2016 – ein Epilog

Ein Epilog von Alpha O’Droma, der über mich sagt:

„Gerd Buurmann, ein furchtbarer Polemiker, mit dem sich allerdings vortrefflich streiten lässt. Ich möchte ihn stets erwürgen oder knuddeln. Auf jeden Fall provoziert er immer eine Reaktion – das größte Kompliment für einen Polemiker.“

Hier sein Epilog:


2016 begann beschissen. Unsere linksgrünversiffte Gutmenschenillusion, alle Flüchtlinge wären promovierte Ärzte und Ingenieure mit vornehmem Charakter, zerplatzte bereits am 1.1. und wir mussten feststellen, dass das genau so dumme Arschlöcher sind wie wir. Also statistisch.

Nur kam hier bereits das Wort des Jahres zum Zuge und die weltweit neu erstarkte rechtspopulistische Front (also unsere Arschlöcher, die meinen, sie wären repräsentativ für uns) zog über Migranten her (dem Trugschluss erlegen, deren Arschlöcher wären repräsentativ für alle Migranten) und sie zog uns Jack Nicholson gleich über den Post-Fuck-Tisch und wie weiland Jessica Lange stöhnten wir nur ergeben: „Ja, das muss dann wohl so sein…“ und ließen uns ficken.

Wir Deutschen sind solche verkackten Prinzipienreiter und Schwarzweißseher! So eine Ansprache, die packt die empörungswillige Volksseele. Und sie erreicht, wozu sie geschaffen ist: ein Klima von Angst, Hass und Gewalt. Und damit kriegen die Populisten alle Spießer und Kleinbürger. Weltweit.

Spießer sind aber nicht per se schlechte Menschen – auch wenn ich als Flower-Power-Saddhu-Schüler immer gehässig über sie spreche, weil ich finde, dass Stöcke in Ärschen schlecht für jedwege Haltung sind. Immerhin das haben wir 2016 begriffen, dass nicht jeder, der wegen der Flüchtlinge eine Sorge äußert, Nazi oder Rassist ist. Und dass wir die wirklich besorgten Bürger an die Rechtspopulisten verlieren, wenn wir „besorgter Bürger“ automatisch mit dem Subtext „rassistischer AfD-Sympathisant“ versehen.

Unsere Aufgabe für 2017 ff. ist, eine neue Dialogkultur zu entwickeln, die diese Menschen adressiert, wollen wir verhindern, dass sich die AfD bundesweit als echter Machtfaktor etabliert. Der schlechteste Weg ist, die AfD zu imitieren, Herr Seehofer!

Deshalb ist für mich auch „Filterblase“ das Wort des Jahres. Postfaktisches ist nicht neu, schließlich existiert die BILD seit 1952 und dumme Hetze, die Lügengeschichten über Randgruppen erfindet, gab es auch schon immer. Es gibt auch nicht mehr Rassisten als früher.

Der einzige Unterschied zu früher ist, dass das nicht mehr in der Kneipe am Stammtisch geschieht. Die Doofen haben heute alle Internet. Deshalb geschieht Hetze jetzt öffentlich und jede Lügengeschichte wird tausendfach geteilt. Es schlummert etwas Heimtückisches in diesen Facebook-Algorithmen, die dafür sorgen, dass wir uns mit genau den Menschen umgeben, die so denken wie wir. Klar müssen Rassisten in Dresden glauben, sie wären das Volk, denn jeder in ihrem Umfeld erzählt die gleichen Horrorgeschichten über Migranten, die allesamt kriminelle Vergewaltiger sind und in ihrer Freizeit Ziegen schächten. Im Wohnzimmer!

Aber uns Gutmenschen betrifft es genauso. Wir schreiben gegen Rechts und klopfen uns gegenseitig ganz dolle auf die Schultern, denn schließlich geht es darum, wer die Guten und wer die Bösen sind. Ja klar, die Guten sind immer wir! Aber wem soll das helfen, wenn wir uns gegenseitig ganz toll finden, aber dabei völlig unter Unseresgleichen bleiben?

Klar kannst du mit einem echten Pegidioten nicht reden und du wirst keinen echten Rassisten überzeugen, doch um die geht es nicht, sondern um die verunsicherte Mehrheit in diesem Land. Zwischen rechtem Pöbel und Bahnhofsklatschern hocken viele Millionen Menschen, die nicht mehr wissen, was und vor allem wem sie glauben sollen. Klar ist der Lügenpressevorwurf lächerlich, vor allem, da er von Leuten kommt, die nachweislich noch nie in ihrem Leben eine gute Zeitung gelesen haben, aber er fällt auf den fruchtbaren Boden der Angst und Verunsicherung, speziell im Osten, wo man der Presse traditionell nie trauen konnte. „Was liegt auf der Treppe und lügt?“ hieß es da früher. Die Pointe lautete „Neues Deutschland“ (das war das SED-Einheitspresseorgan – für die Jüngeren unter uns).

Wer nicht mehr weiß, was er glauben soll, glaubt am Ende jeden möglichen Scheiß, solange der ins eigene xenophobe Weltbild passt. Und auch Xenophobe sind per se keine schlechten Menschen, sondern nur Menschen, die Angst vor dem Fremden haben. Und so lange es dagegen nix von Ratiopharm gibt, müssen wir uns um diese Menschen kümmern, egal für wie dämlich, provinziell oder rassistisch wir sie halten. Viele sind es nicht! Ich kenne herzensgute Leute, die jedem einzelnen Migranten offen und freundlich begegnen, aber im gleichen Atemzug Sätze sagen wie „Das mit den Ausländern wird einfach zu viel“, „Wieso müssen WIR die alle aufnehmen?“ oder „Man hat ja Angst auf die Straße zu gehen“, weil man ja dort sofort von Asylanten vergewaltigt oder ausgeraubt wird. Gefühlte Wirklichkeiten, denen man mit Fakten begegnen kann. Könnte. Denn wenn du diese irrationalen Ängste z.B. mit Kriminalitätsstatistiken widerlegst, kommt sofort der Zweifel, ob diese Statistik des Bundeskriminalamtes nicht gefälscht sei. Weil heutzutage alles Fake ist. Und jeder einen kennt, der das eigene Vorurteil bestätigt. Frag die Irene! Das hat die selbst erlebt!

Die Menschen müssen wieder differenzieren lernen. Nie stand jedermann so viel Information zur Verfügung wie heute, doch was nützt das jemandem mit der Medienkompetenz eines Gibbons? Der recherchiert nicht, sondern schaltet bei Reizüberflutung einfach auf Oberflächlichkeitsmodus und liest nur noch Schlagzeilen. Und da wird dann nicht mehr unterschieden zwischen einer Headline der Süddeutschen oder des Kopp-Verlages. Und auch um den Gibbon müssen wir uns kümmern, wir brauchen Medienkompetenz als Schulfach, damit die Menschen filtern lernen und die Qualitätsmedien, die wir durchaus haben, auch in ihren Augen wieder an Glaubwürdigkeit gewinnen. Und damit sie Bullshit und Fakenews von echten Nachrichten unterscheiden können.

Wir müssen den Dialog offen halten. Den Dialog mit diesen Menschen überhaupt erst mal beginnen und nicht immer gleich verurteilen, DAS hat uns 2016 hoffentlich gelehrt, denn weder der rechte Pöbel noch die Gutmenschenfraktion entscheidet zukünftige Wahlen, sondern die riesige verunsicherte Masse zwischen diesen beiden Lagern.

Was war noch 2016?

Endlich mal ein wichtiges Spiel gegen Italien gewonnen! Wenige Tage später lachten die Franzosen: Endlich mal ein wichtiges Spiel gegen Deutschland gewonnen! Und am Schluss heulte Ronaldo und die Portugiesen lachten: Endlich mal ein wichtiges Spiel gewonnen! Was bleibt, ist lediglich die Erkenntnis, das Jérôme ’ne coole Sau ist, die jeder gern als Nachbar hätte. Außer Gauland.

Promisterben.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber dieses ganze Betroffenheitsgeheuchele geht mir dermaßen auf den Sack! Die allermeisten hatten ein gesegnetes Alter erreicht. Zeit zu gehen, so what!? Da berührt Carrie Fisher oder Prince schon eher, die waren doch noch so jung! Nein, so jung waren die auch nicht mehr, wir haben sie nur so jung in Erinnerung, weil wir mit denen unsere Jugend verbracht haben. Und deshalb diese lächerliche Betroffenheit bei jedem Sänger oder Schauspieler: weil ihr Tod uns bewusst macht, dass wir selbst nicht mehr ganz taufrisch sind, dass die Einschläge näher kommen, dass – wenn schon die Helden unserer Jugend die Grätsche machen – auch wir bald fällig sind. Wir bejammern, wenn wir ganz ehrlich sind, also nur unsere eigene Sterblichkeit!

Der Terror ist nun auch in Deutschland angekommen.

War doch klar, dass das nicht an uns vorüber geht, oder? Eine Frage der Zeit. Dass es so lange gedauert hat, liegt wahrscheinlich daran, dass wir Deutsche im arabischen Raum gut gelitten sind. Auf meinen Reisen durch Pakistan und Afghanistan während des Golfkrieges 1990/91 bewarf man mich – wie jeden Westerner – oft mit Steinen. Doch ich musste dann nur die Hände heben und meinen damals noch grünen Pass zeigen: „Alemania!“ und sogleich wurde mir anerkennend auf die Schulter geklopft „Adolf Hitler very good man“, so als hätte ich höchstpersönlich 6 Millionen Juden vergast. Applaus von den falschen Leuten aus den falschen Gründen gab es also schon vor facebook

Doch ich schweife ab. Sorry! Zum Terror gibt es nicht viel zu sagen. Hört einfach auf mit dieser gefühlten Angstscheiße! Wenn man euch sagt, dass die Wahrscheinlichkeit, an einem Kirschkern zu ersticken, 100.000 mal größer ist, als bei einem Terroranschlag draufzugehen, kriegt ihr dann Panik beim Anblick von Kirschkonfitüre? Nein. Na also! Nehmen wir uns ein Beispiel an den Norwegern und leben einfach so weiter wie bisher – frei und offen! Der Berliner macht das sowieso. Da kann der IS morgen eine schmutzige Bombe vor dem Reichstag hochgehen lassen, dass Mitte und Prenzlberg komplett verseucht in Schutt und Asche liegt, da zucken wir in der Muddastadt nur mit den Schultern und sagen Sachen wie „Wenigstens hattet die janzen Drecksschwaben erwischt“ (Politiker, Hipster, jeder kann sein persönliches Feindbild hier einsetzen) oder „Scheiß druff! Da war eh immer nur Stau!“

Fatalismus ist keine Gleichgültigkeit! In der Ruhe liegt die Kraft.

In diesem Sinne wünsche ich uns allen mehr Gelassenheit. Bleibt gesund und geht liebevoll miteinander um, ihr Lutschpuppen! Ich wünsche euch einen guten Rutsch in ein geiles 2017.

Euer
Alpha O’Droma

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(TINAOD)

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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