenhass zu finden ist. In einer erst jüngst gehaltenen Predigt des Sheich Ibrahim Madhi in der Sheik ‘Ijlin Moschee befasst sich der Redner mit einer Hadith-Stelle, in der Mohammed die perfekte Welt erst nach dem Tod aller Juden verorten kann.
Mohammed sagt dort: „Die Stunde wird nicht kommen, bis ihr gegen die Juden solange kämpft, und bis der Stein, hinter dem sich der Jude versteckt hat, spricht: „Du Muslim, hier ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt, so töte ihn.”
Sheich Ibrahim Madhi interpretiert: „Der Prophet sagt: ‘Die Juden werden gegen euch kämpfen, und Allah wird Euch als Herrscher über sie setzen.’ Wir blasen sie in die Luft in Hadera, wir blasen sie in die Luft in Tel-Aviv und in Netanya. Und auf diese Weise wird Allah uns als Herren über diese Rotte hergelaufener Landstreicher setzen. Wenn ein Jude sich hinter einem Stein oder einen Baum versteckt, dann werden der Stein oder der Baum sagen: Oh Muslim, oh Diener Allahs, ein Jude versteckt sich hinter mir, komm und töte ihn…“
Wenn man in Europa schon von einer Zusammenarbeit zweier Religionen sprechen möchte, so wäre die Rede von einem christlich-islamischen Abendland weit angemessener. Als die Nazis ihren mordenden Judenhass propagierten, ging Heinrich Himmler ein Bündnis mit Teilen des Islams ein, u.a. mit dem Mufti Al Husseini. Dieses Bündnis wird noch heute von islamischen Organisationen als heilig angesehen, der Hitlergruß ist gängige Praxis bei der Hamas wie bei der Hisbollah, wie man hier sehen kann.
Natürlich gab es auch christlichen und muslimischen Widerstand und auch er definierte sich aus der Religion, aber der Hass entsprang eben der selben Quelle. Als sich Deutschland brutal gegen Juden wendete, gab es überwiegend nur ein lautes Schweigen und teilweise sogar ein aktives Mitlhelfen der christlichen und islamischen Religionen. Das war gelebte christlich-islamische Zusammenarbeit. Heute haben sich die Christen zwar von ihrem radikalen Judenhass verabschiedet, aber unter Muslimen gibt es ihn leider noch. Mehrere islamische Staaten, unter ihnen Algerien, Saudi-Arabien, Jordanien und Libyen sind nach wie vor stolz darauf, „judenfrei“ zu sein. Sie haben geschafft, woran Hitler gescheitert war.
Zudem haben die brutalsten judenfeindlichen Ausschreitungen in Europa mittlerweile oft einen islamistischen Hintergrund. Am 21. Januar 2006 wurde in Frankreich Ilan Halimi von einer Gruppe muslimischer Einwanderer entführt und über einen Zeitraum von drei Wochen gefoltert, weil er Jude war. Er erlag seinen Verletzungen. Am 8. Juli 2014 griff ein arabischer Mann ein 17-jähriges jüdisches Mädchen auf einer Straße in der Nähe des Pariser Nordbahnhof tätlich an und sprühte ihr Pfeffer-Spray ins Gesicht. Im gleichen Monat wurde ebenfalls in Paris ein Brandanschlag auf eine Synagoge verübt. Im selben Monat kam es in vielen Städten Deutschland zu Demonstrationen, bei denen die Vergasung von Juden gefordert wurde. Am 19. März 2012 wurden vier Menschen vor einer jüdischen Schule in Toulouse getötet, drei der Opfer waren Kinder. Im Jahr 2014 wurden in Brüssel im Jüdischen Museum drei Menschen durch einen Islamisten ermordet. Im gleichen Jahr riefen Islamisten auf deutschen Straßen dazu auf, Juden zu vergasen!
Es gibt eine Menge Verbindung zwischen Mohammed, Luther und Hitler. Die Verbindung mag vielen schmerzen, sie ist verstörend, aber deshalb nicht minder real und kann nicht geleugnet werden.
Aber auch viele Religionskritiker und Aufklärer waren glühende Judenhasser. Voltaire zum Beispiel schreibt über Juden: „Sie wurden alle mit rasendem Fanatismus im Herzen geboren, so wie die Bretonen und Deutschen alle blond sind“. An einer anderen Stelle schreibt er: „Mich würde nicht im mindesten wundern, wenn diese Leute eines Tages gefährlich würden für das Menschengeschlecht.“ Er spricht sich sogar für eine Bestrafung aller Juden aus: „Ihr übertrefft sämtliche Nationen mit euren unverschämten Märchen, eurem schlechten Benehmen und eurer Barbarei. Ihr habt es verdient, bestraft zu werden, denn das ist euer Schicksal.“
Voltaire stand mit seinem Judenhass keineswegs allein da. Der Judenhass ist keineswegs eine Ausnahme oder ein Randphänomen der Aufklärung. Er ist sogar erschreckend wandelbar.
Der christliche Judenhass nannte sich Antijudaismus. Antijudaisten nannten Juden Kindermörder, verfolgten sie und griffen ihre Synagogen an. Antijudaismus ist der Hass auf das Judentum als Religion. Mit der Aufklärung nahm der christliche Antijudaismus ab. An seiner Stelle nahm der Antisemitismus den Platz ein. Antisemiten erklärten Juden zu einer minderwertigen Rasse nannten Juden Kindermörder, verfolgten und ermordeten sie und griffen ihre Synagogen an. Antisemitismus ist der Hass auf das Judentum als vermeintliche Rasse.
Als der Antisemitismus aufkam, kannten viele Menschen nur den klassischen Antijudaismus, den sie nicht mehr als so große Gefahr ansahen. Das Christentum hatte seine absolute Macht eingebüßt. In Deutschland wurden Juden Ende des 19. Jahrhunderts vollwertige Bürger des Deutschen Kaiserreichs. Als der Antisemitismus aufkam, wurde er fahrlässig unterschätzt. Deshalb konnte er wüten.
Mit dem Ende des Nationalsozialismus nahm auch der Antisemitismus langsam ab. An seine Stelle trat eine neue Form des Judenhass: der Antizionismus. Antizionisten erklären Juden zu einem Volk, dass nichts aus dem Holocaust gelernt haben soll. Antizionisten nennen Juden Kindermörder, verfolgten und ermordeten sie und greifen ihre Synagogen an. Antizionismus ist der Hass auf das Judentum als Nation. Antizionismus als sekundärer Antisemitismus bezeichnet. Antisemitismus ist jedoch bereits sekundärer Antijudaismus. Der Hass auf Israel ist somit nichts weiter als tertiärer Judenhass!
Ob nun aber Antijudaismus, Antisemitismus oder Antizionismus, in allen drei Fällen ist die Definition von Judenhass gleich. Henryk M. Broder hat es auf die einfache Formel gebracht:
“Ein Judenhasser ist, wer an Juden kritisiert, was er an anderen Menschen nicht kritisiert.”
Wie einst der Antisemitismus unterschätzt wurde, wird heute der Antizionismus unterschätzt. Viele Menschen in der Bundesrepublik Deutschland, in der Juden so gleichberechtigt sind, wie sie es einst im Deutschen Kaiserreich waren, für das einige Juden sogar in der Armee gekämpft hatten, haben immer noch nur das Phänomen des Antisemitismus‘ im Kopf.
Die hysterische Kritik gegen Israel ist purer Antizionismus, weil sie an Israel kritisiert, was sie allen anderen Ländern der Welt durchgehen lässt. Zudem ist die Kritik sinnlos! Die Hamas hasst Israel nämlich nicht aufgrund eines bestimmten Handels. Sie hasst Israel, weil Israel überhaupt handeln kann, egal wie. Es ist die pure Existenz Israels, die nicht erwünscht ist.
Klassische Antisemiten bedienen sich daher bei dem Antizionismus, um ihren Hass ausleben zu können. Im Wahlkampf für das Europäische Parlament im Jahr 2019 warb die Partei Die Rechte mit dem Wahlspruch: “Israel ist unser Ungück!“ Im Oktober 2019 zogen siebzig Neonazis durch die Dortmunder Nordstadt und riefen dabei Parolen wie „Palästina hilf uns doch, Israel gibt es immer noch“ und „Nie wieder Israel“. In der Nacht vom 27. auf den 28. März 2011 wurden in Aachen jüdische Einrichtungen mit Hakenkreuzen beschmiert und dazu der Slogan: „Freiheit für Palästina“.
Der Antizionismus wird in Deutschland so fahrlässig unterschätzt wie einst der Antisemitismus. Im Juni 2014 wurde ein Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal verübt. Das Gericht verurteilte die Täter zu milden Strafen und begründete das niedrige Strafmaß mit der Feststellung, es gäbe keine Anhaltspunkte für eine antisemitische Tat, da die Täter erklärt hatten, dass sie Palästinenser seien und lediglich die Aufmerksamkeit auf den Gaza-Konflikt lenken wollten.
Im Oktober 2019 versuchte ein Mann mit einem Messer bewaffnet die Synagoge in Berlin zu stürmen. In Haft blieb er allerdings nur kurzzeitig, da die Staatsanwaltschaft erklärte, Gefahr sei nicht in Verzug gewesen. Auch der Anschlag auf die Synagoge in Halle ein paar Tage später wurde nicht von der Polizei gestoppt. Sie war an dem Tag nicht vor der Synagoge anwesend, obwohl im Inneren mit Jom Kippur der höchste Feiertag der Juden begangen wurde. Der Anschlag wurde vereitelt von einer Holztür, die wie ein Wunder verschlossen blieb.
Juden leben gefährlich und oft scheitert der deutsche Staat daran, Juden zu schützen. Aber so wie Juden den Antijudaismus und den Antisemitismus überlebt haben, so werden sie auch den Antizionismus überleben. Der Antijudaismus hatte einst mit Luther einen bedeutenden deutschsprachigen Unterstützer. Der Antisemitismus hatte in Hitler seinen besten Verbündeten. Heute schauen wir mit Unverständnis auf diese Zeiten zurück und fragen uns, wie eine solche einseitige Hetze sich gesellschaftlich Bahn brechen konnte. In ferner Zukunft wartet auch auf den Antizionismus dieses Unverständnis. Die Frage ist, wie entscheidet sich Deutschland diesmal?