Solidarität mit Mohammed Ali Slim

Am Abend des 1. Novembers 2021 schrieb Mohammed Ali Slim auf Twitter, seine Onkel hätten ihn besucht, um mit ihm über die Karikatur „reden zu wollen“, die er auf Twitter veröffentlicht hatte. Es handelt sich dabei um diese Karikatur:

Mohammed Ali Slim schreibt:

„Als ich mich im Badezimmer einschließen wollte, stürmten sie rein und konfrontierten mich zur Karikatur. Zum Glück schaffte ich es, das Fenster zu öffnen und Hilfe zu rufen. Meine Hilferufe, hörten wohl die Nachbarn und riefen die Polizei. Ich danke der Polizei für das schnelle Eintreffen und für die Sicherheit die wir hier in diesem Land haben. Leider ist das nicht genug. Es muss mehr passieren. Religiöse Fataniker dürfen nicht die Oberhand gewinnen! In diesem Land herrscht „Gesetz vor Gott“ und nicht „Allah vor deutsches Gesetz“. Als gläubiger Muslim sage ich: Man kann gläubig sein, aber man muss sich vorher im Klaren sein, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu achten und sie wahren.“

Immer wieder bekommt Mohammed Ali Slim bedrohliche Anrufe und Zuschriften, so wie diese:

„In meiner Religion müssen Leute wie du hingerichtet werden. Du bist zwar nicht Teil meiner Religion aber deine Existenz verletzt meine Religion. Also sollten wir dich steinigen.“

„Dich zu töten ist halal.“

„Möge Allah dich vernichten.“

Fick Dich Allah in Deinen Mund, in Deinen Arsch, in Deine Fotze!

Das Musical „The Book of Mormon“ gehört mit neun Antoinette Perry Auszeichnungen für exzellentes Theater zu den erfolgreichsten Theaterstücken aus den USA. Es ist ein Stück über die Macht der Hoffnung, die selbst in dem abstrusesten Glauben liegen kann. Die Religion, die in diesem Stück am meisten veralbert wird, ist die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, auch als Mormonen bekannt.

In einem Lied des Musicals klagen ugandische Dorfbewohner über ihre Sorgen und Nöte, die so schlimm sind, dass ihre Situation nur noch mit dem ständigen, ekstatischen Rufen eines Sprichwortes zu ertragen ist: „Hasa Diga Eebowai!“ Auf deutsch bedeutet das: „Fick Dich Gott!“

Hier ein Teil des Liedes in deutscher Übersetzung.

Es gibt nicht genug zu essen. Hasa Diga Eebowai! Menschen verhungern in den Straßen. Hasa Diga Eebowai! Es hat seit Tagen nicht mehr geregnet. Hasa Diga Eebowai! Achtzig Prozent von uns haben AIDS. Hasa Diga Eebowai! Junge Frauen werden beschnitten, die Klitoris wird ihnen weggeschnitten, wir aber schauen in den Himmel und rufen: Hasa Diga Eebowai!

Wenn die Welt dich runterzieht und da ist niemand, dem Du die Schuld geben kannst, erhebe Deinen Mittelfinger zum Himmel und verfluche seinen elenden Namen. Wenn Gott Dich in Deinen Hintern fickt, fick ihn zurück in seine Fotze!

Falls Ihr nicht mögt, was wir sagen, versucht einfach mal, ein paar Tage hier zu leben. Seht all Eure Freunde und Familie sterben! Hasa Diga Eebowai! Fick Dich! Fick Dich Gott in Deinen Mund, in Deinen Arsch, in Deine Fotze!

Auf arabisch bedeutet Gott „Allah“. „Hasa Diga Eebowai“ bedeutet somit auch „Fick Dich Allah“.

Was würde wohl geschehen, wenn auf dem Broadway so über Muslime gesungen werden würde wie über Christen? Es kämen gewiss viele muslimische Onkel in Badezimmer, um mal ein ernstes Wort zu sprechen. Köpfe würden rollen, so wie Köpfe schon angeschnitten wurden von Leuten, die es gewagt haben, den Islam so zu behandeln wie zum Beispiel das Christentum.

Es gibt bessere und schlechtere Kulturen. Wenn ich die Werte, die in islamisch beherrschten Ländern eingefordert werden, mit den Werten des Westens vergleiche, ist meine Meinung klar. Der Westen ist besser. Meinungsfreiheit ist besser. Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist besser. Die Freiheit der Kunst, der Wissenschaft und der Religion ist besser. Und ja, auch die Mormonen sind momentan im Durchschnitt besser als der Islam.

Die Mormonen sind besser, weil sie keine Ausschreitungen provozieren, keine Fahnen verbrennen, keine Todesurteile ausrufen und keine Morde verüben, nur weil ihr Glaube verarscht wurde. Die offizielle Antwort der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auf das Musical ist von einer beeindruckenden Gelassenheit geprägt. Es wurde umgehend erklärt, das Stück “The Book of Mormon” könne zwar für einen Abend unterhalten, das wahre Buch Mormon jedoch würde das ganze Leben durch Jesus verändern. Die Autoren des Musicals, Trey Parker und Matt Stone, kommentierten diese Reaktion wie folgt:

“Das ist eine coole, amerikanische Antwort auf eine Verarsche – ein großes Musical, das in ihrem Namen erschaffen wurde. Bevor die Kirche reagierte, kamen ein Menge Leute zu uns und fragten: “Haben Ihr keine Angst davor, was die Kirche sagen wird?” Trey und ich sagten bloß: “Sie werden cool bleiben.” Und die Leute sagten: “Nein, werden sie nicht. Sie werden protestieren.” Und wir sagten: “Nein, werden sie nicht, sie werden cool bleiben.” Wir waren somit nicht von der Reaktion der Kirche überrascht. Wir glaubten an sie.”

Die Vereinigten Staaten von Amerika sind auch besser als jedes vom Islam beherrschte Land. Es gibt Länder, die besser sind als andere Länder. Es gibt Länder, denen man näher steht als anderen. Auch Mohammed Ali Slim steht manchen Ländern nähern als anderen. Ganz besonders solidarisch zeigt er sich mit einem Land in dem zwanzig Prozent aller Bürgerinnen und Bürger dem Islam angehören: Israel.

Jeder fünfte Bürger in Israel ist Moslem und Mohammed Ali Slim erklärt, er sei „ein gläubiger Moslem, der sich zu Israel bekennt.“

Mit dieser Aussage ist er nicht allein. Es gibt viele Muslime, die sich offen zu Israel bekennen. Einige von ihnen sind sogar stolze, israelische Patrioten. Hier ein paar Beispiele:

Mohammad Zoabi:

„Mein Name ist Mohammad Zoabi. Ich bin ein stolzer israelischer, zionistischer, arabischer Moslem. Israel ist die Hoffnung für Demokratie. Ernsthaft! Israel ist das Licht in der Dunkelheit. Israel ist der Himmel inmitten der Hölle. Ich sage das nicht, um irgendeines unserer Nachbarländer zu beleidigen, überhaupt nicht, aber das ist nun mal die Tatsache. Schaut Euch Syrien an. Es ist einfach nur beschämend, was dort geschieht. Syrien ist gerade mal nur hundert Kilometer von meinem Haus entfernt, von dem Ort, an dem ich gerade stehe und dort werden die Menschen getötet. Menschen werden dort verfolgt, nur weil sie Freiheit fordern. Das ist beschämend! Homosexuelle werden im Iran und in Saudi-Arabien hingerichtet, nur weil sie schwul geboren wurden. Das ist beschämend!

Noor Dahri:

„Mein Name ist Noor Dahri. Ich bin ein britisch-pakistanischer und muslimischer Zionist. Es gibt dadurch keinen Widerspruch in meiner Identität. Zionismus bedeutet schlicht, das Recht des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung in seiner alten Heimat anzuerkennen. Das jüdische Volk wird von einem Großteil der muslimischen Welt wegen ihrer Volkszugehörigkeit, ihrer Religion und ihrem Land irrational verachtet. Ich aber habe erkannt, dass Juden und Israelis eine der friedlichsten Nationen der Welt sind. Seit der Staatsgründung im Jahr 1948 waren sie immer gezwungen, ihren Staat zu verteidigen. Die Geschichte zeigt, dass Israel sich nicht nur im Kampf verteidigt hat, sondern auch Frieden angeboten und territoriale Zugeständnisse an jene Nachbarn gemacht hat, die zuvor ihre Zerstörung gefordert hatten. Es wurde immer wieder bewiesen, dass Israel bereit ist, umstrittenes Land auszutauschen, solange sich ihre Feinde nur auf einen anhaltenden Frieden einigen konnten. Israel hat noch viel mehr Kompromisse vorgeschlagen, die jedoch allesamt von den Palästinensern und den anderen benachbarten arabischen Staaten ausgeschlagen wurden. Zionismus ist eine friedliche Ideologie, die andere dazu bringen soll, die Realität Israels als legalen und legitimen Staat für das jüdische Volk zu akzeptieren. Muslime sollten die politische Ideologie des Zionismus nicht fürchten oder verleumden. Sie sollten nicht die Flammen religiösen Hasses oder religiöser Konflikte anfachen.“

Sara Zoabi:

„Mein Name ist Sara Zoabi. Ich bin Araberin, Muslimin, Israelin und stolze Zionistin von Nazrat Ilit. Ich bin Araberin, weil ich Araberin bin. Ich bin Muslimin, weil ich Muslimin bin. Und ich bin Zionistin, weil ich an das Recht des jüdischen Volkes an einen eigenen Staat glaube, den Staat Israel, das Heilige Land. Wir leben hier im Paradies. Im Vergleich mit anderen arabischen Länder ist das hier der Garten Eden. Für mich gibt es kein anderes Heimatland als Israel. Ich habe keine andere Flagge. Welcher Ort ist besser als Israel? Hier kann ich tun, was ich in keinem anderen arabischen Land tun kann. Ich bin mir sicher, wie ich hier lebe, ist es nicht mal einem Prozent der Araber in den arabischen Nachbarländern vergönnt, aber hundert Prozent aller israelischen Araber leben so!“

Kothar:

„Mein Name ist Kothar. Ich bin 24 Jahre alt und komme aus dem Dorf Drijat im Negev. Ich gehöre zu einer 13-köpfigen religiösen Familie. Mein Vater arbeitet als Lehrer, während meine Mutter zu Hause bleibt. Ich arbeite als Lehrerin in einer israelischen Schule. Es gibt viele andere Araber wie mich, die in Israel leben und arbeiten. Sie haben Freude am Leben, arbeiten, passen sich an und haben keine Probleme hier. Wenn Menschen Israel boykottieren, dann boykottieren Sie mich und alle anderen Araber, die hier leben und arbeiten. Ich liebe meine Arbeit, die Freude meiner Kinder und ihre Liebe zu mir. Und ich liebe meine Kollegen und den Spaß mit ihnen und das freundliche Umfeld, das sie bieten. Ich genieße das alles und bin sehr glücklich darüber, erleben zu können, wie Kinder die arabische Sprache sprechen, die ich ihnen beibringe. Ich lebe seit sechs Jahren in Be’er Sheva in einem Apartment zusammen mit zwei jüdischen Mitbewohnerinnen. Wir sind sehr glücklich hier und es wäre wirklich hart für mich zu gehen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, irgendwann einmal zu gehen. Boykotts werden uns nur trennen und verletzen. Nur wenn wir zusammenarbeiten, können wir Frieden in unsere Zeit bringen.“

Mosab Hassan Yousef:

„Mein Name ist Mosab Hassan Yousef. Ich bin in Ramallah als Mitglied der Hamas aufgewachsen. Ich richte meine Worte an die palästinensische Autonomiebehörde, die von sich behauptet, die „alleinige legitime Vertretung“ des palästinensischen Volkes zu sein. Ich frage: Woher nehmen Sie diese Legitimität? Das palästinensische Volk hat Sie nicht gewählt, und es hat Sie nicht dazu veranlasst, von Ihnen vertreten zu werden. Sie haben sich selbst ernannt! Sie entführen palästinensische Studenten vom Campus und quälen sie in Ihren Gefängnissen. Sie quälen Ihre politischen Konkurrenten. Das Leiden des palästinensischen Volkes ist das Ergebnis Ihrer egoistischen politischen Interessen. Sie sind der größte Feind des palästinensischen Volkes. Würde Israel nicht existieren, hätten Sie niemanden, dem Sie Schuld zuschieben könnten. Übernehmen Sie Verantwortung für die Ergebnisse Ihrer eigenen Handlungen. Sie schüren die Flammen des Konflikts, um Ihre eigene missbräuchliche Macht zu erhalten. Sie benutzen sogar diese Plattform, um die internationale Gemeinschaft und die palästinensische Gesellschaft zu täuschen, um ihnen weiszumachen, Israel sei für die Probleme verantwortlich, die Sie selbst erschaffen haben.“

Mohammed Ali Slim ist wie die hier zitierten Männer und Frauen ein muslimischer Demokrat. Er erklärt:

„Mein Islam hat keine Angst vor Kritik, vor Karikaturen und auch nicht vor Satire. Als muslimischer Demokrat muss man die Spannung zwischen Meinungsfreiheit und Religion aushalten, wenn man in einer freien demokratischen Gesellschaft leben will.“

Ja, in einer Demokratie muss man Spannungen zwischen Meinungsfreiheit und Religionen aushalten. Es gehört jedoch auch zu einer Demokratie, dass man sich dort furchtlos und frei in Solidarität vereinigen kann. Ich erkläre daher:

Ich solidarisiere mich mit Mohammed Ali Slim. Er hat meine ganze Unterstützung, wenn es darum geht, sein Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit zu verteidigen.

Sollten Sie mich, Gerd Buurmann, in meiner Arbeit als Autor, Künstler oder Betreiber von „Tapfer im Nirgendwo“ unterstützen wollen, überweisen Sie gerne einen Betrag Ihrer Wahl auf mein Konto oder nutzen Sie PayPal.

https://www.paypal.me/gerdbuurmann

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
Dieser Beitrag wurde unter Nachrichten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.