Glüh im Glanze dieses Antisemitismus‘

„Ein glühender Antisemit in Deutschland ist jemand, der mit Überzeugung sich antisemitisch äußert, mit einer Überzeugung, die das Dritte Reich nicht verurteilt, und ist nicht losgelöst von 1933-45 zu betrachten, vor dem Hintergrund der Geschichte.“

Diese Definition von Antisemitismus wurde von einer Richterin am 8. Oktober 2014 im Sitzungssaal 219 der Pressekammer des Münchener Landgerichts formuliert. Dort fand an dem Tag die erste Hauptverhandlung zwischen Jutta Ditfurth und Jürgen Elsässer statt.

Der Herausgeber des verschwörungstheoretischen Magazins Compact klagt zur Zeit gegen Jutta Ditfurth, weil sie ihn am 16. April 2014 in einem Interview der Sendung Kulturzeit auf 3sat einen „glühenden Antisemiten“ genannt hatte. Elsässer erklärte vor Gericht, dies sei „eine substanzlose Schmähung“ und ein “Killerargument”, formuliert in der Absicht der „Existenzvernichtung“, da niemand bereit sei, mit einem “glühenden Antisemiten” zusammenzuarbeiten. Killen und vernichten, darunter macht es Jürgen Elsässer nicht und zitierte direkt FOCUS-Chefredakteur „Fakten, Fakten, Fakten“ Helmut Markwort:

“Einen Deutschen einen Antisemiten zu nennen, ist die größte denkbare Diffamierung, denn sie assoziiert Rassenhass, Massenmord, Auschwitz (…) Antisemit – das ist ein Killerwort. An wem es klebt, der ist gesellschaftlich und politisch geächtet.”

Jutta Ditfurth verteidigte sich mit diesen Worten:

„Es ist die Freiheit meiner Meinung, jemanden einen Antisemiten nennen zu dürfen, der massenhaft verdeckt Antisemitisches sagt und schreibt; einen, der sich mit antisemitischen Mitarbeitern umgibt; der gemeinsam mit anderen antisemitischen Rednern auf Kundgebungen spricht und sich bei Kritik an deren Antisemitismus explizit mit ihnen solidarisiert; einen, der die Regierung Israels nicht sachlich kritisiert sondern Israel antisemitisch schmäht; einen, der sich von Antisemiten und Shoa-Leugnern zu Veranstaltungen einladen lässt; einen, der Antisemiten für seine Zeitschrift interviewt und für seinen Verlag Bücher schreiben lässt. Ja, warum sollte man den in Deutschland nicht das nennen dürfen, was er ist: einen glühenden Antisemiten?“

Die Richterin erklärte Jutta Dirfurth sofort, warum man das nicht darf. Ein Antisemit sei man nur dann, wenn man sich positiv auf den NS-Faschismus bezieht. Sie kam zum vorläufigen Schluss, der Begriff „glühender Antisemit“ läge „jenseits des Hinnehmbaren“ und fügte hinzu: „Es ist ein Totschlagargument. Wer sich so bezeichnen lassen muss, steht in einer Ecke, aus der er nicht mehr rauskommt.“

Während sie dies sprach, saß in der ersten Reihe Karl-Heinz Hoffmann. Er ist der Gründer der 1980 verbotenen terroristischen Vereinigung „Wehrsportgruppe Hoffmann“. Die Vereinigung hatte eine klare neonazistische Prägung. Er war gewiss sehr erfreut über die Worte der Richterin, schließlich schätzt er an Elsässer seine „besondere Mischung aus konservativen und fortschrittlichen Gedanken.“

Die Antisemitismus-Definition der Richterin deckt sich erstaunlich mit der Definition, die Diether Dehm von der Partei Die Linke einmal gewagt hatte:

“Der Antisemitismus wurde das, was er wirklich ist: Eine massenmordende Bestie. Und deswegen dürfen wir nicht zulassen, dass man den Begriff des Antisemitismus für Alles und Jeden inflationiert. Antisemitismus, das ist Massenmord! Und es gibt überhaupt keinen Anlass, wenn mein Kollege und Freund Rolf Becker hier spricht, wenn von irgendeiner Seite dazwischengepöbelt wird Antisemitismus. Antisemitismus ist Massenmord und muss dem Massenmord vorbehalten bleiben!”

In Deutschland beginnt Antisemitismus erst mit der Vergasung von 6 Millionen Juden. Alles darunter ist eine Ordnungswidrigkeit!

Es ist schon spannend, was mittlerweile in Deutschland alles kein Antisemitismus mehr ist. Es ist nicht antisemitisch, „Scheiß Jude, brenn“ zu brüllen, Hakenkreuze zu zeigen, den Holocaust zu leugnen und vom „Judenterror“ zu faseln. All dies geschah im Jahr 2014 auf einer Demonstration in Essen, die die Polizei im Nachhinein als „friedlich“ bezeichnete. In Gelsenkirchen stufte die Polizei eine Demonstration als friedlich ein, auf der „Juden ins Gas“ gebrüllt wurde, so geschehen am 12. Juli 2014 in Gelsenkirchen. Die Polizei in Frankfurt und Hagen findet den Ausspruch „Kindermörder Israel“ sogar so legitim, dass sie ihre Megaphone und Polizeiwagen verlieh, damit dieser Ausspruch weithin hörbar war, so geschehen am 12. Juli 2014 in Frankfurt und am 1. August 2014 in Hagen. Die Polizei in Hamburg geht sogar noch weiter. Dort wird man nicht verhaftet, wenn man „Kindermörder Israel“ ruft, sonder wenn man sich öffentlich zu Israel bekennt, so geschehen am 1. August 2014 in Hamburg. In Duisburg wiederum schritt die Polizei nicht ein, als von Judenhassern Steine gegen ein Fenster mit Israelfahne geworfen wurden, sie brach aber in eine private Wohnung ein, um eine Israelfahne aus einem Fenster zu entfernen, so geschehen am 10. Januar 2009 in Duisburg.

All das ist kein Antisemitismus, denn der Dehm sagt es, Antisemitismus „muss dem Massenmord vorbehalten bleiben!“ Wenn aber jemand eine Person als „glühenden Antisemiten“ bezeichnet, der massenhaft verdeckt Antisemitisches sagt und schreibt; der sich mit antisemitischen Mitarbeitern umgibt; der gemeinsam mit anderen antisemitischen Rednern auf Kundgebungen spricht und sich bei Kritik an deren Antisemitismus explizit mit ihnen solidarisiert; der die Regierung Israels nicht sachlich kritisiert sondern Israel antisemitisch schmäht; der sich von Antisemiten und Shoa-Leugnern zu Veranstaltungen einladen lässt; der Antisemiten für seine Zeitschrift interviewt und für seinen Verlag Bücher schreiben lässt, dann fällt einer Münchener Richterin nur noch ein Wort ein: „Totschlagargument“.

Das ist Deutschland 2014: „Glühender Antisemit“ ist ein Totschlagargument, „Kindermörder Israel“ nicht! So einfach sorgt man dafür, dass Antisemitismus in Deutschland verschwindet: Antisemitismus beginnt mit Auschwitz. Alles darunter ist eine Ordnungswidrigkeit.

Es gibt somit keinen Antisemitismus mehr in Deutschland.
Kein schöner Land …

Über tapferimnirgendwo

Als Theatermensch spiele, schreibe und inszeniere ich für diverse freie Theater. Im Jahr 2007 erfand ich die mittlerweile europaweit erfolgreiche Bühnenshow „Kunst gegen Bares“. Als Autor verfasse ich Theaterstücke, Glossen und Artikel. Mit meinen Vorträgen über Heinrich Heine, Hedwig Dohm und dem von mir entwickelten Begriff des „Nathankomplex“ bin ich alljährlich unterwegs. Und Stand Up Comedian bin ich auch. Mein Lebensmotto habe ich von Kermit, dem Frosch: „Nimm, was Du hast und flieg damit!
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