Die Süddeutsche macht den Stürmer!

Mit diesem Artikel habe ich mir etwas Zeit gelassen. Heute morgen erhielt ich folgende Mail auf Facebook:

Hallo lieber Gerd,

haben Sie das hier heute schon gesehen?

http://twitpic.com/d0d5f1

Ich schicke Ihnen den Link, weil ich keine Person kenne, die dafür klarere und besser Worte finden könnte, um diesen Artikel samt Bild zu verurteilen.

Liebe Grüße,
S.

Ich öffnete den Link und wollte meinen Augen nicht trauen. Meine erste Worte waren daher nur:

20130702-184829.jpg

Ich sah ein Bild von dem mir hoch geschätzten und verehrten Künstler Ernst Kahl in einem offen antisemitischen Kontext. Ernst Kahl ist für mich die perfekte Mischung zwischen Pieter Bruegel dem Älteren und Jim Henson. Ich wollte einfach nicht glauben, dass sich dieser wunderbare Cartoonist zu einer antisemitischen Schmiererei für die Süddeutsche Zeitung habe hinreißen lassen.

Ich wollte vor dem Verfassen eines Artikels für Tapfer im Nirgendwo erst Kontakt mit dem Maler aufnehmen, aber schon ein paar Stunden später bestätigte Michael Wulinger von der Jüdische Allgemeinen meine Vermutung. Ernst Kahl hatte von dem Missbrauch eines Bildes von ihm für antisemitische Zwecke nichts gewusst. Durch Anrufer hatte er erfahren, dass eine seiner Zeichnungen in einem Kontext erschienen war, der von Dieter Graumann als „fast schon ›Stürmer‹-Niveau“ bezeichnet wurde.

Ernst Kahls Reaktion auf diesen Missbrauch fiel eindeutig aus: „Ich bin entsetzt!“ Die Süddeutsche Zeitung habe einen Fundus seiner Bilder, aus dem sie sich immer wieder ohne Rücksprache für Illustrationen bediene. Er wäre gern vorher gefragt worden, denn dann hätte er mit Sicherheit Nein gesagt.

Was war geschehen? Ein Bild von Ernst Kahl, das ein raffzähniges, gehörntes Monster mit Messer und Gabel in der Hand zeigt, das im Bett sitzt und von einer Frau mit Essen versorgt wird, wurde von der Redaktion mit folgender Bildunterschrift versehen:

„Deutschland serviert. Seit Jahrzehnten wird Israel, teils umsonst, mit Waffen versorgt. Israels Feinde halten das Land für einen gefräßigen Moloch.“

Auf einmal war also Israel das gefräßige Monster und Deutschland die Dienerschaft des Monsters. Dabei ist der Artikel von Heiko Flottau, der durch die Zeichnung bebildert wird, nicht antisemitisch. Lizas Welt schreibt dazu:

„Die Rezension selbst ist dabei noch nichts, was man in Bezug auf die Thematik nicht ohnehin von dieser Zeitung kennt und gewohnt ist: »Welchen Charakter hat dieses Israel heute, für dessen Bestand die Bundesrepublik seit mehr als einem halben Jahrhundert Milliardensummen ausgibt?«, fragt Flottau vor allem rhetorisch, bevor er den amerikanischen Politikwissenschaftler Beinart und den früheren ARD-Korrespondenten Sonne genau jene Antworten geben lässt, die der gemeine SZ-Leser erwartet: An die Stelle »jüdischer Ohnmacht« sei »jüdische Macht« und vor allem deren »Missbrauch« getreten, weshalb die Juden mit sich »ins Gericht gehen« sollten, statt weiterhin eine »großisraelische Versuchung« zu unterstützen und dafür auch noch Hilfe aus Deutschland in Anspruch zu nehmen.“

Auch das Bild selbst ist nicht antisemitisch, im Gegenteil: Das Bild ist wunderbar. Erst die Verbindung des Bildes mit dem Text und die Bildunterschrift lassen antisemitische Vorurteile aufkommen. Der Autor ist unschuldig, der Zeichner sowieso. Die Redaktion hat diesen Antisemitismus zu verantworten. Die zuständige Redakteurin ist: Franziska Augstein.

Franziska Augstein ist interessanterweise mit einem Mann verwandt, der bereits folgende Phrasen gedroschen hat:

„Wenn Jerusalem anruft, beugt sich Berlin dessen Willen.“ (Spiegel)

„Israel bekommt das, was es will. Und dafür muss Israel nicht einmal zahlen.“ (Spiegel)

Die Entschuldigung der Süddeutschen Zeitung ist daher mehr als peinlich:

„Nur die Feinde Israels sehen Israel in der Weise, die dem abgebildeten Monster ähnelt.“

Ja, Franziska, zum Beispiel Dein verfickter Halbbruder sieht Israel so.

„Außerdem ist der Staat Israel nicht mit dem Judentum gleichzusetzen.“

Dafür, dass angeblich nur die Feinde Israels das Land als gefräßiges Monster sehen, hatten Sie sehr schnell ein passendes Bild zur Hand, um diesen Hass zu bebildern.

„Nachdem das Bild aber zu Missverständnissen geführt hat, wäre es besser gewesen, ein anderes zu wählen.“

Entweder hat die Redaktion der Süddeutschen Zeitung keine Ahnung von der deutschen Geschichte des kulturellen Judenhass‘ oder sie hat ganz bewusst das Missverständnis in Kauf genommen. Die Redaktion der Süddeutschen Zeitung besteht somit entweder aus dummen Antisemiten oder aus offenen Antisemiten. Ich kann nicht sagen, was ich schlimmer finde.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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