Das wäre wirklich der Tiefpunkt!

Das Erste wird am 21. Juni 2017 um 22:15 Uhr die für arte produzierte TV-Dokumentation „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ senden und im Anschluss eine Diskussionssendung folgen lassen. In der Presseerklärung des Ersten heißt es:

„Dabei werden auch die vom WDR beanstandeten handwerklichen Mängel der Dokumentation berücksichtigt.“

Welche handwerklichen Mängel genau gemeint sind, da hält sich die Presseerklärung noch zurück. Bisher wurde noch kein handwerklicher Mangel bewiesen. Wir erfahren nur:

„So enthält der Film Tatsachenbehauptungen, für die es nach jetzigem Kenntnisstand des WDR keine ausreichenden Belege gibt.“

Welche Tatsachenbehauptungen sind gemeint? Bisher kann nur vermutet werden. Vielleicht will der WDR leugnen, dass mit den Geldern, die in die Kassen der palästinensischen Autonomie fließen, Terror gegen Israel finanziert wird. Vielleicht will der WDR leugnen, dass Abbas im Europäischen Parlament eine Rede gehalten, in der er nachweislich, wie er später zugeben musste, gelogen hatte, Rabbiner würden Brunnen vergiften, was einen großen Teil des Parlaments jedoch nicht davon abgehalten hatte, ihm nach der Rede stehenden Applaus zu zollen. Vielleicht will der WDR aber auch den jundenfeindlichen Aspekt beim Anschlag am 13. November 2015 im Pariser Theater Bataclan leugnen.

Am 13. November 2015 wurden im Zuge einer dschihadistischen Terroranschlagserie in Paris hunderte Konzertbesucher während des Auftritts der Band Eagles of Death Metal im Konzertsaal des Bataclan von drei schwer bewaffneten Terroristen als Geiseln genommen. Die Terroristen feuerten mit Kalaschnikow-Sturmgewehren in das Publikum und warfen Handgranaten in die Menge. Insgesamt wurden im Bataclan-Theater 90 Menschen ermordet. Das Theater wurde von den Mördern nicht zufällig gewählt.

Am 20. Dezember 2008 drehten arabische Terroristen einen Film des Hasses über das Theater und Caféhaus Bataclan, in dem am 13. November 2015 brutal gemordet wurde. Damals drängten vermummte Männer zum Eingang des Bataclans mit einer klaren Nachricht für die jüdischen Besitzer. Ein Mann sprach:

„Der Zorn und die Revolte in meinen Vierteln ist etwas, das wir nicht länger kontrollieren können, darum haben wir eine Nachricht für die Leiter dieses Theaters. Heute bin ich noch nett, aber eins sollten Sie wissen, mit all den Männern, die wir hinter uns haben, wir werden sie nicht mehr lange zurückhalten können. Das ist es, was ich sagen wollte und jetzt werde ich zurückziehen. Aber wisse das, wir werden mit Ungeduld warten!“ 

http://www.liveleak.com/view?i=4d8_1447514351

Dieses Video wurde als Propagandavideo von Terroristen für Terroristen gemacht. Sogar noch kurz von den Anschlägen wurde dem Bataclan mit Anschlägen gedroht. Die Bedrohungslage wurde so heftig, dass die jüdischen Besitzer das Theater kurz vor dem Anschlag verkaufen mussten.

An dem Tag des Anschlags spielte die Band Eagles of Death Metal in dem Theater. Die Band hatte sich ebenfalls bei islamischen Fundamentalisten und deren Unterstützer sehr unbeliebt gemacht, da sie sich lautstark gegen Israelhass ausgesprochen hatte. Einige Monate vor dem Anschlag zum Beispiel wurde die Band unter anderem vom Pink Floyd Mitbegründer Roger Waters aufgefordert, einen geplanten Auftritt in Israel abzusagen, da Israels Behandlung von Palästinensern laut Roger Waters mit den Verbrechen der Nazis zu vergleichen sei. Er drängte die Musiker von Eagles of Death Metal in einem Brief, nicht in Tel Aviv aufzutreten. Am 12. Juli 2015 traten sie dennoch in Israel auf. Der Vormann der Band, Jesse Hughes, rief sogar ein paar deutliche Worte von der Bühne: „Wisst Ihr, was ich zu Roger Waters sage? Zwei Worte: Fick Dich!“

Vier Monate später wurden in einem Konzert dieser Band, in einem Theater, das von islamischen Terroristen als jüdisches Theater angesehen und schon mehrmals bedroht wurde, neunzig Menschen ermordet. In der deutschen Berichterstattung wurde jedoch über diese judenfeindlichen Hintergrund kaum berichtet. Vermutlich, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.

Ich habe generell das Gefühl, dass die judenfeindlichen Morde in Europa allesamt stets ein wenig runtergespielt werden. Am 21. Januar 2006 wurde Ilan Hamimi in Frankreich von einer Gruppe muslimischer Männer entführt und über einen Zeitraum von drei Wochen zu Tode gefoltert, weil er Jude war. Ihm wurde unter anderem bei lebendigem Leibe der Penis abgeschnitten. Nach dem Mord wurde von einigen Seiten ernsthaft diskutiert, ob der Mord einen judenfeindlichen Hintergrund haben könne.

Am 19. März 2012 wurden drei Kindern und ein Erwachsener vor einer jüdischen Schule in Toulouse von einem selbsternannten Kämpfer des Islams ermordet, weil sie Juden waren. Am 24. Mai 2014 wurden zwei Israelis und eine Französin im Jüdischen Museum in Brüssel erschossen. Am 3. Dezember 2014 wurde ein jüdisches Paar in Paris brutal überfallen. Die Angreifer stürmten in die Wohnung und brüllten: „Ihr seid Juden, also seid ihr reich!“ Sie raubten Schmuck und Geld und vergewaltigten die Frau vor den Augen ihres Freundes. Wochen zuvor hatten dieselben Täter einen siebzigjährigen Juden verprügelt. Am 9. Januar 2015 nahm ein selbsternannter Kämpfer des Islamischen Staats in einem jüdischen Supermarkt mehrere Geiseln und tötete vier Juden. Der Mörder rief während der Geiselnahme den französischen Sender BFMTV an, um seine Forderungen zu verbreiten. Als der Sender fragte ob er das Geschäft aus einem bestimmten Grund ausgesucht habe, kam die Antwort prompt: “Ja. Die Juden!”

All diese judenfeindlichen Verbrechen hat die „Auserwählt und ausgegrenzt – Der Hass auf Juden in Europa“ von Joachim Schroeder und Sophie Hafner dokumentiert. Ich hoffe, der WDR sinkt nicht so tief und stellt die judenfeindliche Motivation der Mörder in Frage. Das wäre wirklich der Tiefpunkt!

Es würde jedoch in das Jahr 2017 passen, denn es begann mit einer Einladung an alle Judenhasser, weil zu Beginn des Jahres ein mildes Urteil gegen drei junge Männer, die im Sommer 2014 einen Brandanschlag auf die Synagoge in Wuppertal verübt hatten, rechtsgültig wurde. Das Oberlandesgericht Düsseldorf verwarf im Frühjahr 2017 einen Antrag auf Revision und erklärte somit die Begründung des Amtsgerichts in Wuppertal für gültig, das das niedrige Strafmaß mit der Feststellung begründet hatte, es gäbe „keine Anhaltspunkte für eine antisemitische Tat“. Das Wuppertaler Amtsgericht folgte damals der Logik der Attentäter, die gestanden hatten, im Sommer 2014 Brandsätze auf die Synagoge geschleudert zu haben, jedoch ebenfalls erklärt hatten, dass sie damit die Aufmerksamkeit auf den Gaza-Konflikt lenken wollten.

Das Wuppertaler Amtsgericht erklärte somit, wenn ein Anschlag auf eine jüdische Einrichtung in Deutschland verübt wird, weil jemandem die Politik Israels nicht gefällt, das nicht unbedingt Judenhass sein müsse, sondern durchaus als Israelkritik durchgehen könne, die halt nur etwas zu weit gegangen sei.

Ich bin mal gespannt, wann der erste Anschlag auf eine Moschee als überzogene Kritik am Iran oder ein Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim als überzogene Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik bezeichnet wird. Und ich bin mal gespannt, ob bei Maischberger das Niveau so sehr sinken wird, dass die judenfeindliche Motivation der Terroristen der letzten Jahre in Frage gestellt wird. Da hat das Erste nämlich schon Übung drin.

Als im Jahr 2014 der Judenhass in Deutschland hochkochte, als Menschen in Deutschland auf die Straße gingen, um die Vergasung von Juden zu fordern, erklärte Sabine Rau in einem Kommentar in den Tagesthemen, die Sprüche, Juden zu töten, seien zwar „absolut inakzeptabel“, doch unter den Demonstranten seien schließlich auch „Palästinenser, die die Verzweiflung auf die Straße treibt“ und „Deutsche, die sich empören über den brachialen Feldzug“ Israels. Es wurden Parolen gebrüllt wie diese:

„Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“
„Juden ins Gas!“
„Adolf Hitler!“
„Tod den Juden!“

Sabine Rau aber erklärte in diesem Zusammenhang, es ginge nicht an, einseitig nur die Hamas zu verurteilen.

In Anbetracht der Tatsache, dass die Hamas in ihrer Gründungscharta die Vernichtung aller Juden fordert, während die israelische Unabhängigkeitserklärung erklärt, im Frieden mit allen arabischen Nachbarn leben zu wollen, war Sabine Raus Kommentar so geschmackvoll wie die Aussage: „Es ist nicht gerade mutig zu sagen, am Holocaust seien nur die Deutschen Schuld. Kritik an Juden muss erlaubt, gerade unter Freunden.“

Damals ging Sabine Raus Kommentar handwerklich ganz sauber durch.

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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